Sabrina Tophofen - [Mein Leben] So lange bin ich vogelfrei

  • Kurzbeschreibung :write
    Mit elf Jahren bricht Sabrina aus dem Kinderheim aus. Sie landet in Köln auf der Domplatte, wo sie zum ersten Mal Geborgenheit und Schutz erfährt, aber auch auf Gewalt und Aggression, Drogenkonsum und Missbrauch der Obdachlosen trifft. Auf einzigartige Weise dokumentiert Sabrina ihren täglichen Kampf ums Überleben - für das Recht auf Selbstbestimmtheit und Akzeptanz.


    Meine Meinung :write
    Mit 10 Jahren vertraut sich Sabrina ihrer Oma an und erzählt das erste Mal von ihrem gewaltsamen Zuhause. Seit einem Brandunfall, bei dem ihre Schwester ums Leben gekommen ist, kommt ihr Vater jede Nacht zu ihr und fasst sie an. Die Mutter verschließt die Augen und will das alles nicht sehen. Nachdem sie sich ihrer Oma anvertraut hat, schickt diese sie mit den Worten weg: geh zur Polizei und danach weit weg von hier.


    Nachdem Sabrina der Polizei ihre Kindheit erzählt hat, kommt eine Frau vom Jugendamt und setzt sie vor einem Heim ab. Das ist jetzt ihr neues Zuhauses. Aber auch da wird nichts besser, denn auch dort herrscht Gewalt und im Grunde interessiert sich auch diesmal wieder niemand für sie.


    Nachdem vier Mädchen aus dem Kinderheim sie fesseln, schlagen und ihr kurzerhand die langen schwarzen Haare abrasieren, weiß Sabrina, dass sie auch hier nicht bleiben will. Sie läuft weg und setzt sich in den Zug nach Köln.


    In Köln angekommen fasst sie schnell Kontakt zu anderen Straßenkids und findet erstaunlich schnell Anschluss. Mit 11 Jahren landet Sabrina die von allen nur noch „Topi“ genannt wird auf der Straße, hat Kontakt zu Alkohol und Drogen und auch Gewalt spielt hier eine große Rolle. Wenn Topi auf einem „Tripp“ ist, gehen bei ihr manchmal alle Lichter aus und sie schlägt fremde Menschen zusammen – ohne Grund.


    Das Leben auf der Straße entwickelt sich zu einem Teufelskreis: Alkohol, Drogen, mit den Anderen „abhängen“ und sich Gedanken darum machen, wo man die nächste Nacht verbringt.


    Aber Topi hat auch Dinge auf der Straße kennengelernt, die ihr völlig fremd waren: Geburtstag feiern! Sie hat auf der Straße ihr erstes Geschenk bekommen und ausgepackt – etwas völlig fremdes und neues für sie. Auch Weihnachten wurde gefeiert – in einer Art, die sie nicht kannte. Und sie hat eine Art Familie gefunden – Menschen, die das gleiche oder ähnliche Schicksal haben wie sie, die ebenfalls kein Zuhause haben und auf die sie sich verlassen konnte.


    Der Schreibstil ist sehr einfach und umgangssprachlich gehalten, was mich am Anfang ein wenig gestört hat. Mir ist allerdings sehr schnell bewusst geworden, dass dieser Stil wunderbar zum Buch und vor allem zu der Geschichte passt. Das Cover ähnelt dem Cover einer Zeitschrift und ist mit Schlagzeilen und verschiedenen Stichpunkten versehen, die ein Teil der Geschichte sind und den Leser auf Anhieb neugierig auf den Inhalt des Buches machen. Was mich allerdings sehr stört, ist, dass der Preis vorne auf dem Cover aufgedruckt ist, nicht besonders groß, aber dennoch störend.


    Die Geschichte hat mich wirklich berührt und stellenweise auch wütend gemacht. Warum bekommen Menschen Kinder, wenn sie sich durch diese Existenz nur gestört fühlen und dieses Gefühl auch weitergeben? Warum arbeiten Menschen in Kinderheimen, die viel lieber die Augen vor der Realität und dem Heimalltag verschließen? Und warum gibt es nicht mehr Streetworker wie Andreas Priesterath die sich um die Straßenkids kümmern und sie von der Straße wegholen?


    Beim Lesen hatte ich stellenweise ein wirklich schlechtes Gewissen, wie ich da frisch geduscht im Warmen auf meiner Couch lag und die Geschichte von einem Kind gelesen habe, dass auf der Straße lebt. Für das Zähne putzen, duschen und saubere Klamotten nunmal nicht alltäglich sind. Das ein Leben auf der Straße vorgezogen hat um vielleicht jemanden zu finden, für den sie wichtig ist und sie liebt!


    Von mir gibts 10 Punkte!!


    Das Buch ist ein biographisches Jugendbuch!

  • "Drogen betäuben mein wahres Gesicht und ich sehe das Ende nicht."


    Im Alter von 10 Jahren fasst Claudine allen Mut zusammen und zeigt ihren Vater bei der Polizei an. Von da an lebt sie in einem Heim, doch auch da wird sie nicht glücklich, denn sie wird von ihren Mitbewohnerinnen tyrannisiert. Für sie steht fest: "Ich muss hier raus".
    Ihre einzige Freundin, Katrin, hilft ihr beim Weglaufen und gibt ihr den Tipp, nach Köln auf die Domplatte zu gehen. Dort soll sie eine gewisse Iris Lerke suchen, die ihr helfen wird.


    In Köln angekommen lernt sie Tim, einen Breakdancer, kennen, der sie zu einem Sozialarbeiter bringt. Dort lernt sie u.a. die 15-jährige Jenny kennen, die als Straßenkind u.a. auf der Domplatte lebt. Zusammen mit ihr zieht sie durch Köln und lernt schnell andere Straßenkinder kennen.


    Schnell findet sie Anschluss in der Straßenszene und wird fortan nur noch Topi genannt. Nur wenige kennen ihre wahre Identität und wissen, was sie schon alles durchstehen musste.


    Allerdings ist das Leben als Straßenkind nicht einfach und sie muss sich entscheiden, wie sie dieses Leben fortan führen will. Drogen, Gewalt und Prostitution sind plötzlich so nah wie nie...


    Ich habe lange überlegt, wie ich dieses Buch bewerten soll. Hat man als Leser überhaupt das Recht, ein Buch zu beurteilen, in dem es um eine wahre Geschichte geht? Darf man ein so hartes und trauriges Schicksal loben oder kritisieren?


    Zusammen mit Veronika Vattrodt schafft es Sabrina Tophofen über ihre traurige Kindheit auf der Straße zu erzählen.
    Hierbei nimmt sie kein Blatt vor den Mund.


    Ihre früheste Kindheit verbringt sie in Duisburg bei ihren Eltern, jedoch wird dieses Zuhause schnell zur Hölle für sie. Ihr Vater ist ein Trinker und Schläger und lässt seine Launen an ihr aus. Auch ihre Mutter ist nicht besser.
    Die Erinnerungen an ihr Elternhaus lassen sie auch Jahre danach nicht los und sie berichtet immer wieder über Erlebnisse aus dieser Zeit.


    In Köln angekommen, beginnt ihr neues großes "Abenteuer". Sie erfährt zum ersten Mal, was es heißt, in einer Gemeinschaft zu leben, in der sie nicht tyrannisiert oder verurteilt wird. Doch trotz allem fasst sie nie ganz den Mut, jemanden alles über sich zu erzählen. Sie hat die ständige Angst im Stich gelassen oder für ihre Vergangenheit verurteilt zu werden.


    Auch wenn das Buch 'nur' 176 Seiten hat, habe ich ein paar Tage hierfür gebraucht, da ich es immer wieder zur Seite legen musste.
    Topi's Schicksal lässt einem nicht kalt. Auch wenn sie sehr oft aggressiv oder hyperaktiv rüberkommt, erkennt man immer wieder ihren wahren Charakter, den sie mit allen Mitteln zu verstecken versucht:


    "Und mein größtes Problem, ich steh vor mir und kann mich nicht sehen. Gehärtete Gefühle, so leer und doch zu klar. Mein Herz zerbricht, denn so stark bin auch ich nicht!"


    Obwohl sie von ihrer Mutter oft schlecht behandelt wurde, hofft sie immer wieder darauf, dass sich ihre Mutter meldet und ihr ein neues Zuhause gibt:


    "Die Bullen wissen bei den Personenkontrollen gar nicht mehr, was sie mit mir machen sollen. Ich bin offiziell in Duisburg bei meinen Eltern gemeldet. Aber wenn sie da anrufen, kriegen sie nur zu hören, ich solle ja nicht wiederkommen. Und das Heim will mich ja auch nicht mehr haben..."


    Da das Buch in der Ich-Perspektive erzählt wird, hat man stets das Gefühl, ein Teil dieser Geschichte zu sein. Wer bereits in Köln war, erkennt die Schauplätze schnell wieder. Die schwarz/weiß-Fotos in der Buchmitte helfen hierbei, sich Topi in manchen Situationen ganz genau vorzustellen. Hierbei wird sie u.a. am Kölner Hauptbahnhof gezeigt.


    "So lange bin ich vogelfrei" liest sich flüssig und ohne Rücksicht auf Verluste. Die etwas zu harte Jugendsprache hat mich zunächst geschockt, allerdings konnte ich mich recht schnell an diesen Erzählstil gewöhnen.
    Ein großes Lob geht hierbei an die Autorin, die die Kraft dazu hatte, ihr Leben nieder zu schreiben.


    Zu jedem Kapitelanfang gibt es einen Kommentar. Meistens von Andreas, einem Sozialarbeiter oder Tagebuchauszüge von Topi.


    Sehr gelungen und interessant finde ich hierbei den Epilog, in dem alle wichtigen Personen in diesem Buch noch einmal erwähnt werden und berichtet wird, was aus ihnen geworden ist. Hierbei freut man sich als Leser am meisten über Topis Entwicklung.


    Die Covergestaltung ist schlicht, aber sehr passend und stimmig zur Geschichte. Auf dem Cover werden direkt die wichtigsten Punkte in dieser Geschichte erwähnt.


    "So lange bin ich vogelfrei" ist das vierte Buch aus der "Mein Leben"-Reihe, in der Menschen aus ihrem Leben erzählen.


    Ich hoffe, dass diese Geschichte noch viele Menschen erreichen wird, damit das Ziel dieses Buches erreicht wird: Das Recht auf Selbstbestimmung und Akzeptanz.