Kurzbeschreibung
1689. Im Streit um die englische Thronfolge ist das Hochland zutiefst gespalten. Die MacDonalds halten den Stuarts die Treue, die Campbells unterstützen den neuen König. Gegen den Willen ihrer Familien holt Sandy Og MacDonald die junge Sarah Campbell als seine Braut nach Glencoe. Zwischen ihnen ist es Liebe auf den ersten Blick. Als Sarah nach mehreren Totgeburten einen verkrüppelten Sohn zur Welt bringt, wird sie von den Frauen des Clans noch mehr verachtet. Sandy Og erntet ob seiner Sanftheit nichts als Hohn und Spott. Gleichzeitig spitzt sich der Zwist zwischen den MacDonalds und den Campbells zu. In einer eiskalten Winternacht kommt zu einem Blutbad, wie es das Hochland noch nicht gesehen hat. Können ausgerechnet Sarah und Sandy Og, die Außenseiter, ihren Clan vor dem Untergang retten?
Über die Autorin
Charlotte Lyne, geboren 1965 in Berlin, studierte Germanistik, Latein, Anglistik und Italienische Literatur in Berlin, Neapel und London. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in London, und wenn sie nicht gerade schreibt, ist sie Übersetzerin und Lektorin.
Meine Meinung
Glencoe in Schottland 1689. Auch nach 12 Jahren Ehe mit Sandy Og fühlt sich Sarah, eine geborene Campbell, nicht wirklich heimisch im Clan der MacDonalds, denn beide Clans stehen sich von je her nicht wohlgesonnen gegenüber. Sarahs verschlossene Art und ihre Unsicherheit macht sie zu einer Außenseiterin und der Umstand, dass ihr Sohn Duncan mit einem verkrüppelten Fuß auf die Welt gekommen ist, trägt ihr in ihrem Umfeld eher Mitleid ein. Ihr Mann Sandy Og hingegen kämpft seit Jahren gegen den übermächtigen Schatten seines Bruders, des künftigen Clanführers und ganzen Stolz seines Vaters. Beide Eheleute glauben, einander nicht gut genug zu sein und belasten ihre Beziehung durch gegenseitiges Schweigen und Missverständnisse. Während die kleine Welt in Glencoe immer mehr ins Schwanken gerät, bahnen sich auf der weltpolitischen Bühne große Ereignisse an. König James flieht nach Frankreich und wird abgesetzt, seine Tochter Mary und ihr Gemahl Wilhelm von Oranien drängen an die Macht. Die Clans müssen sich entscheiden, ob sie ihrem abgesetzten König die Treue halten oder sich auf die Seite der neuen Herrscher schlagen. Die Zeit für eine Entscheidung wird knapp und die Schlinge zieht sich immer enger um die stolzen Hochländer.
Charlotte Lyne erzählt über einen Zeitraum von drei Jahren die historischen Ereignisse, die zu jener furchtbaren Nacht im Februar des Jahres 1692 geführt haben und deren Schrecken bis heute nicht vergessen sind. Dank verschiedener Perspektiven ist der Leser hautnah dabei wenn politische Ränkespiele gemacht und Fäden gezogen werden, erhält einen Einblick in die Ereignisse aus der Sicht der Königin Mary und kommt am Ende doch immer wieder zurück heim ins Tal Glencoe, in dem die Menschen im Gegensatz zum Leser die Katastrophe nicht kommen sehen. Der Wunsch nach Erneuerung, nach Fortschritt und einem Machtwechsel der einen Seite trifft auf den Wunsch der anderen Seite, alte Traditionen zu bewahren, nach überlieferten Gesetzen zu leben, so zu leben, wie man es von jeher getan hat. Und der Leser weiß, wer bei diesem Aufeinandertreffen den Kürzeren ziehen, wessen Welt untergehen wird. Man kann es nicht aufhalten, muss es geschehen lassen und das trifft einem beim Lesen ins Herz. Aber es ist auch eine Geschichte voller Hoffnung, weil man weiß, dass die Protagonisten stark genug sind, auch nach so einer Katastrophe wieder neu anzufangen. Sie sind gewachsen im Lauf der Geschichte, gereift und geheilt, denn das sind die zentralen Punkte in Charlotte Lynes Geschichte. Es ist eine Geschichte über das Wachsen, Heilen und Verstehen: Die Heilung von körperlichen und seelischen Wunden, kleine Narben bleiben zurück aber am Ende stehen Menschen mit gereifter Persönlichkeit und mit Selbstvertrauen, die wissen und verstanden haben, dass sie nichts besseres brauchen, weil sie das Beste schon haben: einander. Sie stehen bedingungslos für einander ein, weil die Liebe immer mächtiger sein wird als das Leid, das Unverständnis und der Hass. Sie kämpfen für und um das, an was sie glauben, dafür gäbe es sogar ihr Leben, dieses unbändige, wilde, liebevolle und stolze Volk, das das Leben liebt und feiert, die Traditionen aufrecht erhält und so den Zusammenhalt der Gemeinschaft sichert. Irgendwann merkt man beim Lesen, dass man gerne selber Teil dieses Volkes wäre. Man liebt und leidet mit, nicht nur mit Sandy Og und Sarah, sondern auch mit Gormal, John, Alasdair, Morag und mit Ceana, die teilweise historisch verbürgt sind und denen Charlotte Lyne mit großem Einfühlungsvermögen eine Stimme und eine Persönlichkeit gegeben hat. Man möchte sie ein ums andere mal schütteln, diese Protagonisten, die allesamt keine Freunde der Worte sind und die lieber schweigen und dadurch oft Unglück heraufbeschwören. Es sind die unterschiedlichsten Gefühle, die sich beim Lesen einstellen: Verzweiflung ob der ständigen Missverständnisse zu Beginn, unbändige Freude, wenn diese endlich beiseite geräumt werden, Wehmut, weil die Protagonisten für so viel stehen, was wir heute längst vergessen haben, Sehnsucht nach dieser Zeit, in der jeder Einzelne für das Wohlergehen der Gemeinschaft wichtig war, Glück, weil man für eine kurze Zeit Teil dieser Gemeinschaft sein durfte, Trauer über jegliche Form des Schmerzes, den die Protagonisten erleiden müssen, Wut, weil sich der Lauf der Geschichte nicht ändern lässt.
Charlotte Lyne hat ein Buch geschrieben über den Krieg, über das Sterben und den Tod; vor allem aber ein Buch über das Leben, die Liebe, die Lebenslust, das Feiern und das Zusammenhalten, das Stürzen und wieder Aufstehen. Ein Buch, das eine ganz andere Klangfarbe hat als die bisherigen Romane, sprachlich fast schon zurückhaltend, aber nicht minder poetisch und fesselnd. Ein Buch, das eine Liebeserklärung an die Menschen von Glencoe ist, und ihnen die Würde und Gerechtigkeit zurückgibt, die ihnen im Februar des Jahres 1692 genommen wurde.
Wenn auch die Menschen im Laufe der Zeit aus dem Tal verschwunden sind, so lebt doch die tiefe Verbundenheit bis heute in ihren Liedern weiter
For these are my mountains, And this is my glen
The braes of my childhood, Will know me again
No land's ever claimed me, Tho'far I did roam
For these are my mountains, And I'm going home