Linda Polman: Die Mitleidsindustrie - Hinter den Kulissen internationaler Hilfsorganisationen
Campus Verlag
€ 19,90 [D]
267 Seiten
Erscheinungsjahr: 2010
ISBN 13: 978-3-593-39233-2
Originlausgabe erschienen unter dem Titel "De Crisiskaravaan"
Englischer Titel: "War Games"
Über die Autorin :
"Linda Polman lebt in den Niederlanden als Journalistin und Autorin mehrerer international erfolgreicher Bücher. Ihr Spezialgebiet sind internationale Hilfseinsätze in humanitären und militärischen Krisenregionen. Sie war jahrelang Korrespondentin bei den Truppen der UN-Friedensmission in Somalia, Haiti, Ruanda und in Sierra Leone."
Klappentext:
"Humanitäre Krisen durch Bürgerkriege oder Naturkatastrophen wie zuletzt auf Haiti erschüttern die Menschen weltweit und lösen eine Welle von Spenden und Hilfsaktionen aus. Doch bewirken unsere Spendengelder vor Ort wirklich, was wir damit bezwecken?
Ganz gleich ob im Irak oder in Afghanistan, im Kongo, in Somalia, Sierra Leone, oder dem Sudan: Gewaltsame Konflikte fordern immer mehr zivile Opfer, heute sind neunzig von hundert Kriegstoten Zivilisten, und fast alle Kriege sind Bürgerkriege, die nicht von den Armeen verschiedener Länder, sondern von Rebellen aus dem eigenen Land geführt werden.
Müssen NGOs stur weiterhin helfen, wenn kämpfende Parteien die Hilfe missbrauchen und ihren Krieg damit verlängern? Oder müssen sie abziehen? Was ist auf die Dauer das Grausamere? Das Dilemma der Nothilfe ist aktueller den je."
Rezension:
Mit diesem Buch gelingt es Linda Polman dem Leser einen kritischen Einblick in die Arbeit internationaler Hilfsorganisationen zu geben. Denn anders als es von den jeweiligen Organisationen dargestellt wird, wirkt die angebliche Hilfe nicht immer so wie sie sollte, oder gar nicht. Schlimmstenfalls bewirk sie genau das Gegenteil. Polman zeigt anhand von bekannten Schauplätzen (unter anderem Ruanda, Sudan, Äthopien, Afghanistan), wie durch Hilfsgelder Bürgerkriege und Genozide in die Länge gezogen werden, anstatt beendet, wie Regime und Diktatoren in Hilfsgütern eine willkommene Kriegswaffe sehen und wie naiv die Hilfsorganisationen auf diese Tatsache reagieren, bzw. eben nicht reagieren. Hierbei beschäftigt sie sich keinesfalls, wie man dem Titel nach vermuten könnte, nur mit Hilfsorganisationen. Sie kritisiert ebenfalls Geberländer, Politiker, Journalisten und die Spender. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass oftmals die Hilfe keine Hilfe ist.
In ihrem Buch finden Naturkatastrophen, wie das Erdbeben in Haiti oder der Tsunami im Pazifik, nur nebenbei Erwähnung. Im Mittelpunkt stehen eindeutig (Bürger-)Kriegsregionen.
Mit 267 Seiten ist das Buch sehr schnell durchzulesen. Dies wird nochmals dadruch begünstigt, dass Polman komplett auf Tabellen, Statistiken und Abbildungen jeglicher Art verzichtet, welche der Leser erst analysieren und bewerten müsste. Der gesamte Inhalt ist Fließtext, aufgeteilt in elf Kapitel mit durchschnittlich etwa 10 bis 20 Seiten. Die Darstellungsform ähnelt dem eines Berichts. Jedoch bringt Polman oftmals Züge einer Reportage mit ein, indem sie "vor Ort Journalismus" betreibt. Durch letzteres Element, kann sich der Leser ein detailierteres Bild der Situation machen. In Textabschnitten, in dem die Form des Berichts vorherrscht, werden oftmals Zahlen, Daten und Fakten genannt (meist geht es bei zahlen um die Summe von Hilfsgeldern/Spenden). Polmans Schreibstil und Wortwahl ist sehr einfach gehalten: Es wird kaum Fachvokabular verwendet und die Sätze sind kurz und knapp gehalten, also keine langen "Komma-Sätze".
Bezüglich der Thematik wird vom Leser kein Vorwissen abverlangt. Der Leser muss theoretisch nicht einmal wissen, dass es einen Afghanistankonflikt, bzw. -krieg gibt. Auch von Ländern wie Sudan, Ruanda, Kongo muss er noch nie etwas gehört haben. Der Grund ist der, dass Polman kaum bis gar nicht auf komplexe politische und gesellschaftliche Sachverhalte eingeht oder Kenntnisse davon voraussetzt. So erklärt sie, dass zwischen Tutsi und Hutu ein Konflikt existiert, oder nennt die verschiedene Parteien in anderen Konfliktregionen beim Namen, erläutert aber selten weder die geschichtlichen, noch die politischen Hintergründe, weshalb es diese Parteien überhaupt gibt und weshalb sie sich gegenüberstehen.
Auch führt Polman den Leser überraschenderweise nicht wirklich tief in die innere Struktur von Hilfsorganisationen ein. Der Leser erhält zwar einen Eindruck davon, wie eine Hilfsorganisation agiert, wenn es darum geht mit Einheimischen über Verträge zu verhandeln. Vom inneren Aufbau und den eventuell internen politischen Verhältnissen erfährt man dagegen, wenn überhaupt, höchstens aus kleinen Nebensätzen.
Folglich beschränkt sich Polman fast ausschließlich damit, was die Hilfsgelder und- güter in den von ihr genannten Konfliktregionen bewirken, ob und wie sie missbraucht werden und wie die betroffenen Hilfsorganisationen reagieren.
Das Buch endet mit einem Nachwort. Anschließend steht dem Leser neben einer Danksagung ein Register und Abkürzungsverzeichnis, sowie Anmerkungen und Literaturangaben zur Verfügung.
Abschließendes Fazit:
Die Thematik ist äußerst interessant und Polman vermittelt diese leicht verständlich. Sie spart nicht mit Kritik an Hilfsorganisationen und anderen involvierten Personen/Institutionen, ohne dabei Kritik um des kritisieren Willens zu betreiben. Jedoch fällt auf, dass sie öfters komplexe Sachverhalte sehr vereinfacht darstellt.
Daher ist das Buch für jeden zu empfehlen, der einen ersten Einstieg in die Thematik sucht, oder nur mal einen Eindruck erhalten möchte.