Erica Fischer/Simone Ladwig-Winters: Die Wertheims - Geschichte einer Familie
isbn: 3871344435
rückseitentext:
wertheim - das war einst das größte und prachtvollste warenhaus europas. hier gab es alles zu kaufen, von der parzifal-partitur bis zum ausgereiften ziegenkäse. der kaiser machte seine aufwartung, dichter priesen den "tempel des konsums", ganz berlin war stolz auf das wahrzeichen der stadt.
eine jüdische familie hatte das unternehmen 1875 gegründet und innerhalb von zwei generationen die kaufgewohnheiten der menschen geprägt. durch die nationalsozialisten wurde sie schließlich um ihr lebenswerk gebracht. heute klagen nachfahren der wertheims auf entschädigung.
erica fischer, autorin des bestsellers "aimée & jaguar", und die historikerin simone ladwig-winters beschreiben aufstieg und fall einer deutsch-jüdischen unternehmerdynastie - ein ebenso spannendes wie exemplarisches kapitel deutscher geschichte, das noch nicht zu ende ist.
meine meinung:
ich habe ja - meine rezis hier zeigen es - nun schon einiges an derartigen büchern gelesen, dieses ist aber mein bisheriges highlight. okay, die haribo-familie, die riegels, kamen vielleicht doch noch einen hauch sympathischer rüber, was aber auch damit zu tun haben kann, dass sie "zeitnaher" und "leckerer :grin" sind, aber der informationsgehalt dieses buches hier war einfach einzigartig.
wir erleben - hauptsächlich in berlin - das politische geschehen von der kaiser- bis zur jetztzeit mit, ebenso das geschehen des unternehmens wertheim und der familie, naja, nach auschwitz begleiten wir die betroffenen natürlich nicht... ein übersichtlicher (! auch so etwas lernt man bei der lektüre derartiger bücher zu schätzen!) stammbaum erleichtert das ganze ungemein. es gibt ein personenverzeichnis, eine erklärung zu den "fußnoten" und eine angabe zur verwendeten literatur. der text wird vervollständigt durch div. bilder, zeitungsanzeigen und listen.
wir begegnen u.a. dem hauptmann von köpenick, dem flieger udet, dem kaiser, rosa luxemburg, karl liebknecht, wilhelm busch und theodor fontane. die beiden letztgenannten haben mich übrigens durch ihnen von mir niemals auch nur im entferntesten zugetraute judenfeindliche äußerungen echt schockiert.
die familie selbst war reich an interessanten charakteren, stellvertretend sei hier nur von einem erzählt, der einst mit einem lotteriegewinn in der tasche ungeachtet seiner 10 bereits erwachsenen kinder heimlich nach berlin ausbüxte und seine dritte frau freite, eine junge dame, auf die er schon eine weile ein auge geworfen hatte und mit der er zwei weitere kinder zeugte. man weiß heute nicht mehr, wie sie hieß, aber die ehe soll sehr glücklich gewesen sein.
das buch ist aus dem jahre 2004. sollte hier zufällig jemand wissen, ob die entschädigungsansprüche vielleicht doch noch befriedigt wurden (sowohl das auswärtige amt als auch herr schröder himself sollen das in kontakten mit den usa versucht haben zu verhindern), wäre es nett, wenn er sein wissen hier kundtun könnte.
9 punkte
