Meine Preise – Thomas Bernhard

  • Suhrkamp Taschenbuch, 140 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Auf die gesamte Menschheit schimpfend und über sich selbst den Kopf schüttelnd, entwirft Thomas Bernhard ein Selbstporträt des Autors als Preis- und Preisgeldempfänger. In zorniger Rückschau zieht er darin eine Bilanz der ihm verliehenen Literaturpreise. Detailliert schildert der begnadete Komiker die Tragödien, zu denen sich die Überreichung jeweils entwickelte – egal, ob Bremer Literaturpreis, Staatspreis für Roman, Grillparzer- oder Georg-Büchner-Preis. Thomas Bernhard hadert mit der Welt im allgemeinen, dem Kulturbetrieb im besonderen und ganz speziell mit sich selbst mittendrin.


    Über den Autor:
    Thomas Bernhard, am 9. Februar 1931 in Heerlen/Niederlande geboren, starb am 12. Februar 1989 in Gmunden/Oberösterreich.


    Meine Meinung:
    Meine Preise ist ein posthum erschienenes Buch (ca. 1980 geschrieben) von Thomas Bernhard, indem er über die Verleihungen zu den Preisen berichtet, die er im Laufe seines Lebens für sein Werk erhalten hatte Wie man sich denken kann, ist der kritische Bernhard keineswegs begeistert, sondern klagt auf wütende, manchmal humorvoll ironische Art und beschreibt die demütigende Seiten solcher Preisverleihungen. Nur die Preisgelder kommen ihm gelegen, nur deswegen nahm er teil auch wenn er sich (angeblich) dafür verachtete.


    Die meisten Abschnitte gehen aber über die reine Preisverleihung hinaus, er berichtet auch davon, wie sich für eine Verleihung einen (zu engen) Anzug kauft, wie er mit seiner „Tante“ anreist und nicht empfangen wird, wie er von einem Preisgeld sich ein Auto kauft und dass schon schnell bei einem Unfall zu Schrot fährt.


    Nach den Abschnitten zu Der Grillparzerpreis, der Literaturpreis der freien Hansestadt Bremen, Der Julius Campe-Preis, Der österreichische Staatspreis für Literatur, Der Büchnerpreis u.v.a folgen einige Ansprachen Bernhards zu den Preisverleihungen, die ganz schön krass, kritisch und bitter gehalten sind. Kein Wunder, dass es bei dem österreichischen Staatspreis zum Eklat kam und der Minister türenschlagend den Saal verlassen hatte. Ich frage mich aber, wie die überwiegenden konservativen Bernhard überhaupt ausgewählt hatten und wie sie von ihm etwas anderes als anklagendes erwarten konnten.
    Bei dem Bremer Preis saß er im Jahr danach zwangsläufig selbst in der Jury. Was er von Entscheidungsfindung für den Preisträger berichtet ist illusionslos.
    Kritisch zeigt er sich selbst gegenüber den PEN-Club und verweigert seine Mitgliedschaft.
    Thomas Bernhard watscht dann auch noch die Akademie für Sprach und Dichtung, die den Büchnerpreis verleiht ordentlich ab.


    Eigentlich wollte ich die einzelnen Episoden, die manchmal Bezug aufeinander nehmen, so nach und nach lesen, aber es ist schwer, sich von Thomas Bernhards Texten zu lösen und schnell hatte ich das schmale Buch durch.
    Für den unbeteiligten Leser sind diese Beschreibungen der Festakte, die bei Bernhard unweigerlich zu mittelschweren „Verkehrunfällen“ wurden, amüsant zu lesen. Ein giftiges, ebenso witziges wie überspitztes Buch!

  • Was eine bei der Lektüre dieses Bändchens wirklich verwundert, ist, warum Bernhard es, obwohl seit ca. 1980 zum Duck bereit, nicht an die Öffentlichkeit gegeben hat. Schließlich geht es hier um das, was nicht nur sein, sondern das Sein von Schreibenden überhaupt bestimmt, die ambivalente Rolle, die sie im öffentlichen Bewußtsein spielen.


    Bernhard kommt ganz privat daher, ‚Meine Preise’ lautet de Titel und um neun Literaturpreise, die er für sein Schaffen bekommen hat, geht es auch. Zeitlich umspannen seine Berichte die Jahre 1964 bis 1979, vom Hamburger Julius-Campe-Preis bis zum Wiener Grillparzer-Preis und damit die ersten fünfzehn Jahre seiner eigentlichen Karriere vom ersten Roman ‚Frost’ an.
    Die neun Prosatexte sind Geschichten über die jeweiligen Preisverleihungen, vor allem aber sind sie die Geschichten von den unangenehmen und demütigenden Widersprüchlichkeiten, denen KünstlerInnen ausgeliefert sind, wollen sie von ihrer Kunst leben.


    Bernhard rennt in seiner charakteristischen Art gegen alle Wände an. Die Institution, die Jury, die jeweilige Situation, hin und wieder auch gegen den Ort der Preisverleihung. Den Kulturbetrieb, die Kulturverwaltung, überhaupt gegen den Umgang mit ‚Kultur’. Und natürlich gegen sich selbst, ein weiteres Charakteristikum. Das Anrennen hat viel Gewalttätiges und geht nicht ohne Schmerzen ab. Den Schmerz spürt man beim Lesen, hinter den Bosheiten, Boshaftigkeiten und der gleichzeitigen irrwitzigen Komik des Geschilderten.


    Ums Geld geht es, behauptet Bernhard, um nichts Anderes. Wie immer, wenn er etwas so steif und fest und eindeutig herausschreit, meint er nicht das, was er sagt, sondern in erster Linie das Gegenteil und im Gegenteil dann gleich wieder das zuerst Gesagte.
    Kunst und Geld sind ein böses Thema, eine ungute Kombination in unserem Denken. Bernhard nimmt seine Rolle als Schriftsteller äußerst ernst, die Bedeutung eines Schriftstellers für die Gesellschaft ist für ihn wesentlich. Zugleich sind KünstlerInnen dazu verurteilt, entweder einem Brotberuf nachzugehen oder sich dem Betteln zu widmen. Ebenfalls zugleich erwartet die Gesellschaft von ihnen, daß sie genügsam, sparsam, zurückhaltend ihrer jeweiligen Kunst leben, glücklich in einer Dachkammer, auf einem Stück trockenen Brots kauend. Mit Genuß beschreibt Bernhard, wie er sein Preisgeld für Luxusgüter verwendet, einen schicken Sportwagen, einen teuren Anzug, natürlich einen englischen. Kauft er Grund und Boden, etwas, das im Wertsystem der von ihm heftig angegriffenen bürgerlichen Gesellschaft höchsten Stellenwert besitzt, dann ist es ein verfallenes Gemäuer am Rand eines Schlammlochs.


    Die Existenzprobleme, die mit dem Schreiben einhergehen, sind die Kehrseite der Medaille und Bernhard dreht diese Münze um und um, wertlos, wertvoll, wertlos, so schnell, wie ein Taschenspieler. Er beherrscht die handwerklichen Tricks allesamt und führt sie locker vor, verächtlich, lachend, ein trauriger Clown. Seine Melancholie aber hat nichts sanftes, dahinter lauert im Gegenteil Wut bis zur Brutalität.
    Er hat ein scharfes Auge für die Absurditäten der Preisverleihungen, verschweigt dabei aber auch die Probleme nicht, die ihm seine eigene Haltung dazu bereitet. Nie findet er eine Mitte, es gibt einfach keine. Er schwankt zwischen Selbstüberhebung, berechtigtem Stolz auf seine Fähigkeiten, Selbstbewußtsein, Ängsten und Selbstekel. Die einzelnen Geschichten sind hochemotional. Er spricht nicht nur Jurys und Jury-Mitgliedern die Fähigkeit zur Kritik ab, sondern auch sich selbst die Fähigkeit, sich zu äußern. Seine Preisreden sind meisterlich, aber er behauptet, nichts zu sagen zu haben. Im letzten Augenblick entzieht er sich tatsächlich und sagt genau, was er behauptet, nicht sagen zu können.
    Bei der Entgegennahme des Büchner-Preises 1970 weiß er angeblich nichts zu Büchner zu sagen. Die Rede ist im Buch abgedruckt. Auf seine Art hat Bernhard recht, er sagt nichts über Büchner. Was er aber sagt, ist nichts als Büchner, jedes Büchnersche Thema, die Büchnerschen Stimmungen und Empfindungen fängt er in seinen wenigen atemlosen Sätzen ein.


    Die Rede zum Kleinen Österreichischen Staatspreis ist ein haßerfüllter Mord am damaligen Staat, Pöbeleien inklusive, die Rede zum Bremer Literaturpreis handelt von seinem Roman ‚Frost’ (für den er ihn auch erhielt), ebenso, wie vom Zustand der Gesellschaft. ‚Mit der Klarheit nimmt die Kälte zu’ ist der Kernsatz - seltsamerweise hat er sich mir bereits beim ersten Lesen vor längerer Zeit umgekehrt eingeprägt, ‚Mit der Kälte nimmt die Klarheit zu’. Eine erneute Bernhardsche Drehung oder persönlicher Irrsinn? Die Lektüre von Thomas Bernhard bringt eine unweigerlich auf solche Gedanken. Was er weiters von dieser Bremer Jury zu berichten weiß, ist schrecklich, aber für das Klima die BRD in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts nicht überraschend.


    Bernhards Auslassungen sind eine Fundgrube an Gedanken nicht nur zu Preisen und Preisverleihungen, sondern auch zur Frage, welchen Stellenwert wir KünstlerInnen in unserer Gesellschaft überhaupt zugestehen.
    Keinen’, sagt Bernhard. Und da er das nur ganz verhalten sagt, meint er wohl nicht das Gegenteil.



    Ich habe mir damals die gebundene Ausgabe geleistet und es nicht bereut. Es ist ein schön gemachtes, schmales Bändchen. Was fehlt, ist eine Auflistung der einzelenen Preisverleihungen im Inhaltsverzeichnis. Sucht man eine bestimmte, muß man herumblättern. Und natürlich fehlt mir ein Lesebändchen. :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus