Inhalt:
Henning liebt Martha. Wenn sie im Radio von Terroranschlägen und Bankenpleiten berichtet, hat ihn das noch immer beruhigt. Auch an ihre jährlichen Fluchten hat er sich gewöhnt. Aber plötzlich geht es um alles. Zeit, mal wieder mit Jon einen trinken zu gehen. Der fürchtet Betty. So brutal, wie sie schweigen kann, wird er sich niemals prügeln können.
Während Jon sich in der Rolle eines deutschen Dichters auf seinen Durchbruch vorbereitet, verliert das Scriptgirl Betty auf einem anderen Filmset die Beherrschung, ihren Job und ihren nicht mehr ganz so jungen Liebhaber.Keinesfalls absichtlich finden sich die vier im selben Fluchtauto wieder, und eine kurze Strecke wird zur großen Fahrt. Was tun, wenn’s nicht mehr brennt? Wenn Träume, Socken, Ziele und Liebhaber durcheinandergeraten, Erschöpfung die Wut ablöst und einem die Entschuldigungen langsam ausgehen? Lucy Fricke zelebriert das Scheitern als Ehrensache – in einem Roman, der weltklug ist und ungeheuer komisch.
Die Autorin:
Lucy Fricke, 1974 in Hamburg geboren, hat lange als Script/Continuity gearbeitet, bevor sie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studierte. 2005 gewann sie den Berliner «Open Mike», zwei Jahre später erschien ihr erster Roman «Durst ist schlimmer als Heimweh». 2010 veranstaltete sie die «HAM.LIT», das erste Hamburger Festival für junge Literatur und Musik. Lucy Fricke lebt in Berlin.
Meine Meinung:
Hui... das mal wieder ein Buch, daß einen erst befremdet, dann fesselt, dann anrührt, verstört und letztlich legt man es weg und denkt: Wahnsinnsbuch!
Mit der Leseprobe hatte ich mich noch nicht so recht anfreunden können, wußte oder ahnte man doch nicht, wo diese vier Menschen hintreiben, was sie verbindet und wo sie letztlich enden, welche kleinen Dramen ihr Leben ausmachen und was sie aus der Bahn wirft.
Nach dem Buch, weiß man auch das nicht alles, aber man weiß, daß in einer Krise nichts besser hilft, als Freunde, denen es noch dreckiger geht.
Daß man sich zwar eine Markierung auf dem Lautstärkeregler der Anlage machen kann, die anzeigt, bis wo man die Toleranz des Nachbarn nicht überstrapaziert, daß es aber Situationen im Leben gibt, die einen die Markierung überschreiten lassen und daß die langbeinige Freundin des Nachbarn auch keine Markierung eingebaut hat, die ihre Lautstärle regelt.
Man erfährt, daß auch andere Frauen sich mit ihren Geschlechtsgenossinnen eher unsolidarisch zeigen und weder Balkonpflanzen pflegen, noch gesund leben und außerdem wenn sie werdende Mütter sind, sowieso alle von den werdenden Vätern im besten Fall im Puff betrogen werden.
Dieses Buch kommt gar nicht locker leicht daher, das will es auch gar nicht. Es ist dramatisch, es ist böse und es birgt Wahrheiten, die niemand hören will. Dramen, die niemand erleben will und menschliches Elend in dem man sich herrlich vergraben kann.
Außerdem birgt es kleine Fundstücke. Formulierungswunderbarkeiten, die mich, die ich nie irgendwas an einem Buch verknicke zu heftigen Eselsohren und Merkknicken verleitet haben.
So auch dieser Satz:
"Nicht ihr gemeinsames Leben hatte sich abgenutzt, sondern die Zweifel daran."
der zwar nur im Zusammenhang Sinn ergibt, den ich aber unheimlich treffend finde, auch ohne Zusammenhang.
Fazit:
Literarisch wertvoll, vielleicht nicht grad in der tiefsten Depression lesen, obwohl, vielleicht gerade dann?