Wie zerstört man eine Demokratie - Naomi Wolf

  • Ich las


    Das Buch: Naomi Wolf, Wie zerstört man eine Demokratie – Das 10-Punkte-Programm


    Die Autorin ortet darin...


    Uuups, also, wenn man so anfängt, kommt logischerweise zuerst einmal die Autorin:


    Die Autorin, Naomi Wolf, ist Tochter jüdischer Holocaust-Überlebender und deshalb beständige Mahnerin gegen Ungerechtigkeit und Vorkämpferin der Demokratie; sie tut dies als Journalistin und schreibt bei The New Republic, The Wall Street Journal, Glamour und The New York Times; sie gilt auch als ‚neue‘ Feministin, die in ihrem ersten Bestseller ‚Mythos Schönheit‘ unrealistische Schönheitsideale und die Kosmetikindustrie kritisierte, und des weiteren ‚Die Stärke der Frauen - Gegen den falsch verstandenen Feminismus‘ sowie ‚Vom Ende der Unschuld - Das sexuelle Drama, eine Frau zu werden‘ schrieb; in logischer Konsequenz ist sie auch Mitbegründerin des Woodhull Institute for Ethical Leadership, das Frauen für die Übernahme von Führungspositionen vorbereitet. Des Weiteren war sie Beraterin der Demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton 1996 und Al Gore 2000, derzeit Mitarbeiterin der Soros Foundation für Friedensforschung, und eine scharfäugige politische Beobachterin und Aktivistin der American Freedom Campaign.


    Das Buch (Fortsetzung)


    Und weil das obige so ist, und die Autorin sich im Gegensatz zu den meissten Mitbürgern unserer Demokratien die Mühe macht, in Zeitungen und Gesetzestexten und Erlässen auch das unbeliebte, nebenbei unter ‚ferner liefen‘ erwähnte Kleingedruckte zu lesen und genauer nachzufragen, können wir ihr also glauben, wenn sie ortet, - und hiermit geht der oben fragmentiert stehengelassene Satz weiter:
    ...dass unter den republikanischen Präsidenten der Busch-Dynastie in Amerika eine ‚Faschistische Verschiebung‘ passiert ist, die den Rechtsstaat und die Demokratie aushöhlte und dem Präsidenten Diktatorische Gewalten erteilte.


    Sie zeichnet minutiös nach, wie die amerikanischen Gesetzesänderungen, Erlässe, und Notverordnungen der amerikanischen – hauptsächlich republikanischen – Präsidenten unter dem Eindruck des ‚Global War On Terror‘ der Jahre vor 2007, in denen sie das Buch schrieb, teilweise bis aufs Wort Gesetzesänderungen, Erlässen und Notverordnungen gleichen, welche andere Demokratien erliessen, ehe sie ihre Macht einer Diktatur unter einem Führer abgaben (Mussolini, Hitler, Pinochet). Sie ist der Meinung, die amerikanische Demokratie wie auch der amerikanische Rechtsstaat stehen in großer Gefahr ausgehölt und mit Präsidialerlässen und Notverordnungen ersetzt zu werden.


    Nun, das Buch stammt aus dem Jahr 2007 und ist darob nicht mehr brandaktuell. Interessant zu wissen wäre jetzt, ob Präsident Obama die den Präsidenten stärkenden Gesetzesänderungen zurückgenommen hat, oder sich das Recht, über die Köpfe von Kongress und Repräsentanten hinweg Notverordnungen zu erlassen, beibehalten hat, denn - so ihr Schlussfacit: Macht korrumpiert, und niemand – gleich von welcher politischen Richtung – gibt Macht, die er schon einmal hat, gern wieder aus der Hand.


    Im Nachwort sagt sie, es ist ein Buch von einer Amerikanerin für Amerikaner, und eine Mahnung nicht nur wachsam zu sein, sondern sich auch für Bürgerrechte zu engagieren, allerdings betrifft das ebenfalls den unter der Pax Americana stehenden Rest der Welt, der in Amerika, dem gelobten Land der Freiheit, eine Vorbildfunktion sieht, und ebenfalls unter Eindruck und Auswirkung der Nebeneffekte des Global War On Terror und seiner Gesetzgebung steht.



    Eigene Meinung:

    Mich hat der Titel erheitert, und da ich gern über politische Winkelzüge lese, konnte ich nicht daran vorbei gehen. Nun, mich als diesweltlichen Realisten amüsieren die darin beschriebenen Vorgänge mehr als sie mich entrüsten.
    Amerika befindet sich, so wie es die Autorin beschreibt, offenbar historisch gesehen in einer ‚Spätphase‘ der demokratischen Republik: Heisst: Demokratie findet aus Mangel an Interesse und einem sich immer weiter verbreitenden Machtlosigkeits-Gefühl nicht mehr statt: man überlässt sie Lobbies und Parteioligarchen, die man gar nicht selbst gewählt hat, ist auch weniger anstrengend: redets für mich, mir ist’s längst zu blöd, mich damit zu befassen. Man darf sich in Folge nicht wundern, wenn einzelne Personen und Gruppierungen die allgemeine Lethargie zum Machtgewinn nutzen.
    :gruebelNaomi Wolf hat allerdings für gelassene Zuseher wie mich einen Stammbuchspruch: Man hört erst auf, darüber amüsiert zu sein, wenn es zu spät ist, und bereits überall die Angst regiert, und man vor lauter Selbstzensur sich gar nichts mehr sagen traut, und erinnert uns:
    :gruebelWenn (wie 2006 anlässlich der SWIFT-Reportage) Herausgeber und Mitglieder von Redaktionssitzungen von eigentlich gar nicht so revolutionär klingenden Zeitungen wie der New York Times wegen der in ihren Blättern erfolgten Erörterungen von Regierungsaktionen im GWOT darauf hingewiesen werden, dass sie eigentlich ob einer Art ‚Wehrkraftzersetzung‘ und Verrat von Staatsgeheimnissen jederzeit des Hochverrats angeklagt und mit Todesstrafe belegt werden könnten, ist nicht grad wurscht: denn das Facit jeder intelligenten Redaktion ist, in Zukunft auf der ersten Seite lieber die mangelnde Qualität von Flugzeugverpflegung zu besprechen, und - wenn überhaupt - den eigentlichen Skandal weiter hinten in zwei Sätzen abzuhandeln, und die Leser von tatsächlichen Problemen des Landes abzulenken.
    Naomi Wolf meint, das Facit eines mündigen Bürgers in so einem Klima ist es, Abstand von offiziellen Medien zu nehmen und in die Welt der Blogs zu flüchten, die jedoch gut recherchiert sein und Hand und Fuß haben sollten, weil sonst die Desinformation überhand nimmt, die noch gefährlicher wäre und Verschwörungstheorien und Verunsicherung fördere, was ein Land weiter destabilisiere und noch mehr Gründe für Notverordnungen gäbe...
    Hm, das erinnert mich an den jüngst in Griechenland auf offener Strasse erschossenen Blogger, ich hab den Namen inzwischen vergessen, und kann ihn nichtmal googleplexen... - wie hiess es noch aus ‚seriösen‘ Kreisen: ‚Verschwörungstheoretiker‘ und ‚90% paranoider Unsinn‘– aber jemand scheint sich trotzdem darüber so aufgeregt zu haben, dass er ihn weg haben wollte... - rinks beschuldigt lechts und lechts rinks - und irgendwie liess sich nichtmal finden, was er zuletzt so geschrieben hat, und das sogar, als die Nachricht von seinem Ableben noch frisch war... - also schliesst man als vernünftiger, um seine Gesundheit besorgter Mensch doch daraus gleich, dass man a) nicht politisch bloggen und b) auch keine solchen Blogs abonnieren soll...


    Also: Lean back, bestell dir eine Pizza und ein Bier, nimm, falls du’s brauchst, noch ein Paar Pillen zur Förderung der Gelassenheit und Erheiterung, and watch the show...


    Ich finde, jeder sollte das Buch selber lesen, und sehen, ob er etwas findet, das ihm bekannt vorkommt.


    Mir bleibt die Randbemerkung hängen, dass die europäischen Staaten samt ihrer Union keine Demokratie sondern eine Bürokratie sind...
    :chen Wie treffend: wenn wir hierzuland denken, ein Problem gefunden zu haben, das jeden aufregt, gründen wir mal einen überparteilichen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich mit dem Problem befasst... der kommt dann, sobald sich keiner mehr für das Problem interessiert, zum Schluss, dass es zwar tatsächlich grobe Unschärfen gegeben hätte, aber man jetzt eh nix mehr dagegen machen kann, weil die Fristen inzwischen abgelaufen sind, und sofern‘s überhaupt ein anzeigbares Delikt war, was erst einmal von einem anderen Ausschuss abgeklärt werden müsse, es sowieso verjährt ist...
    :unverstanden

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Die marxistisch orientierten Elitentheoretiker (Mills, Epigonen) haben schon in den 50er Jahren den "militärisch-industriellen Komplex" in den USA "endeckt": Die politischen und industriellen Eliten wechseln zwischen den Vorstands- und Ministerposten hin und her, werden immer reicher und korrupter, und die Demokratie geht dabei vor die Hunde, gekillt vom Lobbiismus.


    Naja. Alles nicht so ganz neu.


    Interessant allerdings, dass man diesseits des Atlantiks die nordamerikanische Empfinkdlichkeit bei Freiheitsbegrenzungen nachempfinden kann.


    Ich habe immer den Eindruck: Die Deutschen (insbesondere) fressen alles. Dosenpfand, Rentenkürzungen, Rentengarantie-Rücknahme (jetzt ist nicht mal sicher, ob der Staat überhaupt zu was verpflichtet ist!), atomare Zwischenlager aller hochradioaktiven Stoffe in den AKWs selber, Fingerabdruck im Pass, offene Konten .... Alles wird geschluckt, ohne Mucken. Und ich will nicht mal sortieren müssen, welche Partei/Ecke welche Beglückung zu verantworten hat.

  • Das besondere an ihr, was sich so nch ie gelesen habe, ist die ehrliche erkenntnis, dass 'etablierte' Demokraten, wenn sie können, genauso sind wie 'etablierte' Republikaner, und das ist für 'linke' autoren eher überraschend. - Die meissten von ihnen sind irgendwie so... - so träumend idealistisch unterwegs.


    Und sie beschreibt, dass der global war on terror auf uns alle angewendet wird, wer sich mehrmals amerika-kritisch äussert, darf sich nicht wundern, wenn er bei einer einfachen touristenreise unter terrorismusverdacht zuerst bei der einreise schikaniert oder gleich auf unbestimmte zeit inhaftiert wird...
    auch die autorin selbst steht auf der liste von 'potentiellen staatsfeinden', und wird jedes mal bei inlandsflügen bis zu einer stunde lang durchsucht, herren in ihrer begleitung und politische freude mussten sich auch schon mal nackt ausziehen...


    und das mit den politischen und industriellen Eliten und ihren Vorstands und Minister/Kanzlerposten, ist auch hierzuland nicht gerade neu, ich bin sogar versucht zu sagen, es gibt längst schon keine demokratie mehr: die ist irgendwann kurz nach kriegsende unmittelbar nach ihrer einführung auch unbemerkt wieder abgeschaffen worden: wir wählen parteien, wer in der partei an die aussichtsreichen ersten plätze kommt, entscheiden schon seit ewigkeiten irgendwelche finanziell gut dastehenden klüngel...
    Wir leben in einer Plutokratie, die jedoch nicht zugibt, dass sie eine ist.


    :gruebel Wenn ich mir allerdings manchmal so gespräche meiner mitmenschen anhöre, komme ich zum schluss, dass es nicht soo schlecht ist, wenn menschen regiert werden... von leuten solchartiger caputaler hohlheit kann man nix vernünftiges erwarten, wenn die durch ihre demokratische mehrheit regierungen zustammen stellen müssten, die für sie repräsentabel sind, - hilfe! - Andere wiederum traumtänzeln in ihren idealen so dahin, ohne jemals einen realen boden unter den füssen zu bekommen, und einen gedanken an umsetzbarkeit zu verschwenden...


    Ne, da bleibt man besser bei dem geringeren übel, das man schon kennt und hat...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Zitat

    Original von MagnaMater
    ... 'etablierte' Demokraten, wenn sie können, genauso sind wie 'etablierte' Republikaner, und das ist für 'linke' autoren eher überraschend. - Die meissten von ihnen sind irgendwie so... - so träumend idealistisch unterwegs....


    Naja, das ist eigentlich die logische Konsequenz aus der Prämisse und der materiellen Grundthese. Allerdings kein Beweis für irgendwas.


    Ich staune immer wieder über die deutsche demokratische Linke (SPD und Grüne), die nichtmal ansatzweise bereit ist, zur Kenntnis zu nehmen, was z.B. Clinton (oder auch jetzt Obama) sagen, schreiben, beschließen: Die Demokraten gelten hierzulande als linksliberale, soziale, ökologische Weltfriedenspartei - eine Einschätzung, die nicht den allergeringsten Bezug zur Wirklichkeit hat. Insbesonder Clinton (ausgerechnet, unfassbar) kann sagen und schreiben was er will, er wird von der SPD zum Kronzeugen gegen die Absetzung Saddams rangezerrt: Das ist ungefähr, als würde man Eichmann als Kronzeuge für die Gründung Israels auffahren.

  • Witzich, hatte gerade -mit schlechtem Gewissen- youtube offen
    Jesus he knows me Genesis/Collins


    Die SPD wäre an sich schon in Ordnung, würde man mal an die Basis gehen, sagen wir mal in Coesfeld/Westfalen an den Stammtisch, mal normale Leute anhören.
    Mittlerweile braucht die SPD ja keine Wahlen und keine Mehrheiten mehr, nur noch Koalitionen.
    Ein Zweiparteiensystem hat auch Vorteile, oder Mehrheitswahlen.