Der verlorene Kampf um die Wörter - Monika Gerstendörfer

  • Klappentext
    "Kinderschänder gibt es nicht!" Was für eine provokant klingende und irritierende Aussage! Doch die wahren Provokateure sind wir. Denn wir alle benutzen solche Unwörter wie "Kinderschänder", "Sextouristen", "Triebtäter", "Sexgangster" und damit eine im wahrsten Sinne des Wortes gewalt-tätige Sprache. Wörter, Begriffe und Namenstäfelchen, die Tat und Täter nicht beim Namen nennen und so die wirkliche Problematik nicht erfassen, sondern die Opfer (nochmals) verletzen, die Taten bagatellisieren und die Täter entlasten. Sprache ist eine perfide Waffe, wenn sie sich gegen die Opfer richtet. Im Problembereich der sexualisierten Gewalt ist das leider die Regel. Die Folgen für Opfer, Täter und die ganze Gesellschaft können so nie ans Tageslicht kommen und einer Problemlösung zugeführt werden. Unsere Sprache spiegelt und schafft Wirklichkeit - eben auch Gewaltwirklichkeit. Und sie verschleiert und bagatellisiert, wenn wir von "Beziehungsdramen" oder "Familienstreitigkeiten" reden, wo es tatsächlich um brutale Morde ging. Immer an der Wirklichkeit (der Opfer) vorbei ... Diese Wirklichkeit wird im Buch ins Zentrum gerückt. So wird deutlich, dass sich Vieles ändern muss. Eben auch unsere Sprachführung. Wir alle können so zum Kampf gegen Gewalt beitragen, denn Sprache ist - genau wie die Menschen, die sie benutzen - lebendig!


    über die Autorin
    Monika Gerstendörfer, 1956-2010, Dipl.-Psych., Menschenrechtlerin und freie Autorin, studierte Sprachwissenschaft, Psychologie und Psycholinguistik; arbeitete zunächst in der Wissenschaft und danach viele Jahre aktiv in Menschenrechtsorganisationen (Terre des Femmes e.V., Deutscher Akademikerinnenbund, Forum Menschenrechte, Lobby für Menschenrechte e.V.), im "Observatory against Violence on Women" der Europäischen Frauenlobby, im Europarat und als Sachverständige bei Anhörungen auf EU-, Bundes- und Landesebene. 2005 wurde sie mit den "1000 Women for Peace" für den Friedensnobelpreis nominiert.
    Leider hat sie im Februar den Kampf gegen eine heimtückische Krankheit verloren.


    Fazit
    Die Autorin erklärt sehr klar und sachlich, welche Worte die richtigen sind, um die verschiedenen Straftaten zu benennen. Sie tut dies, ohne voyeuristisch zu sein oder/und zig Beispiele zu nennen. Sie benennt dennoch die Dinge beim Namen und beim Lesen stellen sich teils die Nackenhaare auf. Zumindest ging es mir so.


    Die Aufteilung in "Kinder", "Frauen", "Krieg und Frieden", "Prostitution und Zwangsprostitution", "Noch mehr Gewalt, noch mehr Unwörter" sowie in Unterkapitel ist sehr gut gemacht. Wer schnell etwas zu einem bestimmten Thema nachlesen will, wird so schnell fündig.


    Für die Medienarbeit, aber auch für Ämter und Einrichtungen, ein hilfreiches Werk. Auch der "private" Mensch kann von diesem Buch profitieren, kann die Sprache überdenken und sich darauf achten, welche Worte wie angewendet werden. Zu oft wird allein mit Worten das Opfer zum Täter oder zumindest mitschuldig gemacht. Das darf nicht mehr passieren.
    Denn zu oft heisst es, der oder die Täter hätten eine schlechte Kindheit gehabt. Dass es so etwas wie Selbstverantwortung gibt, dass jeder für sich selber verantwortlich ist und Grenzen zu respektieren hat, das wird in den Medien zu oft zu wenig bis gar nicht beachtet.


    Ihre Erklärungen sind nachvollziehbar, logisch und vor allem sehr überdenkenswert. Plötzlich fallen einem die falsch gebrauchten Worte ins Auge.


    Anmerkung
    Bei amazon ist es zur Zeit nicht direkt erhältlich, beim Junfermann Verlag ist es für 5 Euro gelistet. Stand 12. Sept. 2010.

    Suche die Stille auf, damit du die Ruhe findest.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von fabuleuse ()