Tiere essen - Jonathan Safran Foer

  • Mir hat das Buch auch gut gefallen, es ist umfassend recherchiert und öffnet einem die Augen, auch wenn es stellenweise hart zu ertragen ist. Traurige Realität eben.
    Empfehlung von mir.


    Hab auch gerade überlegt, "Tiere essen" vielleicht als Wanderbuch zur Verfügung zu stellen. Hat da jemand Interesse? :-)

  • Dieses Buch hat Debatten ausgelöst, wurde allerorten beworben, viel zitiert, löblicherweise auch viel gekauft, und - es wurde von allen möglichen Fraktionen für ihre jeweilige Position ins Feld geführt. Gut, das alles kann, soll und darf man zweifellos tun. Ein Buch ist zum Lesen und Diskutieren schließlich da. Doch nun, da ich es selber gelesen habe, stellen sich mir einige Fragen. Wer, der sich so lautstark zu diesem Thema äußert, hat das Buch denn wirklich gelesen? Und wer hat einmal genau hingeschaut, was der Autor eigentlich damit über sich selbst und andere ausgesagt hat? Wer hat das Buch als Buch unter die Lupe genommen? Wenige, dürfte ich meinen.


    Das Buch "als Buch"


    Nicht nur im Vergleich zu anderen aktuellen Büchern zum Thema (siehe beispielsweise Karen Duves "Anständig essen") fällt auf, dass dieses Buch entschieden "literarischer" gemacht, erdacht und aufgebaut ist. Man merkt dem Geschriebenen zu jeder Zeit an, dass sich der Autor dem Thema viel eher "vom Kopf her" genähert hat, und dass er seine Fähigkeiten als literarischer Schreiberling hat einfließen lassen. Das Buch beginnt und endet mit einem Kapitel, das "Geschichten erzählen" betitelt ist. Hier reflektiert Foer über Essgewohnheiten im Allgemeinen, wie sie Menschen verbinden, und seine Kindheitserinnerungen. Diese "Klammer" enthält dann diverse ausführliche Kapitel, die sich hauptsächlich mit einem Thema befassen. Da geht es z.B. um ökologische Auswirkungen der Massentierhaltung; um tierquälerische Aspekte; um die Folgen für die öffentliche Gesundheit (Stichwort: Antibiotika und Geflügelpest!); und die Infrastruktur der Tierhaltung in den USA. Hin und wieder wiederholt sich eine Information - z.B. die Tatsache, dass Mitarbeiter in Schlachthöfen bisweilen zu Sadismus neigen, oder wie wenig Bewegungsfreiheit Schweine haben.


    Doch trotz einer recht hohen Informationsdichte bekommt man keine einzige Statistik, keine Tabelle, keinen trockenen Sachtext zu sehen. Alles wird in fortlaufende, elegante Prosa gegossen, die immer wieder durchsetzt ist von rhetorischen Fragen, von weiterführenden Gedanken, oder auch (hoffentlich) utopischen Szenarien. Genial gemacht ist auch die Tatsache, dass immer wieder Standpunkte verschiedener Aktivisten oder Farmer in Form von fiktiven "Briefen" eingearbeitet werden. Im Anhang steht dann zu lesen, dass jeweils ein solcher "Brief" durchaus auf mehrere reale Personen Bezug nehmen kann. Und gerade darin ist das Buch eben viel "literarischer" als so manches Sachbuch, das auf der aktuellen Welle mitreiten möchte. Vor allem den Anfang des Buches habe ich als geniale, wenngleich auch drastische, Satire empfunden - als Foer nämlich allen Ernstes überlegt, warum wir eigentlich keine Hunde verzehren, da die Haltung und Aufzucht doch viel unkomplizierter sei als bei handelsüblichen Zuchttieren. Ja, man merkt als aufmerksamer Leser auf jeden Fall, dass Foer drei Jahre an Recherche in dieses Buch gesteckt hat.


    Foers Absicht und Intention


    Schon öfters habe ich gelesen, dieses Buch sei "ein Plädoyer für den Vegetarismus". Dem möchte ich doch widersprechen! Sicher, es mag auf manchen Leser naiv und von daher auch gestellt wirken, dass Foer zu Anfang den Unwissenden mimt und sich auf eine Suche begibt, ja, begeben muss. Doch deswegen hat Foer noch lange nicht die Absicht gehabt, uns alle zu Vegetariern zu machen. Er betont immer wieder im Text (so man denn genau liest), dass sich einfache und globale Lösungen fast von selber verbieten. Es kann nur schrittweise gehen, und nur über eine gründliche Umwälzung vor allem unserer DENK-Gewohnheiten. Denn die sind noch viel wichtiger als das, was wir täglich TUN!
    Die einzige definitive Aussage bezüglich des Vegetarismus, die er in diesem Buch trifft, ist die, dass er sich für diese Alternative entschieden hat, um nicht mehr jeden einzelnen Fall durchdiskutieren zu müssen, um Fehler zu vermeiden. Er ist im Grunde seines Herzens weder "für" noch "gegen" eine bestimmte Position - dafür spricht auch, dass er diverse Farmer besucht und sogar mit ihnen Freundschaft geschlossen hat. Mir scheint er nicht generell gegen das Essen von Tieren zu sein. Er hat nur die Folgen beleuchtet, die der massenhafte Konsum und seine Produktionsbedingungen haben.


    Bedeutung und Stellenwert des Buches für mich


    Dies ist für mich nicht einfach ein weiteres Sachbuch gewesen. Und es hat für mich auch keine entscheidenden weiteren Argumente für oder gegen meine eigenen Essgewohnheiten geliefert - zumal ich sowieso schon Vegetarier bin, und mit dieser Entscheidung seit bald drei Jahren gut lebe. Nein, ich habe dieses Buch als einen Spiegel einer Geisteshaltung empfunden, die viel tiefer geht, als einzelne Entscheidungen für und wider gewisse Produkte. Ein klein wenig kenne ich mich mit Amerikanern aus, und muss leider sagen, doch, eine gewisse Naivität herrscht da durchaus vor. Das habe ich dem Autor "abgenommen". Und in weiten Teilen ist diese Geisteshaltung leider allgemeingültig. Die grundsätzliche Frage ist die unseres Selbstbildes, unseres Platzes auf diesem Planeten. Und unsere Einstellung zu unserer eigenen Zukunft. Und genau diese Punkte hat Foer für mich exzellent herausgearbeitet, und auch noch in eine höchst lesbare Form gegossen. Es geht viel weniger um ihn selbst - obwohl der Auslöser für die Recherchen zu diesem Buch die Geburt seines Sohnes war. Es geht darum, seine Fähigkeiten für eine Sache einzusetzen, die einen über Jahre beschäftigt hat, unabhängig davon, was nun "richtig" sein mag. Für genau diesen Einsatz erhält Foer von mir die wohlverdient volle Punktzahl.

    Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. (Karl Valentin)

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  • Was soll man zum Inhalt eines Buches schreiben, das „Tiere essen“ heißt? Denn besser als mit diesen beiden Worten kann man ihn gar nicht beschreiben. Doch was eigentlich ziemlich harmlos klingt, hat es in sich. Dass das Buch ein Bekenntnis zum Vegetarismus ist, kann man sich denken. Aber die Art und Weise wie der gemeine Fleischesser „konvertiert“ wird, ist absolut nichts für schwache Nerven bzw. Mägen.


    Für die meisten von uns gehört Fleisch zum Leben und wir essen es oft mindestens einmal die Woche. Doch kaum jemand macht sich über die Herkunft unseres liebsten Nahrungsmittels Gedanken oder warum wir bei der Zubereitung bestimmte Dinge beachten müssen. Manches nehmen wir als gegeben hin, z.B. dass man Geflügelfleisch besonders gut durchbraten muss, damit alle schädlichen Keime beseitigt werden. Aber wer hat sich schon mal gefragt, warum dies der Fall ist? Ist diese Fleischsorte wirklich so empfindlich? Die Wahrheit ist erschreckend und wird fast jeden Liebhaber von Geflügelfleisch zum Umdenken bewegen ...


    Wie bereits erwähnt ist das Buch nichts für schwache Nerven oder Mägen. Denn die Zustände auf den Schlachthöfen und Tierfarmen sind einfach nur krass und haben mit artgerechter Haltung absolut nichts mehr zu tun. Viele Fakten, die Jonathan Safran Foer beschreibt, will man eigentlich gar nicht wissen. Aber auf der anderen Seite ist für den aufgeklärten Bürger notwendig sie zu erfahren. Natürlich behandelt das Buch die Zustände in den USA. Doch irgendwann fragt man sich notwendigerweise, wie die Situation in Deutschland aussieht. Bestimmt besser oder ist dies nur Wunschdenken?


    Das Buch ist gut geschrieben und Jonathan Safran Foer hat sich bei seiner Recherche sehr viel Mühe gegeben – keine Frage. Das Buch ist sicherlich kein reines Plädoyer für den Vegetarismus. Denn der Autor gibt sich Mühe alle Seiten zu beleuchten, so kommen neben der Industrie sowohl die Bauern als auch die Gegner der Massentierhaltung zu Wort. Es gibt also kein reines Schwarz oder Weiß. Doch was bleibt am Ende? Eines kann ich auf jeden Fall sagen: wer plant weiterhin unbesorgt und mit Genuss Fleisch zu essen, sollte dieses Buch nicht lesen. Denn nach der Lektüre dieses Buches geht man nicht mehr so einfach zur Fleischtheke und man fragt sich zwangsläufig: war die Unwissenheit nicht besser?