Das Mitternachtskleid - Terry Pratchett (I shall wear midnight)

  • Inhalt:
    Die beinahe sechzehnjährige Hexe Tiffany Weh ist in ihre Heimat, die Kreide, zurückgekehrt und schlägt sich dort mit den alltäglichen, oft nicht sonderlich angenehmen Hexenpflichten herum. Doch schon bald droht wieder einmal Ärger: Nicht nur, dass der junge zukünftige Baron Roland, auf den Tiffany schon länger ein Auge geworfen hatte, sich anschickt, eine blasse, langweilige, goldgelockte Herzogentochter zu heiraten, auch der Geist eines fanatischen Hexenjägers macht ihr schwer zu schaffen. Und dann sind da ja auch noch die furchtlosen Nac Mac Feegle, die sich wie immer in alles einmischen, was sie nichts angeht, und dabei keine Gelegenheit auslassen, zu trinken, zu kämpfen und alles mitzunehmen, was nicht niet- und nagelfest ist (Nun ja, manchmal nehmen sie die Nieten und die Nägel auch noch mit).


    Über den Autor:
    Sir Terence David John Pratchett, OBE, alias Terry Pratchett (* 28. April 1948 in Beaconsfield, Buckinghamshire, England) ist ein englischer Fantasy-Schriftsteller. Seine bekanntesten Werke sind seine Scheibenwelt-Romane, die in 37 Sprachen übersetzt wurden. Weltweit wurden rund 60 Millionen seiner Bücher verkauft. Pratchett lebt mit seiner Frau Lyn in der englischen Grafschaft Wiltshire.
    (Quelle: Wikipedia)



    Meine Meinung:
    Nach drei Jahren Wartezeit ist Terry Pratchett zu den Geschichten um die Junghexe Tiffany Weh zurückgekehrt und hat seine Sache meiner Meinung nach sehr gut gemacht. Die Geschichte schlägt für ein Jugendbuch sehr düstere Töne an (unter anderem ein Vater, der seine Tochter so fest verprügelt, dass diese ihr ungeborenes Kind verliert), spart aber auch nicht am typischen Scheibenwelt-Humor – dafür sorgen allein schon die Nag Mac Feegle. Besonders gut hat mir Tiffanys Abstecher nach Ankh-Morpork gefallen, wo sie dank ihrer kleinen rüpelhaften Begleiter recht schnell in einer Zelle der Stadtwache landet, und alle Leser der frühen Scheibenweltromane können sich auf ein Wiedersehen mit einem Charakter aus 'Das Erbe des Zauberers' freuen.
    Fazit: Nach dem ziemlich chaotischen 'Unseen Academicals' hat Terry Pratchett eine stringente Geschichte der leiseren Töne vorgelegt, die zumindest mir beim Lesen sehr viel Freude bereitet hat. Crivens!


    Und eine kleine Anmerkung: Wieder mal finde ich das britische, von Paul Kidby gemalte Titelbild viel schöner als das der amerikanischen Ausgabe. Es bleibt nur zu hoffen, dass es dieses Mal auch die deutsche Ausgabe zieren darf.


    Edit: Ich habe den deutschen Titel und die deutsche ISBN eingetragen, damit das Buch im Rezensionsindex gefunden wird. LG Wolke :wave

  • Zitat

    Original von Eskalina
    ...und Pratchett arbeitet schon fleißig an dem nächsten Band, bevor seine Erkrankung ihn endgültig stoppt...


    Laut einem Freund, der die englische Discworld Convention vor ein paar Wochen besucht hat, schreibt Pratschett schon fleißig an seinem nächsten Buch. Es wird wohl von Mumm und seinem Urlaub auf dem Landsitz der Käsedicks handeln.

  • Titel im Original: I shall wear Midnight


    Kurzbeschreibung:


    Tiffany Weh, vielversprechende Junghexe im Teenageralter, hat es nicht leicht. Denn die alltägliche Hexerei erweist sich als ziemlich anstrengend, und ganz bestimmt ist es nicht damit getan, den lieben langen Tag fröhlich auf einem Besen herumzusausen. Dennoch gibt Tiffany ihr Bestes – bis etwas uraltes Böses aus einem tiefen Schlaf erwacht und mit ihm allerlei alte Schauergeschichten über böse Hexen. Bald kann man sich kaum noch mit einem spitzen Hut auf die Straße wagen. Und als wäre das nicht schon genug Ärger, fängt dieses uralte böse Wesen bald an, gezielt Jagd auf eine ganz spezielle vielversprechende Junghexe zu machen …


    Meine Meinung:


    Nach dem sehr enttäuschenden “Der Club der unsichtbaren Gelehrten” war mir ein wenig bang vor der Lektüre des neuen Scheibenwelt-Romans, der die Geschichte der Junghexe Tiffany Weh weitererzählt (und die könnte man eigentlich auch unter Jugendbücher einstellen, aber ich belasse es bei Fantasy). Eines vorweg: besser als der zuletzt erschienene Roman ist der vorliegende allemal, aber der ganz große Wurf leider auch nicht – dieser wird, gedenk der Erkankung Pratchetts, wohl auch nicht mehr folgen.


    „Das Mitternachtskleid“ ist solide geschrieben, mit einer überdeutlichen Botschaft für Toleranz und Mitmenschlichkeit und für selbständiges, eigenverantwortliches Denken sowie gegen jede Form von Hetze und der Sündenbockmentalität, die die Menschheit schon so oft in Katastrophen geführt hat. In dieser Hinsicht gibt es nichts zu bemängeln und auch das Auftreten vieler bekannter Figuren gefiel mir außerordentlich gut: von den Wir-sind-die-Größten über die wunderbare Nanny Ogg und Oma Wetterwachs bis hin zu einigen Mitgliedern der Stadtwache und natürlich auch – eigentlich unvermeidlich – TOD, sie alle nehmen größere oder kleinere Rollen ein und erinnern den geneigten Leser an viele schöne Scheibenwelt-Lesestunden in der Vergangenheit.


    Dennoch ist „Das Mitternachtskleid“ keiner der besten SW-Romane, weil ganz einfach der bissige und doch liebenswerte Humor fehlt; es gibt einiges zu schmunzeln, manches ist niedlich, manches pathetisch, vieles wahr, aber wirklich witzig ist kaum etwas und die eigentliche Geschichte ist auch nicht berauschend. Eine neue Übersetzerin gibt es auch wieder einmal, ob die ihre Sache gut gemacht hat oder nicht, kann ich allerdings nicht so recht beurteilen, weil ich ja die Originalfassung nicht gelesen habe.


    Fazit: ein Scheibenwelt-Roman, der ganz solide ist und viele Erinnerungen weckt, aber wohl nicht allzu lange im Gedächtnis bleiben wird.



    edit: Link nunmehr überflüssig

  • Vielen Dank für diese Rezi. Habe es seit Kurzen auf meinen SuB, wo es jetzt vielleicht noch ein wenig länger liegen bleibt. ;-)

    :lesend"Labyrinth - Elixier des Todes: Agent Pendergast 14" von Douglas Preston & Lincoln Child


    "Wenn man liebt, sind Pockennarben so hübsch wie Grübchen."

  • Nett


    Die sechzehnjährige Tiffany Weh ist die Hexe des Kreidelands, was nicht immer ein leichter Job ist, eher im Gegenteil: Die Hexen müssen Wehwehchen heilen, bei Geburten helfen, soziale Wogen glätten und ganz allgemein als eine Art Krisenfeuerwehr überall dort sein, wo Not herrscht oder droht. Deshalb kommt Tiffany auch kaum zur Ruhe, schläft kaum und isst wenig. Immerhin hat Tiffany ihre Bande Kobolde - Rob Irgendwer und seine "Wir-sind-die-Größten" - im Gepäck, aber auch die können nicht mehr helfen, als die Stimmung umschlägt und plötzlich alle gegen die hilfreichen Hexen sind, sogar Roland, der gute Freund von Tiffany, der bald heiraten und die Herrschaft über das Kreideland antreten wird. Jemand hat "den Tückischen" erweckt, jene bösartige Kraft, die alle heimsucht, die für Hetze, Verrat und Feindschaft zugänglich sind - und das sind nicht wenige. Tiffany sieht sich mit der großen Herausforderung konfrontiert, die tödliche Bedrohung ganz allein zu bekämpfen.


    "Das Mitternachtskleid" ist eine Aufforderung zur Toleranz, zu Respekt und unvoreingenommenem Umgang. Dieser Teil der Geschichte (der an den Roman "Eine Insel" erinnert) funktioniert auch ganz gut, aber der andere, der wesentliche Teil - nämlich die Geschichte selbst - eher nicht so. Pratchett lässt alte Bekannte - die Stadtwache, die anderen Hexen, den Tod - auftreten, aber es fühlt sich zuweilen eher wie eine Nummernrevue an als ein Märchen oder gar ein Roman. Verblüffenderweise gibt es außerordentlich brutale Momente, gleichzeitig mangelt es diesem Buch an Humor, jedenfalls der Sorte Humor, die man von Pratchett gewohnt ist. Die - manchmal sogar etwas nervtötenden - Fußnoten haben nichts, wirklich nichts mehr von der anarchischen Kraft, die sie früher in den "Scheibenwelt"-Romanen hatten. (Ja, ich weiß von Pratchetts Erkrankung.)


    Die Übersetzung ist in Ordnung, jedenfalls besser als zuletzt beim "Club der unsichtbaren Gelehrten", aber immer noch weit von den Brandhorst-Meisterleistungen entfernt. "Das Mitternachtskleid" ist ein nettes Buch mit einer freundlichen, lebensbejahenden Botschaft, aber leider recht unoriginell und nur selten ein ganz klein wenig witzig.


    Übrigens habe ich das Buch auf dem "Kindle" gelesen, was ich vorläufig nur noch im Urlaub bzw. auf Reisen tun werde. Es macht einfach keinen Spaß, die Orientierung im Text ist hanebüchen, und der Sprung zu den Fußnoten ist fummelig. Keine Alternative, sondern höchstens eine fallweise sinnvolle Ergänzung.

  • Tiffany Weh hat sich im Kreideland als Hexe etabliert. Doch schon lauert eine neue Gefahr, der Tückische erwacht. Er sät Unzufriedenheit und Hass in die Herzen der Menschen und da e selbst besonders Hexen hasst, hetzt er die Menschen gegen sie auf und ist ganz besonders hinter Tiffany her.


    Tiffany ist ein sympathisches Mädchen, die schon einiges erlebt hat. Und Hexe zu sein ist auch kein leichter Job, es wird von ihr erwartet, zu sehen, was andere nicht sehen und dann zu handeln – und das kann dann schon mal dazu führen, dass sie Fußnägel schneiden muss. Tiffany meistert das alles gut und erwartet gar nicht mal unbedingt Dankbarkeit. Umso tragischer, als sie erkennen muss, dass sie trotz allem angefeindet und dass die Menschen schnell dabei sind zu verurteilen, wenn Sündenböcke gesucht werden. Gut, wenn man dann Freunde hat, auf die man sich verlassen kann, auch wenn die einem das Leben manchmal zusätzlich schwer machen.


    Pratchett gelingt es sehr gut, dem Leser Tiffanys Leben nahezubringen, ihre Gedanken und Gefühle, ihren Stress, ihr Hingezogensein zu gewissen Personen des anderen Geschlechts (sie ist jetzt immerhin fast 16 Jahre alt!). Auch die anderen Figuren sind lebendig gezeichnet und wirken authentisch.


    Pratchetts Geschichte ist dieses Mal ungewohnt düster, es geschehen Dinge wie Kindesmisshandlung und Selbstmord und Tiffany muss einigen Menschen eine Menge Schmerzen nehmen. Die Geschichte ist mit Tiffany erwachsener geworden, die Leser hoffentlich auch.


    Aber Pratchett wäre nicht Pratchett, gäbe es nicht auch eine gute Prise Humor. Für den sorgen u. a. die Größten, die ich im ersten Tiffany-Band noch ziemlich nervig fand, doch mittlerweile sind sie mir sehr ans Herz gewachsen. Ein ganz besonderes Highlight war für mich jedoch Frau Prust, die in Ankh-Morpork einen Laden für Hexenzubehör und Scherzartikel führt.


    Pratchett schlägt mit diesem Buch auch einen Bogen zu seinen anderen Scheibenweltbüchern. Nicht nur Oma Wetterwachs und Nanny Ogg (die man beide schon bei Tiffany treffen konnte) tauchen auf, nein, Tiffany reist sogar nach Ankh-Morpork, wo sie u. a. einigen Mitgliedern der Wache begegnet, Angua, Karotte und sogar Mumm haben ein Gastspiel. Und die Größten, die sie selbstverständlich begleiten, finden dort sogar einen Artgenossen.


    Dass hier jemand anders als der gewohnte Übersetzer am Werk ist, fiel mir am Anfang nur am Rande auf. Ab der Hälfte des Romans störte es mich allerdings dann doch immer mehr, dass statt des gewohnten „Du“, das ich an der Scheibenwelt immer sehr mochte, jetzt auf einmal öfter das „Sie“ benutzt wurde. Das passt einfach nicht.


    Der vierte (und womöglich letzte) Tiffany-Band lässt die junge Hexe noch einmal zur Höchstform auflaufen – und am Ende bahnt sich für Tiffany nicht nur eine Beziehung zu einem netten jungen Mann an, nein, sie trägt auch das Mitternachtskleid …


    Für mich kommen die Tiffany-Bände nicht ganz an die originären Scheibenweltromane heran, ich lese sie aber auch gerne, als Pratchett-Fan kommt man eh nicht darum herum.