'Die Landkarte der Zeit' - Seiten 001 - 101 (Kap. 01 - 05)

  • Den Anfang fand ich ein bißchen verwirrend, da nicht klar ist, warum Andrew sich umbringen möchte. Nachdem ich weitergelesen habe, habe ich mich aber sehr gut in die Geschichte reingefunden. Was leider nicht wirklich rüberkam, ist das Elend, welches in Whitechapel geherrscht hat.


    Die Szene, in der Andrew dem Vater seine unstandesgemäße Liebe erklärt, war spitze :rofl .


    Wikipedia-Links:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Mary_Jane_Kelly


    http://de.wikipedia.org/wiki/Elizabeth_Stride

  • Ich gestehe, ich hab gestern schon ein klein bißchen geschummelt, da ich heute kaum zum lesen kome.


    Die ersten Seiten ging es mir wie woelfchen, ich mußte ich erst mal etwas ins Buch und auch in den Stil hineinfinden.
    Eben auch ein wenig in die Gedankenwelt des Andrew.


    Sehr weit bin ich noch nicht gekommen, denke aber, das wird sich ab morgen ändern.

  • Der Druck meines Exemplars empfinde ich als etwas schwach, das sieht zwar bei Tageslicht sehr schön aus, erschwert aber das Lesen im Bett mit Nachttischlampe.


    Ich hatte keine Probleme, in die Geschichte reinzukommen, der Stil hat mir sofort supergut gefallen. Wenn der Leser direkt angesprochen wird, wechselt die Geschichte ins Präsens, was mir das Gefühl des unmittelbaren Miterlebens gibt.


    Andrews Fahrt mit der Kutsche durch London ist eine großartige Beschreibung der Stadtteile, die ich sonst nur aus den zeitgleich spielenden Kriminalromanen Anne Perrys kenne.


    Andrew ist verliebt und verschwendet offensichtlich keinen Gedanken daran, dass Marie bereits verheiratet ist. Da ist er wieder ganz in seiner Gesellschaftsschicht zu Hause: man nimmt sich, was man will. In klaren Momenten ist er sich allerdings bewusst, dass Marie wohl kaum in den Salons seiner gehobenen Schicht willkommen geheißen würde.
    Was Marie wirklich fühlt, erfährt man nicht, ihre Sicht der Dinge bleibt unbekannt. Aber wahrscheinlich ist sie froh über das Geld und denkt nicht weiter nach. Ob sie nur am Geld interessiert ist oder wirklich an Andrew, bleibt offen. Ich glaube, sie will einfach nur aus Whitechapel raus und sieht in Andrew ihre Chance.


    Andrews Versuch mit seinem Vater zu sprechen, scheitert kläglich. Er hätte sich nicht so viel Mut antrinken sollen. Hatte er noch in Marie die Chance gesehen, seinem Leben Sinn zu geben, erscheint ihm nach ihrem Tod alles sinnlos. Er verfällt in Schwermut und am Ende des Kapitels setzt er sich die Pistole an den Kopf.


    Ich habe bei Google folgendes zu den erwähnten echten historischen Personen gefunden:


    Francis Godwin, Walter Sickert ,
    Jack the Ripper.


    Auszug aus Wikipedia:
    " Mary Jane Kelly nannte sich nach einer Reise nach Paris selbst „Marie Jeanette Kelly“, Spitzname „Ginger“, Berichten zufolge entweder in Limerick oder County Limerick, Munster, Irland ca. 1863 geboren, getötet am Freitag, dem 9. November 1888"
    " ... Weiterhin passt auch Mary Jane Kelly nicht in das täterbezogene Schema des Rippers, da sie deutlich jünger als die anderen Opfer war, in einem Innenraum getötet wurde und weit umfangreichere Verstümmelungen aufwies als andere Opfer"


    Andrew geht sogar ganz nahe an Jack the Ripper vorbei, als er mit Marie aus dem Hinterhof kommt *muuuaaahhh*


    Gehen wir davon aus, dass Mary Jane Kelly die Marie im Buch ist, dann hat die Zeitmaschine wohl versagt. :-)


    Der erste Abschnitt hat mir supergut gefallen, ich bin schon sehr gespannt, welche illustren Personen der Geschichte noch so auftauchen werden.

  • Ich stecke etwa in der Mitte des ersten Leseabschnitts und ich will unbedingt loswerden das ich vom Sprach-/Erzählstil des Autors Felix Palma schlichtweg begeistert bin! Ich schätze Felix Palma als einen sehr gebildeten Mann ein der über ein unglaubliches Sprachrepertoire und Vokabular verfügt. Manchen Lesern mag es vielleicht etwas viele Detailbeschreibungen geben aber wie der Autor es mit seiner sprachlichen Gewandtheit niederschreibt finde ich einfach grandios. :anbet


    Die ruhige Erzählweise machte es mir bis jetzt sehr einfach in die Geschichte einzutauchen. Auch das er den Leser direkt anspricht gefällt mir ungemein. :-]


    Beim Stadtteil Whitechappel fühle ich mich gleich wieder an Jennifer Donnellys Teerose erinnert.

  • Ich bin erst bei Seite 74, muss aber schon mal etwas über den Anfang und den Schreibstil sagen. Eigentlich gefällt er mir supergut, so ausführlich, opulent, blumig, verschörkelt, in teilweise endlos langen Bandwurmsätzen - was mich bei vielen Autoren nervt - hier aber nicht, weil der Autor es mit einem Augenzwinkern einsetzt und weil es zur Zeit des Geschehens passt.
    Innerhalb von wenigen Seiten hatte das Buch eine Stimme in meinem Kopf, es wird mir jetzt von Till Hagen vorgelesen, dessen angenehme, etwas versnobte, very britische Stimme so genial da reinpasst, dass ich mir ein Hörbuch mit ihm sofort kaufen würde.
    Zurück zum Stil: Ein paar Mal kam mir der Gedanke, dass es jetzt ein wenig viel wird (zu ausführlich, zu abschweifend). Auf einer der ersten Seiten habe ich mal die Augen verdreht und gedacht: Nu erschieß dich endlich!, dann kam der Autor aber in exakt dem nächsten Moment (!), und machte eine ironische Bemerkung über den Störfaktor, die sich direkt an den Leser richtet. Und das passierte hinterher noch mehrere Male. Ich begann, mich genervt zu fühlen - und schon folgte eine Bemerkung, die mich wieder versöhnte. Das Timing dieser Einwürfe finde ich wirklich brillant, ich hab sehr gestaunt.


    Leider fallen durch diesen auffälligen Stil auch kleinere Patzer extrem ins Auge, die ich ansonsten übersehen würde (und die vielleicht auch an der Übersetzung liegen - aber ich kann ja nur zum deutschen Buch schreiben). Wie das nunmal so ist, wenn sich jemand besonders aufplustert (und auf zugegeben charmante Art tut dieses Buch das) dann fallen winzige Mäkel besonders auf, vermutlich weil man dann besonders nach einem Ausbruch aus der Perfektion sucht.
    Da wären hin und wieder kleinere Wortwiederholungen, die nicht beabsichtigt erscheinen, z.B. das recht auffällge "ergoss" auf Seite 17, das sich da in wenigen Sätzen wiederholt.
    Auf Seite 34 hat mich ein Satz ziemlich gestört, in dem es heißt: "In dem August, in dem das alles passierte ..."


    Was mich erstmal ziemlich abgeturnt hat, war ein Satz im "Vorwort", welches mir ansonsten super gefallen hat, mit den Zitaten und dann der Ansprache des Autors. Aber dieses:


    STAUNEN UND SCHRECKEN
    GARANTIERT!


    hat mich genervt. Sowas bringt mich dazu, das Gesicht zu verziehen und erstmal "Na, das wollen wir erst mal sehen" zu denken. Vielleicht hält das Buch es ja, aber der erste Gedanke ist leider, dass der Satz sehr blöde dasteht, wenn es das eben nicht tut. Unnötig.


    Nach dem Gemecker aber noch kurz zu den Punkten, die mir am besten gefallen haben. Das sind zum einen die Kleinigkeiten im Detail, die auch sorgfältige Recherche hindeuten, z.b. die genaue Beschreibung der Kneipe Ten Bells, die eigentlich total unwichtig ist, aber so exakt in ihrer Lage beschrieben ist, dass ich sicher bin, dass sie damals wirklich genau dort stand.


    Mein Lieblingssatz:
    Im Grunde bewunderte er seinen widersprüchlichen Geist, der ihn an ein Haus denken ließ, das in endlos viele Zimmer unterteilt war, die nicht verbunden waren, sodass das, was in dem einen passierte, keinerlei Auswirkungen auf die übrigen Zimmer hatte.
    Das gefällt mir total gut, beschreibt solche Menschen so ideal.

  • Zitat

    Original von Mulle
    Das sind zum einen die Kleinigkeiten im Detail, die auch sorgfältige Recherche hindeuten, z.b. die genaue Beschreibung der Kneipe Ten Bells, die eigentlich total unwichtig ist, aber so exakt in ihrer Lage beschrieben ist, dass ich sicher bin, dass sie damals wirklich genau dort stand.


    Nö, das ist ganz einfach- das steht da nach wie vor.

  • Da ich heute Dienst habe, habe ich gestern auch schon begonnen und war sofort in der Geschichte drin. Die Sprache gefällt mir sehr gut und ich kann mir die Örtlichkeiten sehr gut vorstellen. Vor einiger Zeit habe ich etwas über Mary Kelly geschrieben und war ganz erstaunt, sie nun hier wieder zu finden. Für diese Kurzgeschichte habe ich sehr viel auf dieser Seite nachgelesen und kann mir vorstellen, dass der Autor dort auch fündig geworden ist. Dort gibt es sogar ein Foto von Mary (allerdings ist von ihrer Schönheit da leider nichts mehr übrig...)


    Die Beschreibung der Kneipe und der allgemeinen hygienischen Zustände sind wirklich gut vorstellbar. Ich habe tatsächlich das Ganze wie einen Film vor Augen ablaufen sehen. Super spannend bisher und ich warte darauf, was geschehen wird.


    Mulle - diese Patzer sind mir gar nicht aufgefallen. :wave Ich merke bei mir immer wieder, dass ich, wenn mir ein Buch von Anfang an sympathisch ist, so etwas überlese (wenn es denn nicht allzu oft vor kommt.) Gefällt mir ein Buch schon zu Beginn nicht so richtig, dann bin ich doch kritischer und dann würde ich mich auch daran stören.

  • Ich bin noch nicht ganz so weit, bin aber ohne weiteres in das Buch reingekommen. Sprachlich gefällt es mir bisher recht gut. Die fließenden Übergänge zwischen den Zeitformen beim Wechsel in der Erzählperspektive war anfangs etwas ungewohnt. Mal sehen, wie es weiter geht.



    Das ging mir genau so. Wenn ein Buch mit Zitaten und kleinen, direkten Anreden an den Leser beginnt, finde ich das eigentlich nicht schlecht, aber wenn mir auf der ersten Seite jemand sagt, wie mir das Buch gefallen wird und das auch noch garantiert, dann gehe ich erstmal ein wenig in Trotzhaltung.
    Hoffentlich kann es auch halten, was versprochen wurde.

  • Jepp. Wenn der Verlag das hinten drauf pappt, dann ist das eine Sache, aber innendrin kommt es ja vom Autor selbst. Und das bewirkt bei mir eben, dass eine Augenbraue hochwandert und ... naja, ich erstmal skeptisch bin.


    Ich habe den Abschnitt jetzt beendet. Interessant fand ich ja Hauptfigur Andrew, der mir vom Typ her ganz tierisch auf die Nerven fallen würde. Unreifes, verzogenes Früchtchen und dazu ein Jammerlappen vor dem Herrn. Aber da der Autor/Erzähler ihn auch nicht ganz ernsthaft beschreibt, sondern sich mehr oder weniger subtil sogar etwas über ihn lustig macht, passt das sehr gut.


    Cousin Charles ist mir irgendwie symapthischer, ihn kann ich mir auch so richtig gut vorstellen im Victorianischen London. Cousin Charles ist für mich jetzt schon Jude Law, nichts mehr dran zu rütteln.


    Marie blieb in meinen Augen schemenhaft. Ich kann mir schwer vorstellen, dass sie Andrew geliebt hat, vermutlich hat sie einfach nur ausgenutzt, dass er ihre Umstände verbessert hat. Ich glaube, er hat sich auch nicht einmal gefragt, ob sie ihn auch liebt.


    Der Erzähler ist und bleibt meine Lieblingsfigur. Klasse Typ, ich habe das Gefühl, dass ich ihn am besten von allen kenne. Seine Einschübe kommen inzwischen mit Ansage (d.h. ich vermute schon immer, dass etwas kommt) und ich freu mich drauf. Witzig.


    Bin gerade sehr gespannt wie es nun weitergeht, da die Rückblicke ja nun abgeschlossen sind (?) und Andrew sich noch immer nicht erschossen hat.

  • Schon erstaunlich, dass Andrew am Himmel eine zeppelinförmige Wolke entdeckt (S. 66). Er muss hellseherische Fähigkeiten gehabt haben, denn die Dinger wurden erst nach 1890 erfunden. Zeppelins Patent wurde auf 1895 rückdatiert, der erste flugfähige Zeppelin ging 1900 in die Luft. Jack the Ripper aber hat die hier geschilderten Morde 1888 begangen.

  • Aber auch da wäre mir lieber, er hätte sich für ein bereits vorhandenes Fluggerät entschieden. In dieser Perspektive sieht Andrew die Wolke, und für mich sind das im Moment seine Gedanken, nicht die des Erzählers (der mich im Übrigen an den Tod in der Bücherdiebin erinnert).

  • Das Buch spielt einfach nicht in unserer Zeit- bei uns wurde nie ein "Jack the Ripper" auf frischer Tat ertappt und als geständiger Mörder gehängt. Ein Matrose namens Reese war ebenfalls nicht unter den wirklich Verdächtigen.

  • Zitat

    Original von woelfchen
    Offensichtlich bin ich die einzige, die sich von den Einwürfen gestört fühlt; sie reißen mich immer aus der Geschichte raus.


    Das kann ich mir gut vorstellen, geht mir in vielen Geschichten, die so erzählt werden, ebenso.
    Hier mag ich es so, weil ich Andrew als Protagonisten so erbärmlich und - für mich persönlich - uninteressant finde. In dem Erzähler habe ich jemanden "auf meiner Seite", der ihn genau so erbärmlich findet wie ich *fg*. Ich glaube sogar, ohne diese Einwürfe hätte ich das Buch bereits abgebrochen; mit ihnen finde ich es - bisher - ganz toll.
    Wahnsinn, was Kleinigkeiten ausmachen können.


    @ Bouquineur:
    Du zerstörst meine Illusionen von der akribischen Recherche :grin
    Dass er die Ripper-Geschichte aus welchem Grund auch immer umerzählt, kann ich mir vorstellen, aber die Zeppelinwolke hätte mich auch gestört, wenn ich historisch so fit gewesen wäre, zu wissen, dass die Dinger erst viel später Zeppeline hießen. Das sehe ich auch eher als Patzer (in der Übersetzung? Wo sind unsere spanischen Leser - steht da Zeppelin oder Luftschiff?). Außer, hinterher wird noch offenbar, dass es in dieser Welt eben schon Zeppeline gab, warum auch immer. In dem Fall wäre es ein guter Störer ... Vielleicht ist es ja auch ein dezenter Hinweis auf etwas, das noch folgt :gruebel
    Ich traue diesem Autoren alles zu :-]

  • Zitat

    Original von Mulle
    Was mich erstmal ziemlich abgeturnt hat, war ein Satz im "Vorwort", welches mir ansonsten super gefallen hat, mit den Zitaten und dann der Ansprache des Autors. Aber dieses:


    STAUNEN UND SCHRECKEN
    GARANTIERT!


    hat mich genervt. Sowas bringt mich dazu, das Gesicht zu verziehen und erstmal "Na, das wollen wir erst mal sehen" zu denken. Vielleicht hält das Buch es ja, aber der erste Gedanke ist leider, dass der Satz sehr blöde dasteht, wenn es das eben nicht tut. Unnötig.


    Mit so einem Spruch z.B. wurden früher die Leute in die Kuriositätenkabinette oder Variétés gelockt. Und wenn man den Satz nicht ganz so ernst nimmt, passt er schon. Mich hat er nicht gestört.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Das Buch spielt einfach nicht in unserer Zeit- bei uns wurde nie ein "Jack the Ripper" auf frischer Tat ertappt und als geständiger Mörder gehängt. Ein Matrose namens Reese war ebenfalls nicht unter den wirklich Verdächtigen.


    Mich würde nicht wundern, wenn sich dieses Bild verändert, wenn die Zeitmaschine zum Einsatz gekommen ist und am Ende des Buches der uns bekannte Zustand wiederhergestellt wird.
    Was allerdings bedeuten würde, dass Mary Kelly so oder so ums Leben kommt.


    Mulle
    Ich bin halt Erbsenzähler, was solche historischen Details angeht. Ich hab sogar mal ein Buch aufgrund eines solchen Patzers abgebrochen. Aber wer weiß, vielleicht hat Beo recht und in Palmas Bild der damaligen Zeit gab es schon Zeppeline. Da hilft wohl nur weiterlesen :-)