Macht anspruchslose Literatur unfähig und/oder ungeduldig?

  • Die Frage hat sich bei mir während der Leserunde zu `Onkel Toms Hütte`aufgetan. Ich kann mich erinnern, dass ich das Buch vor ca. 10 Jahren sehr gerne gelesen habe, damals las ich auch deutlich anspruchsvollere Literatur.
    In der Leserunde fiel es mir schwer, Geduld mit dem Buch zu haben und brach es am Ende ab.


    Macht anspruchslose Literatur einen Leser ungeduldig oder verdummt man als solcher regelgerecht? Und wie kann man sich wieder an anspruchsvollere Literatur heranführen, um sie auch genießen zu können?

  • Ich würde nicht behaupten, dass anspruchslose Literatur ungeduldig oder dumm macht. Nur großartig bilden tut man sich damit auch nicht. Mitlerweile denken viele Leute, dass sie schon allein deshalb intellektueller sind als Nichtleser, weil sie Harry Potter, Bis(s) zum ... und andere Fanasyliteratur lesen. Solche Literatur zu lesen macht einen meiner Meinung nach aber werder schlauer noch dümmer, als jemand, der nur TV guckt.


    Nur, dass ist auch meine Erfahrung: Es ist ein großer Unterschied irgendwelche Belletrisitk zu lesen, oder Sachbücher oder ein Goethe, etc.
    Das schwierigste dabei ist, dass zumindest ich mir oftmals wieder angewöhnen muss, dass man anspruchsvollere Literatur laaaangsaaaamer lesen sollte, um wirklich alles zu verstehen. Während man bei einem Harry Potter nur so durchrattern kann, muss man bei Goethe viel langsamer, ruhiger und vor allem AUFMERKSAMER lesen, da dort nicht nur die Handlung, sondern auch die Wortwahl und Satzstellung von Bedeutung ist.


    Bisher hatte ich nie wirklich Schwierigkeiten, mich wieder an anspruchsvollere Literatur zu gewöhnen. Mal davon abgesehen, dass ich meine "so-viele-Seiten-am-Tag-lesen-wie-es-nur-geht" Angewohnheit ablegen muss, da ich bei ansruchvoller Literatur meist nur wenige Seiten am Tag lese.


    Genießen? Das konnte ich noch nie. Goethe und Co wurden mir leider gründlich vom Deutschlehrer versaut. Die ganze Interpretiererei geht mir noch heute auf den Keks.

  • Die Mischung macht's. Ich koennte "anspruchsvolle" Literatur nicht geniessen, wenn ich nicht auch genug an schneller Unterhaltungsliteratur zwischendurch hab. Ich nehm mir dann schon Zeit fuer ein besonderes Buch.


    Davon abgesehen, mag ich aber am liebsten anspruchsvolle Literatur, die sich auch leicht lesen laesst. Ich mag es gar nicht, wenn Buecher nur dann als hohe Literatur gelten, wenn sie auch anstrengend zu lesen sind. Und ja, manchmal verlier ich die Geduld, wenn ich das Gefuehl hab, dass Schreibstil und Sprache der eigentlichen Geschichte im Weg stehen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Ich finde die im Deutschen nach wie vor praktizierte Trennung zwischen ernsthafter und Unterhaltungsliteratur ohnehin problematisch. Wer entscheidet, was als "anspruchsvolle" Literatur gelten darf und nach welchen Kriterien? Und wie ist es möglich, dass Literatur an Anspruch gewinnt, nur weil sie fünfzig oder hundert oder fünfhundert Jahre herumliegt?
    Aber das ist ein anderes Thema.



    Ich habe in meiner frühen Jugend vieles gelesen, was als "ernsthafte" oder "anspruchsvolle" Literatur gilt, vor allem in Ermangelung anderen Stoffs im elterlichen Bücherregal.
    Heute lese ich ausgewiesenermaßen "anspruchsvolle" Literatur fast nur noch zu Recherchezwecken.
    Ich persönlich vertrete die Meinung, dass schwere Verständlichkeit kein Indiz für hohen Anspruch sein muss und auch nicht sein sollte. Ist ein Buch schwer lesbar, bedeutet das nicht automatisch, dass es inhaltlich besonders wertvoll ist - es kann auch heißen, dass der Autor sich entweder einer Sprache befleißigt, die aus einem anderen Jahrhundert stammt und dem heutigen Leser deshalb automatisch Verständnisschwierigkeiten aufbürdet, oder es bedeutet schlicht, dass seine Schreibe Mängel in Punkto Zugänglichkeit aufweist.



    Die Unterhaltungsliteratur ist außerdem nicht einfach schwarz oder weiß. Harry Potter, das Eis und Feuer Epos oder Herr der Ringe gehören alle zur Fantasy und sind der Unterhaltungsliteratur zuzuordnen, sogar einem Bereich, der vor noch nicht allzulanger Zeit in Deutschland eher als Unterleib der Literatur gebranntmarkt war.
    Sie markieren sehr unterschiedliche Level in Sachen Anspruch und Zugänglichkeit. Moderne Fantasy-Autoren wie George R. Martin oder Tad Williams schreiben mit großer Tiefe und hohem Anspruch, schaffen es aber trotzdem, ihre Werke in locker-leichter, gut zugänglicher Sprache und einem hohen Spannungsbogen auf den Markt zu bringen.


    Und das gilt für viele andere Autoren und Sub-Genres genauso.



    Ich habe irgendwann für mich entschieden, dass ich nicht genug Zeit habe, mich durch Bücher zu quälen, die irgendwelche Kritiker und Literaturgelehrte zu anspruchsvoller Literatur, wenn nicht gar Klassikern erhoben haben - die aber meinem Anspruch an den Unterhaltungswert eines Buches nicht gerecht werden und andererseits auch nicht so tiefgründige Erkenntnisse bergen, dass es das ausgleichen würde.
    Ich glaube auch, dass sich die Lese- und Schreibgewohnheiten ändern.
    Moderne Autoren schreiben oft rasanter, spannender und emotionaler, als man das bei den meisten Klassikern findet. Und einmal an diesen Stil gewöhnt, fällt es schwer, wieder einen Schritt zurückzugehen.


    Zum Vergleich bemühe ich mal die Filmindustrie: Filme, die ich vor zwanzig Jahren spannend und visuell bahnbrechend fand, reißen mich heute nicht mehr so recht vom Hocker.
    Moderne Filme arbeiten mit nahezu perfekten Spezialeffekten, intensiver und emotionaler Kameraführung, perfektem Licht, perfekten Farben ... alles fühlt sich intensiv, unmittelbar und dadurch eben sehr emotional an. Eine Actionsequenz wirkt real, weil die Schauspieler vorher ein halbes Jahr lang Kampftraining erhalten haben und ein Choreograph die Schlägerei entworfen hat.
    Ein Film aus den Sechziger Jahren hat das alles nicht. Da sieht man, dass der Hintergrund auf Pappe gemalt ist und die Kostüme aus billigem Plastik, dass die Schauspieler in physisch anspruchsvollen Szenen reichlich hölzern wirken, weil sie sich nicht zu bewegen wissen. Den früheren Sehgewohnheiten geschuldet, wirken ältere Filme außerdem aus heutiger Sicht oft gekünstelt, die Dialoge überdramatisiert und deshalb unfreiwillig lächerlich, außerdem bilden sie Rollenverständnis ab, das heute überholt erscheint.
    Da kann ein alter Film noch so sehr als Meisterwerk und Klassiker gelten - an den Unterhaltungswert eines modernen Films kommt mit wenigen Ausnahmen nicht heran.


    Auch wenn der Filmvergleich an einigen Stellen hinken mag - an anderen ist er wahrscheinlich recht treffend.


    LG, Andrea

  • Zitat

    Original von woelfchen
    Macht anspruchslose Literatur einen Leser ungeduldig oder verdummt man als solcher regelgerecht? Und wie kann man sich wieder an anspruchsvollere Literatur heranführen, um sie auch genießen zu können?



    Hallole Woelfchen!


    Was spricht denn gegen leichte Literatur?
    Es kommt doch darauf an, warum Du liest.


    Wenn Du nach einem anstrengendem Tag, auch geistig anstrengend, Dich nur entspannen möchtest, lies doch einfach einen Nackenbeißer, oä ... :-)
    Wenn Du zB so wie ich im Ruhestand bist und Angst hast, zu verblöden (meine große Befürchtung), dann lies doch mal was Anspruchsvolles, ein Sachbuch, oder was Dir so unter die Finger kommt, wenn es mal nicht Dein übliches Beuteschema ist :grin


    Ungeduldig?
    Werde ich nur dann, wenn ich entweder mit dem Stil, oder mit dem Inhalt überhaupt nicht warm werde. Dann breche ich ab und nehm ein anderes Buch :lache


    Verdummen?
    Nein, glaube ich nicht. Wenn man nur leichte Literatur liest, ist das wohl so, als ob man sich von der Glotze berieseln läßt. Dabei verdummt man ja auch nicht. (Dh, wenn vorher ein gewisses Maß an Intelligenz da war :rofl)


    Anspruchsvolle Literatur genießen?
    MMn reine Übungssache :kiss


    Wie Beatrix schon geschrieben hat, ist es eine Frage der Mischung.
    Bücher sollen, mich zumindest, unterhalten und ablenken.
    Nur was Seichtes will und kann ich nicht, nur Anspruchsvolles will und kann ich erst recht nicht... :chen


    :wave

    Wenn mein Kopf auf ein Buch trifft, klingt es hohl. Das muß nicht immer am Buch liegen...
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Was ist denn überhaupt "anspruchsvolle" Literatur? Wer setzt hier denn die entsprechenden Normen fest? Wonach richtet sich der Anspruch? Nach Stil oder Inhalt?


    Zudem ist doch der "Anspruch" in erster Linie von der persönlichen Definition abhängig. Ist eventuell etwas "anspruchsvoll" weil niemand es so richtig versteht?


    Die gestellte Frage ist in meinen Augen kaum zu beantworten, da man sich wohl zuerst auf gemeinsame Standards einigen müsste.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Dazu fällt Reinhard Mey was ein:


    Und du, du bringst zwar keinen ganzen Satz zustande, du stammelst und du stümperst aber tröste dich nur: Totale Unfähigkeit ist doch keine Schande, im Gegenteil, mein Alter, das ist Literatur ! Dir fehln die Worte ? Fabelhaft dein knapper Stil ! Dies wirre Zeug ? Das ist dein kantiges Profil ! Chaotisch, unverständlich, alle finden das toll, denn wenn keiner mehr Bescheid weiß: das ist anspruchsvoll.


    Anspruchsvoll, anspruchsvoll, oh Mann, was sind wir alle anspruchsvoll ! Bei allem, wo keiner weiß, was es bedeuten soll, sagen wir vorsichtshalber erst mal, das ist anspruchsvoll !


    Anspruchsvoll ist für mich ein Buch, das den an ihn gestellten Anspruch voll erfüllt. Wenn der Anspruch also Wäre :yikes Ich will durch Blondindenwitze unterhalten werden, dann sollten es unterhaltsame Witze sein, wenn ich ein Sachbuch über die historischen Ursachen und die Entwicklung der Hexenverbrennung lese, solle die enthaltene Information trotz des Anspruches auf Bildung so aufbereitet sein, dass das Buch leicht lesbar bleibt. Ein Buch, das mit Fremdwörterlexikon gelesen werden muß icst nicht anspruchsvoll, sondern einfach schlecht. Goethe z.B. kann man auf viel verschiedene Arten lesen, oder wer weiß von euch noch, was in den Anmerkungen stand, welchen Kritiker Herr von Goethe im Faust II persiflierte und ehrlich: wen von euch interessiert das beim Lesen ? Also lesen den Osterspaziergang wegen des Genusses an derr Sprache und der geschilderten Szene, wegen der Zitate "Hier bin ich Mensch, hier darf ich´s sein" oder wegen der Interpretationstexte? Onkel Tom z.B. wäre für mich ein historischer Trivialroman, ein alter Klassiker, ja, aber schwülstig und schwer lesbar- aber nicht anspruchsvoll.

  • Ich möchte mich gegen die Einteilung in anspruchsvolle und anspruchslose Literatur wehren. Welche Kriterien sollen denn da Maßstab sein?


    Ich lese querbeet und immer das Buch, zu dem ich gerade Lust habe. Ob andere mein "Zwischendurchbuch" für peinlich und anspruchslos halten, ist mir egal. Aber verdummen? Nein. Die Mischung macht's.

  • Woelfchen, nenn mal ein Beispiel für anspruchslose Literatur bei der die Gefahr der Verdummung besteht.


    Ich persönlich lese auch queerbeet, stehe aber dazu, dass Klassiker oder andere schwerere Kost eher selten auf meinem Nachttisch zu finden sind. Ich lese, weil ich mich nach einem anstrengenden Arbeitstag erholen will. Durch ein Buch von Hemmingway (oder wem auch immer) werde ich mich sicher nicht hindurchquälen, nur um danach das Gefühl zu haben, mehr für meine Bildung getan zu haben, als wenn ich einen anspruchsloseren Krimi oder ähnliches gelesen hätte.


    Was mir da noch dazu einfällt, weil es mit gestern wieder aufgefallen ist: Ich glaube kein Buch kann so anspruchslos sein wie das derzeitige TV Programm. TV aus - Hirn an triffts da ganz gut :grin

  • Ich finde das auch ganz interessant - wenn ich Jane Austen lese, zählt das als anspruchsvoller Klassiker, dabei wars damals auch nur ein Liebes-/Gesellschaftsroman. Und Romane waren sowieso eher nicht so angesehen. Oder Charles Dickens, der wurde damals in Periodicals veröffentlicht, quasi die Soap Operas von damals. Heute? Alles Klassiker.


    Ich finde es im Englischen angenehmer, da ist die Grenze doch etwas fliessender. Kommt mir persönlich zumindest so vor.


    Ich lese gerne Fantasy, aber bitte nur gut geschriebene. Und ich lasse mir von niemandem sagen, dass der Humor von Terry Pratchett z.B. "anspruchslos" sei. Dass das was anderes ist als Goethe, ist mir schon klar. Ich lese beides gerne.

  • Wölfchen
    Menschen verändern sich, was gestern noch toll war, ist heute schon vergessen. So ist der Lauf der Dinge.
    Und nur weil 10 Jahre später dich ein Buch nicht mehr so begeistert wie früher heißt es doch noch lange nicht,
    dass Du an Dir jetzt plötzlich was ändern müsstest. Lies doch einfach ein anderes Buch.
    Und wieso willst du ein Buch lesen und für toll befinden, das irgendjemand anderes auf den Bucholymp erhoben hat?
    Wenn dir ein Klassiker nicht gefällt - es gibt noch jede Menge anderer, wenn du denn unbedingt welche lesen willst...


    Ich lese nur Bücher, die mich gut unterhalten. Bücher, die ich vor 10 - 20 Jahren gemocht habe,
    nehme ich nicht mehr in die Hand. Ich bin mir sicher,
    dass ich momentan mit den Geschichten nichts mehr anfangen könnte, die würden mich eher überfordern.
    Jetzt lese ich eben was anderes - hauptsächlich was entspannendes.
    In 10 Jahren mag sich das ändern, was soll's?

    "Das Schicksal macht Fehler. Eigentlich sogar ziemlich oft. Es kommt nur selten vor, dass jemand in der Lage ist, es auch zu bemerken."
    aus Eine Hexe mit Geschmack von A. Lee Martinez

  • Ich finde diese Unterteilung auch ganz grauenhaft. Man kann aus so gut wie jedem Buch lernen, was mehr mit dem Inhalt, denn mit der Anerkennung des Autors zu tun hat. Und auf keinen Fall steigern Bandwurmsätze und Fremdwortmasaker den intellektuellen Wert eines Buches. Von einem bewusst kompliziert geschriebenen Buch nehme ich auch weitaus weniger mit, seien es nun Ausdrücke, Bezeichnungen, Wörter oder eben inhaltliche Punkte. Wenn ich denn wirklich Gehirnakrobatik üben will, um meine Hirnwindungen in Schwung zu halten, dann kann ich mir auch ein Sudokuheft besorgen oder mir Dr. Kawashimas Gehirn Jogging für Nintendo DS besorgen. Dazu muss ich keinen Fremdwordduden lesen.


    Mich stört auch immer dieses Aufputscherei in den Schulen und von den Medien, von wegen, WAS und WER ein Klassiker und/oder gehobene Literatur ist. Dabei scheint vor allen Dingen eine Rolle zu spielen, wie viele unterbeschäftigte und gelangweilte Menschen in der Vergangenheit in einem bestimmten Werk eines sowieso bereits toten Autors wie viele unterschiedliche Bedeutungen, Geheimbotschaften, Schatzkarten, Vorahnungen oder was auch immer gefunden haben. Ich werde niemals einsehen, dass ein Dichter, der ein 4-Zeilen-Stück schreibt, sich unendlich viele Gedanken darum gemacht hat, sodass Schüler in heutigen Zeiten gute 20 Seiten Interpretation herausleiern können. Aus 4 verdammten Zeilen! Das ist wie als Kunst verschrieene Leinwände, über die irgendwer Schweineblut gekippt hat oder ein schwarzes Viereck, bei dem sich der Künstler ganze 4 Minuten besonders angestrengt hat... *hmpf*


    Insoweit weiß ich nicht, was ich aus diesen sogenannten 'literarischen Meisterwerken' teilweise lernen soll. Ich will damit nicht den gesamten Lehrplan der Schulen verschreien, aber da sowieso jeder Deutsch-/Literaturprofessor ein und demselben Buch/Gedicht/Stück eine völlig andere Bedeutung entlockt und angibt, dass diese - und NUR diese - die absolut richtige ist, frage ich mich einfach, wer die Richtigkeit dieser Aussagen überhaupt kontrolliert. Die meistens toten Urheber des Ganzen gewiss nicht.


    Deshalb lese ich, was mir Spaß macht. Ich lese Oscar Wild und C. S. Lewis, Carlos Ruiz Zafón und Tolkien. Einfach, weil mir ihre Werke gefallen und ich sie gerne lese. Die Chroniken von Narnia sind Kinderbücher und keine literarischen Kunststücke und ich behaupte trotzdem, dass man daraus etwas lernen kann. Besonders für Eulen, die selbst - wenn auch nur Hobbymäßig und ganz für sich selbst - schreiben, ist jeder Eindruck eine Bereicherung. Und wenn man aus einem Buch nur einen einzelnen Ausdruck oder ein Stilmittel mitnimmt, dann ist das doch auch schon etwas.

    "Sobald ich ein wenig Geld bekomme, kaufe ich Bücher; und wenn noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung." - Desiderius Erasmus

  • Was ist den anspruchslose Literatur?


    Also fand jetzt z.B. 'Die Leiden des jungen Werther' auch nicht unbedingt anspruchsvoll (falls das den darunter zählt). Nur weil es aus einer anderen Epoche ist und der Autor lange tot. Wahrscheinlich war das zu seiner Zeit eher anspruchslos.


    Und was wäre, wenn ich z.B. Harry Potter in Latein lese?


    Ich finde das schon merkwürdig, sich über sowas überhaupt Gedanken zu machen. Ich habe vor 10 Jahren 'Die Nebel von Avalon' gelesen und fand es damals klasse. Letztes Jahr bei der Lesrunde hatte ich meine liebe Mühe, warum auch immer. Und ich denke nicht, dass das unter die Kategorie 'anspruchsvoll' fällt. Vielleicht liegt es einfach nur daran, wie man grade daruf ist, ob sich was im Leben geändert hat.

  • Ich denke, andersrum wird ein Schuh draus.
    Ich habe in meinem weiteren Bekanntenkreis Leute, die ausschließlich Julia-Heftchen und Bergromane lesen. Das mag arrogant klingen, aber die sind intellektuell nicht so unbedingt die Überflieger, allerdings nicht weil sie Heftchenromane lesen, sondern deshalb lesen sie sie.
    Das kann man auch aufs Individuum runterbrechen: Es gibt durchaus Phasen, in denen ich dumm im Kopf bin und eben nur entsprechendes Zeugs, meistens Krimis, lesen kann. Bin ich dann intellektuell wieder auf der Höhe, nerven mich solche Krimis, weil sie mich unterfordern.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)


  • Mich hat es geschockt, dass ich mit 15, 20 mit großer Leichtigkeit ein Buch gelesen habe, welches mir jetzt Schwierigkeiten bereitete. Allerdings las ich damals auch weniger einfache Literatur, vielleicht macht es einfach die Übung.

  • Hallo woelfchen,


    vielleicht hat jedes Buch seine Zeit. Und im Moment passt "Onkel Toms Hütte" möglicherweise auch nicht zu Deiner Lesestimmung.


    Was meine Person betrifft, so mag ich literarische Abwechslung. Auf einen Krimi kann ein politisches Sachbuch und darauf ein Reisebericht folgen. Keinesfalls darf es langweilig werden und ob die Lektüre, die ich lese als anspruchsvoll bezeichnet werden kann, weiß ich nicht. Es interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht.
    Allerdings suche ich mir meinen Lesestoff gezielter als vor ein paar Jahren aus, bin eher bereit abzubrechen und ein paar Genres klammere ich gänzlich aus, da ich ihnen nichts abgewinnen kann, letztlich aber kein Werturteil gegenüber anderen Lesern darstellen soll. Als Vielleser würde ich behaupten, dass im Laufe der Jahre die eigenen Ansprüche wachsen, die Themen sich wiederholen und nur in neuem Gewande auftauchen. Und wenn die wiederholte Bearbeitung eines Stoffes mir keine neuen Impulse gibt, dann werde ich ungeduldig, was im schlimmsten Fall zum Abbruch eines Buches, im weniger schlimmeren Fall zu einer harschen Rezension führen kann.

  • woelfchen


    vielleicht warst Du einfach müde? :-)
    Wenn einer etwas zu schwer vorkommt, kann das ganz schlichte Gründe haben.


    Nun muß man sich natürlich mit der Frage beschäftigen, was für ein Buch Onkel Toms Hütte überhaupt ist.
    Was heißt in diesem Fall 'anspruchsvoll'?


    Wenn man unter 'anspruchsvoll' Literatur versteht, nämlich: eine Auseinandersetzung mit der Welt mit den Mitteln der Sprache mit dem Ziel, Neues zu schaffen, dann ist es keine Literatur.
    Tatsächlich käme niemand auf die Idee, Onkel Toms Hütte als 'Literatur' zu bezeichnen.


    Es gehört zur Weltliteratur? Ja, aber aus anderen Gründen.
    Sie liegen nur zum Teil im literarischen, nämlich nur insoweit, als hier mit Worten eine Geschichte erzählt wird.
    Das Ziel ist es, bestimmte Lebensbedingungen zu verändern und zwar so schnell wie möglich. Die Absicht ist eine mehr politische als künstlerische. Als Mittel wird alles gewählt, was nur die Gefühle der Leserinnen und Leser ansprechen kann.


    Tatsächlich ist das Buch in hohem Maße sentimental, hätte es nicht diese immense politische Bedeutung, würde man an nicht wenigen Stellen einfach laut: Kitsch! rufen.
    Aus Respekt vor dem Anliegen der Autorin sagt man es nur leise vor sich hin. :grin


    Stowe schafft Stereotypen und schleift sie dem Publikum auch gleich ein. Ihre Darstellung strotzt vor Klischees und eindeutiger religiöser Denkmuster. Es ist de facto ein typischer christlicher Tendenzroman des 19. Jahrhunderts.
    Die Sprache an sich ist einfach gehalten, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen.
    Zugleich ist das Buch 'altmodisch'. Es ist dick, es ist lang, so erzählt man heute nicht mehr. Die Sprache ist veraltet.
    Diese Probleme wurden übrigens damals schon erkannt, deswegen kursierten in kürzester Zeit Fassungen davon, die deutlich gestrafft waren. Es ist bis heute ein Problem, die eigentliche Ur-Fassung des Buchs zu identifizieren, eben weil es so viele Fassungen gibt.


    Zurück zur Ausgangsfrage:


    Teil 1:


    meine Antwort wäre, daß man heutzutage beider Lektüre einer Langfassung von 'Onkel Toms Hütte' rasch ermüdet, weil es zu lang, zu umständlich, zu altmodisch ist.


    Teil 2: macht anspruchslose Literatur unfähig/ungeduldig?


    Klar macht es das, auf Dauer.
    Literatur und Unterhaltungsliteratur sind zwei Paar Stiefel. Man geht auf ganz unterschiedliche Art damit um. Auf einer gewissen Ebene schließen sie sich dann auch gegenseitig aus.


    Es ist ein wenig wie beim Sport. Das eine ist ein bißchen Training, das andere ist viel Training. Muß man nicht machen, kann man machen. Die Intention ist eine völlig andere.
    Was man wählt, sagt nichts darüber aus, was für ein Mensch man ist.
    Aber ist eine Leistungssportlerin arrogant, wenn sie Samstagmorgen-Joggerinnen belächelt, die behaupten, sie seien im gleichen Maß Sportlerinnen wie sie?



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Ich denke, andersrum wird ein Schuh draus.
    Ich habe in meinem weiteren Bekanntenkreis Leute, die ausschließlich Julia-Heftchen und Bergromane lesen. Das mag arrogant klingen, aber die sind intellektuell nicht so unbedingt die Überflieger, allerdings nicht weil sie Heftchenromane lesen, sondern deshalb lesen sie sie.
    Das kann man auch aufs Individuum runterbrechen: Es gibt durchaus Phasen, in denen ich dumm im Kopf bin und eben nur entsprechendes Zeugs, meistens Krimis, lesen kann. Bin ich dann intellektuell wieder auf der Höhe, nerven mich solche Krimis, weil sie mich unterfordern.


    Das ist nicht falsch.
    Es wirft die Frage auf, ob man lernen kann, Literatur zu lesen.
    Es wirft vor allem die Frage auf - und diese ist entscheidend - was für eine Funktion das Lesen im Leben eines Menschen hat.
    Das muß jede für sich selbst entscheiden. Manche lesen, um unterhalten zu werden, sagt sich so schön.
    Die Frage, die hier gestellt werden muß, ist natürlich nicht; was ist Literatur, sondern was. bitte, ist eigentlich Unterhaltung?


    Zum Rest:


    ich finde es interessant, aber auch in wachsendem Maß ärgerlich, daß, wann immer der Begriff 'Literatur' fällt, umgehend zur Jagd auf alles geblasen wird, was es wagt, nicht ausschließlich 'unterhaltend' sein zu wollen.
    Auf die Literatur schlagen dabei am härtesten die ein, die keine lesen.
    Dabei ist es gar nicht die Literatur, die hierbei auf dem Prüfstand steht, sondern die Unterhaltung.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus