Gedankenaustausch und persönliche Erfahrungen mit "Ausländern"

  • Hallo, Vandam.


    Dein Beispiel ist schön, ignoriert aber, dass es einen "Normenkatalog für Deutschland" abseits der Gesetzgebung nicht gibt, obwohl viele so tun, als wäre das Gegenteil der Fall. Zuweilen mutet das, was als Norm festgesetzt wird, sehr persönlich/individuell an. Das kann man auf wunderbare Weise miterleben, wenn man sich in Soziobiotope wie z.B. Kleingartenkolonien, aber auch Kneipen mit viel Stammpublikum o.ä. begibt.

  • Tom , Vandam : 1.Nein :-] und 2. In Kleinigkeiten (aber wat is dat?)


    Natürlich gibt es in Deutschland Normen abseits der Gesetze, die Gültigkeit haben. Siehe Malle und Handtuch.


    Nehmen wir einen strammeren Verein:


    SS-Verband


    Entweder du machst alles mit, das übliche Brandschatzen und Vergewaltigen usw. oder du bekommst erstmal "Klassendresche", dann Spießrutenlaufen.


    Mist , Notfall, weiteres später

  • Zitat

    Hallo, Vandam. Dein Beispiel ist schön, ignoriert aber, dass es einen "Normenkatalog für Deutschland" abseits der Gesetzgebung nicht gibt, obwohl viele so tun, als wäre das Gegenteil der Fall. Zuweilen mutet das, was als Norm festgesetzt wird, sehr persönlich/individuell an. Das kann man auf wunderbare Weise miterleben, wenn man sich in Soziobiotope wie z.B. Kleingartenkolonien, aber auch Kneipen mit viel Stammpublikum o.ä. begibt.


    Wer halbwegs bei Verstande ist, weiß um die ungeschriebenen Regeln dort und man hat die Wahl, Kleingärtner oder Kneipenbesucher zu sein.
    Wenn es einem nicht passt, geht man.


    Und was ist eigentlich falsch daran, von Ausländern, die in Deutschland leben wollen, ein Mindestmaß an Sprachkenntnissen - die im übrigen nicht normiert sind - zu verlangen?

  • ...da könnte man endlos dieskutieren und kommen "vons Höckske aufs Stöckske"


    Tatsache bleibt, dass es etwa meine Generation von Migranten ist, in der die MAMAS nach 35 Jahren BRD immer noch kein Deutsch können, die Männer-Machos ihren eigenen Zirkel bilden, bei Elternsprechtagen, aber die MAMAS anrücken dürfen, denen dann der Filius übersetzt, was sie verbrochen haben (wer kontrolliert, was der übersetzt?)


    Aber diese Generation hinterlässt doch bereits eine wesentlich aufgeschlossenere Generation, die teilweise ihre Muttersprache kaum noch sprechen.


    Es ist alles eine Frage der Zeit, bis sich das verwischt. Nur sollten Neuankömmlinge als Grundvoraussetzung die Sprache des jeweiligen Landes können.
    Da hat die BRD in den vergangenen Jahrzehnten geschlampt...ohne verbaler Verständigung, keine Völkerverständigung.


    euer hef

  • Zitat

    Original von Salonlöwin


    Wer halbwegs bei Verstande ist, weiß um die ungeschriebenen Regeln dort und man hat die Wahl, Kleingärtner oder Kneipenbesucher zu sein.
    Wenn es einem nicht passt, geht man.


    Und was ist eigentlich falsch daran, von Ausländern, die in Deutschland leben wollen, ein Mindestmaß an Sprachkenntnissen - die im übrigen nicht normiert sind - zu verlangen?


    Das hört sich ja an, als ob irgendwelche ungezogenen Bengel aus Ostanatolien sich gesagt hätten "So, wir ziehen jetzt nach Deutschland und mischen den Laden dort richtig auf!"


    Jeder, egal ob Migrant oder nicht, sollte sich an die gechriebenen Gesetze halten, aber die Bundesrepublik ist (zum Glück) kein Verein, und das Grundgesetz garantiert mir, dass ich mich eben nicht an ungeschriebene Gesetze halten muss.


    Die Sache mit den vielbeschrieenen Sprachkenntnissen halte ich übrigens für einen Stellvertreterkrieg. Richtige Verständnisschwierigkeiten habe ich nämlich nur bei unserem vietnamesischen Gemüsehändler und bei den Eltern von Kayas vietnamesischen Kumpel. Die sprechen zwar so eine Art Deutsch, aber meistens verstehe ich nicht, was sie mir sagen wollen. Dennoch finde ich ist das überhaupt kein Grund, warum sie nicht in Deutschland leben können sollten.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Zitat: Original von Salonlöwin Wer halbwegs bei Verstande ist, weiß um die ungeschriebenen Regeln dort und man hat die Wahl, Kleingärtner oder Kneipenbesucher zu sein. Wenn es einem nicht passt, geht man. Und was ist eigentlich falsch daran, von Ausländern, die in Deutschland leben wollen, ein Mindestmaß an Sprachkenntnissen - die im übrigen nicht normiert sind - zu verlangen? Das hört sich ja an, als ob irgendwelche ungezogenen Bengel aus Ostanatolien sich gesagt hätten "So, wir ziehen jetzt nach Deutschland und mischen den Laden dort richtig auf!"


    Offensichtlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt.
    Wenn mir als Deutscher der Kleingärtnerverein oder die Stammkneipe und die entsprechenden Regeln nicht passen, kann ich gehen oder werde gegangen.
    Ich habe die Wahl, mehr wollte ich nicht sagen.


    Wenn jemand sein Heimatland verlässt, nach Deutschland geht, sollte er dann nicht die Bereitschaft zeigen, die deutsche Sprache zu erlernen?
    Ich sage und meine nicht die Ausländer und auch nicht die Türken; ich rede von denen, die die Sprache nicht erlernen wollen.

  • Interessant ist auch, dass viele Leute Sprachkenntnisse einfordern, die ganz offenbar nicht das geringste Interesse haben, überhaupt mit der Zielgruppe ihrer Forderungen zu reden. ;-)


    Zitat

    aber die Bundesrepublik ist (zum Glück) kein Verein, und das Grundgesetz garantiert mir, dass ich mich eben nicht an ungeschriebene Gesetze halten muss.


    Eben. Deshalb stimmt der Vergleich mit den Kleingärtnern auch, denn nicht alles, was die "Gemeinschaft" dort von ihren Mitgliedern verlangt, ist wirklich auf einen Konsens zurückzuführen, sondern oft nur auf gefühltes Recht, und führt im Ergebnis dann zu Mobbing, Gängeleien und ernsthaften Auseinandersetzungen. Gerade wenn Gruppen und Grüppchen glauben, ein wie auch immer geartetes Recht auf ihrer Seite zu haben, neigen sie dazu, Außenstehende und Minderheiten zu drangsalieren. Meistens übrigens völlig grundlos. Sie tun das einfach gerne, weil es sie vermeintlich erhebt - und das Gruppengefühl stärkt.

  • hef @draper


    Kurz gesagt: Richtig ist schon, dass man definitiv nicht integriert ist, wenn man die Welt durch die Gitterstäbe anschauen muss.


    Richtig ist aber vor allem, dass schon vor dem Knast Integration durch verschiedene Sanktionen eingefordert wird.


    Mittlerweile macht der Staat Sprachkurse zur Auflage (und zahlt die sogar!).


    Obwohl das ja keine Integration bedeutet.


    Umgekehrt: Tolle deutsche Sprachkenntnisse und ein deutscher Pass sind nicht der geringste Beweis für Integration. Könnte ein homosexueller Prostituierter sein, der sein Freizeit für Einbrüche, Drogenkonsum und Kindesmißbrauch verwendet und ansonsten in seinem gemieteten Reihenhaus RTL schaut.


    Die türkische Mutti mit Kopftuch und Mittelklasseauto, die ihre Kinners zur Schule kutschiert, nach Knofi duftet, kein Wort Deutsch spricht, über ALDI-Einkauf wieder heim fährt und Suppe köchelt ist da schon eher auf dem richtigen Tripp.
    Solange sie deutschen Gesetzen und harten Normen nicht in die Quere kommt. Desintegration könnte sich im Bereich von Ordnungsvergehen zeigen: Mädchen wird der Schulbesuch verweigert und auf Strafandrohungen nicht reagiert. Der Bub wird regelmäßig zu Hause durchgeprügelt - äh, obwohl: Deutsche Gerichte erkennen teilweise, wie auch viele aufgeklärte Journalisten, "die kulturellen Eigenheiten und Selbstverständnisse" bis weit über den Tellerrand des Strafgesetzbuches an. (Türkische Frauen müssen sich z.B. Ohrfeigen schon mal gefallen lassen).


    Normen, die gelten, obwohl nicht Gesetz:
    z.b. Political Correctness, siehe Sarrazin und wie er sanktioniert wurde



    (und zwischenzeitlich habe ich mal eben eine Zwangeinweisung in die Psychiatrie veranlasst :peitsch damiz ihr mal seht: Hier wird neben dem Tschätten gearbeitet)

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Wenn jemand sein Heimatland verlässt, nach Deutschland geht, sollte er dann nicht die Bereitschaft zeigen, die deutsche Sprache zu erlernen?


    Gibt es das? Menschen, die nach Deutschland kommen aber sagen, sie wollen kein Deutsch lernen? Ich kenne dieses Phänomen nur aus der von hef erwähnten Generation nachgeholter Türkinnen (das waren die Mütter meiner Klassenkameraden). Bei denen kann von nicht wollen allerdings keine Rede sein, die hatten einfach keine Chance, so lange sie nicht arbeiten gingen. Und selbst wenn: meine Chefin in besagter Hühnerfarm beschränkte sich in der Kommunikation mit meinen türkischen Kolleginnen auf "du heute arbeiten hier!"
    Sprachkurse gab's damals nicht, wozu auch, die fahren doch eh wieder nach Hause.


    Tom, der Mechanismus in der deutschen Gesellschaft, der zu Ausgrenzung führt, mag tatsächlich derselbe wie im Kleingartverein sein. Nur die daraus folgende Konsequenz ("dann geh ich da eben nicht hin") im ganz normalen Leben schlecdht umsetzbar :rolleyes

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Interessant ist auch, dass viele Leute Sprachkenntnisse einfordern, die ganz offenbar nicht das geringste Interesse haben, überhaupt mit der Zielgruppe ihrer Forderungen zu reden. Augenzwinkern


    Da fühle ich mich glatt angesprochen ;-).
    Meine Nachbarin hat acht Jahre neben mir gewohnt; manchmal hat sie für mich ein Paket angenommen, als Türkin hat sie kein Kopftuch getragen. und lebte auch sonst nicht streng muslimisch. Als sie auszog, konnte sie immer noch kein Guten Tag! und Auf Wiedersehen! sagen.


    Meine japanische Tandempartnerin lebt seit sieben Jahren in Deutschland, hat einen deutschen Freund seit mehreren Jahren, hat etliche Deutschkurse an der Uni besucht und spricht kaum Deutsch. Sie ist leider auch nicht in der Lage, in deutscher Sprache an der Tankstelle die für sie lebensnotwendigen Zigaretten zu kaufen, so die Aussage ihrer eigenen Landsleute. Nun muss sie spätestens im nächsten Jahr eine Sprachprüfung bewältigen, ansonsten heißt es return to sender ohne Magisterabschluss.


    Mich verleiten diese Beispiele keineswegs zu Häme, sondern machen eher traurig. Bei der Türkin weiß ich, dass da nicht mehr viel passieren wird; bei der Japanerin habe ich Hoffnung, dass sie den A..sch noch hoch kriegt.
    Ansonsten ist ein durchgefallener Sprachtest das kleinere Übel, der Gesichtsverlust, nach Japan ohne Abschluss zurückzukehren und dann mit einem Kunststudium direkt in die Arbeitslosigkeit zu wandern und kein soziales Netz, das einen auffängt, das größere Übel.

  • Zitat

    Original von Tom


    Tut es das wirklich? Fraglos gibt es Problemfelder (Schulen, Kriminalität, Ghettobildung, vermeintlich überkommenes Sozialverhalten), aber nach meinem Eindruck haben die meisten, die sich sehr lautstark zu Wort melden, höchstens "Ausländererfahrungen" in der Qualität, wie sie hier auch geschildert wurden. Sie sitzen in ihren Reihenhäuschen in den Suburbs, glotzen auf Superblödrtl "Frauentausch" und suchen nach Feindbildern, um sich ihr beschissenes kleines Leben schönzureden. Weil "Frauentausch" ja sicher nicht mehr gesendet würde, wenn die Mehrheit der Gesellschaft plötzlich muslimisch wäre. (Insofern kann man sich das eigentlich nur wünschen. ;-)) Die "Mehrheit der Gesellschaft" plappert über Dinge, von denen sie nicht die allergeringste Ahnung hat. Fraglos hat sie das Recht dazu, aber hinhören muss man ja trotzdem nicht. In vielen Fällen sollte man es m.E. auch nicht tun. Die gesamte "Integrationsdebatte" (Was ist das eigentlich, Integration?) gehört zu einem dieser Fälle. Übrigens betrifft diese großmäulige Ahnungslosigkeit auch viele Mandatsträger.


    Ein besseres Beispiel für bewußt falsches Zitieren hättest auch du nicht erfinden können.

  • Sorry, ich bin erst heute zum Lesen der Antworten gekommen und mich haben hier einige Äußerungen wirklich zum nachdenken gebracht.


    Es ist sehr erfrischend mal ein paar realistische Erfahrungen zu lesen, die die negativen Seiten kritisch, aber denoch respektvoll beschreiben und dass eben auch von positven Beispielen berichtet wurde.


    Vielleicht ist es in meinem Eröffnungsbeitrag nicht so eindeutig herauszulesen, aber ich mache mir tatsächlich viele Gedanken und deshalb bin ich auch an einem Gedankenaustausch sehr interessiert.
    Und ich frage mich eben auch, warum man in Deutschand so einfach einwandern kann bzw. konnte. Ohne einen Arbeitsplatz nachweisen zu müssen und ohne über Sprachkenntnisse zu verfügen.
    Und ich frage mich auch, ob es wirklich so einfach war oder ist nach Deutschland auszuwandern oder ob es vielleicht doch schwieriger ist, als ich denke.
    Ich kenne nur ein Pärchen aus meinem Bekanntenkreis, das in ein anderes Land (Kanada) ausgewandert ist. Und bei denen war es so, dass der Mann vor der Ausreise einen Sprachkurs und auch einen festen Arbeitsplatz nachweisen musste. Die Ehefrau ist natürlich mitgereist. Hatte aber dort keinen Anspruch auf Sozialleistungen und auch keine Arbeitserlaubnis.


    Ich kenne die Ausländer, über die wir uns hier austauschen und die wohl überwiegend aus der Türkei und den arabischen Ländern stammen, nicht von RTL-Billigproduktionen, sondern tatsächlich aus dem realen Leben ;-).


    Und je mehr ich darüber nachdenke, komme ich zu dem Schluß, dass wohl eine gemeinsame Sprache das Wichtigste ist, um einander besser verstehen zu können, nicht nur auf der rein sprachlichen Ebene.


    Dazu mal ein Beispiel:


    Ein Türke (ca. 60 Jahre) kommt regelmäßig zu uns in die Praxis. Er spricht kein perfektes deutsch, aber so gut, dass er sich verständlich ausdrücken kann. Als er sich das erste mal bei mir anmeldete, fragte ich nach seinem Namen. Der Nachname war relativ einfach, aber den Vornamen hatte ich akustisch nicht verstanden und fragte noch einmal nach. Da sagte er zu mir: "Mehmet - wie Mettbrötchen". Das klingt jetzt nicht besonders witzig, aber er brachte es so sympathisch rüber und ich musste so lachen, weil er ausgerechnet Mettbrötchen als Vergleich brachte, dass es mittlerweile für uns einen Running-Gag-Charakter hat. Und so etwas verbindet! Aber das funktioniert auch nur, weil er die Sprache beherrscht.

  • Ich finde schon, dass man die Sprache beherschen sollte die man für die Kommunikation braucht. Oft fällt mir aber auf, dass einige Leute die ich kenne denken das jeder Türke kein Deutsch kann. In meiner Familie beherschen alle die deutsche Sprache, natürlich können meine Eltern nicht so wie wir reden oder schreiben, weil die deutsche Sprache wirklich schwierig ist. Es ist viel leichter wenn man hier geboren ist, was auch ein Vorteil für mich war.

    :lesend
    - Harry Potter und der Gefangene von Askaban von J.K. Rowling

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von arashi93 ()

  • von Charlotte


    Und ich frage mich eben auch, warum man in Deutschand so einfach einwandern kann bzw. konnte. Ohne einen Arbeitsplatz nachweisen zu müssen und ohne über Sprachkenntnisse zu verfügen



    ...das lag daran, dass Deutschland in den ausgehenden 50ern und 60ern nach dem Krieg ca. 4 Mio Männer fehlten. Die waren etweder tot oder Kriegskrüppel.


    Dann kam das Wirtschaftswunder und es wurde jeder genommen, der arbeitswillig war. Herkunft und Sprache egal.
    Danach brachte jeder seinen Opa und Oma mit ... und das war es mit Sprache lernen.. Die Großeltern zogen die Kinder in der Heimatsprache auf, damit die Eltern arbeiten konnten...und das zieht sich halt noch ein paar Jahre, bis diese Generation ausstirbt.
    Da nutzt unser ganzes Lamentieren nichts. Es ist eben so und auch kein wirklicher Beinbruch für ein Land wie die BRD


    euer hef


    edit: habe nochmal nachsehen: es fehlten nach dem Krieg 6.5 Mio Männer, die der aufstrebenden Wirtschaft nicht zur Verfügung standen. Denn bis Ende 50 waren noch 1 Mio in Gefangenschaft....

  • Hallo zusammen.


    Ich finde, es sollte auch die "Gegenseite" mal gehört werden.
    Zu diesem Thema hat vor einigen Wochen ein Schulkollege meiner Tochter ein Referat gehalten. Es war ein Tag der offenen Tür, bei dem ich zugegen war.
    (Gymnasium, 10. Klasse, Fach: Sozialwesen, Aufgabe: Diskussion zum Thema "Die Anderen, dass sind wir" anstoßen)



    Die Anderen, dass sind wir


    Stellt euch mal vor, ihr wäret alle streng katholisch erzogen worden. So mit keinem Sex vor der Ehe, einer recht strengen Hierarchie in der Familie und einem festen Glauben an Gott und die Werte, die euch die Bibel vermittelt.
    Nun werdet ihr aber in einer Gesellschaft groß, die zum Einen nicht eure Muttersprache spricht, und zum Anderen alle Werte, die ihr sozusagen mit der Muttermilch aufsaugt, mit Füßen tritt.
    Frauen packen ihre Titten am Strand aus und stecken sich Ohrringe in die Brustwarzen. Es gevögelt was das Zeug hält und in der Öffentlichkeit darüber schwadroniert, als gelte es, mangelnde Potenz durch möglichst intensive Sexgymnastik, und sei es nur verbal, wieder wett zu machen. Familie, ein Wert, der für euch enorm wichtig ist, wird in dieser Gesellschaft gleichbedeutend mit Abstieg gesehen, denn wer viele Kinder hat gehört entweder zur Unterschicht oder ist Hollywoodstar. Geld verdienen ist für viele in dieser Gesellschaft nicht mit Arbeit verbunden, denn es gibt ja Ämter und notfalls kann man seine Duschergüsse auch vors Mikro bringen, um ein wenig Ruhm und Kohle schnell im Vorbeigehen abzusahnen.


    (Hier gab es erste betretene Gesichter bei den anwesenden Eltern. Ich konnte nur mit Mühe ein zustimmendes Nicken und ein Grinsen verstecken)


    Wie würdet ihr euch fühlen?
    Würdet ihr alle eure traditionellen Werte einfach so über den Haufen werfen, nur en vogue zu sein? Würdet ihr, in dem Alter, in dem ihr jetzt seid, (Blick zu den Erwachsenen in der Klasse) noch diese Sprache lernen wollen, in der es im Alltag vor Respektlosigkeiten nur so wimmelt?
    So fühlten sich, laut meinem Großvater, neben der Isolation als Fremder in einem fremden Land auch die ersten Menschen, die uns geholfen haben aus unserem Land das zu machen, was es heute ist.
    Den Müll wegfahren und Straßen fegen, unter Bedingungen arbeiten, dass Kinderarbeit dagegen wie eine Erholungskur wirkt und kein Wort von dem verstehen, was deine Kollegen zum Lachen bringt.
    Das war die Welt der ersten Menschen, die damals noch Gastarbeiter hießen.
    Arbeiten ja.
    Leben?
    Du atmest, das muss reichen.


    (Unruhe unter den Anwesenden. Ein Kind, zudem noch ein Türke (!) nimmt solche Worte in den Mund???)


    Und was macht der Mensch in einer fremden, ja beinahe feindlichen Umgebung?
    Er schließt sich zu Gruppen zusammen, trauert der Heimat nach, wo aber auch alles den Bach runtergeht und so holt er seine Familie hinterher, sofern er kann. In der Hoffnung natürlich, dass er hier, in einem fremden Land, aber umgeben von Landsmännern, ein neues Leben beginnen kann.
    Der Ausländer war geboren.
    Irgendwann ist das Land aber einfach zu klein, oder die Industrie, die vorher noch billige Arbeitskräfte im eigenen Land suchte, schielt nun nach Standorten,wo Arbeitskraft noch billiger ist. Der Frust ist hoch, denn wofür hat man sich in der neuen Welt eingerichtet, wenn da doch langsam auch alles den Bach runtergeht? In was für einer Welt lebt man eigentlich, in der die Werte, mit denen man aufgewachsen ist, keinen Platz mehr haben, je schlechter es allen geht?
    Schlecht geht es aber auch den Eingeborenen, die plötzlich ihre Felle davonschwimmen sehen! Und wer ist schuld? Wer ist hierher gekommen, sollte eigentlich nach getaner Arbeit wieder gehen und hat sich jetzt ins vermeintlich gemachte Nest gesetzt?
    Der perspektivlose Mitbürger Migrationshintergrund.


    (Dezentes Räuspern der Lehrerin, erste rote Köpfe. Ich amüsiere mich köstlich über diesen Jungen, der mit meiner Tochter Biologie und Physik in der Experstenstufe büffelt)


    Jetzt mal ehrlich ... würdet ihr euch gerne als Bürger eines solchen Landes bezeichnen? Erst hofiert, dann ausgenutzt und letztendlich zum Sündenbock abgestempelt? Hättet ihr, ganz tief in eurem Inneren, noch den Wunsch, diesem Land und seinen Eingeborenen einen gewissen Respekt entgegenzubringen, wenn er euch versagt bliebe?
    Zum Respekt wie ich ihn verstehe gehört auch die Landessprache möglichst fehlerfrei zu sprechen. Und selbst wenn die "Ausländer" das können und gehobene Positionen erreichen, werde sie mit Argusaugen beobachtet.
    Also ich würde mir da auch kein Bein ausreissen die Landessprache zu lernen, zumal es viele meiner Landsleute bereits getan haben und alles was ich zum Leben benötige auch in meiner Muttersprache kaufen kann.
    Und dennoch tue ich all das.
    Ich kämpfe jeden Tag um Wissen, wachse mit zwei Sprachen auf, lerne drei weitere in der Schule ... und weiß trotzdem nicht, wo meine Heimat ist.
    Ich tue alles um respektiert zu werden, ich respektiere die Eigenheiten dieses Landes, in dem ich geboren wurde ... aber warum akzeptiert keiner meine Wurzeln, meine Abscheu gegen viele Dinge in diesem ansonsten wunderbaren Land und die Werte, mit denen ich erzogen werde? Warum darf ich mit meinen Großeltern oder meinen Freunden nicht die Sprache meiner Vorfahren sprechen?


    (In diesem Moment hätte im Klassenzimmer eine fallende Stecknadel die delikate Lautstäke eines atomaren Erstschlags erreicht. Rote Telefone wurden durch hochrote Köpfe ersetzt. Ich biss mir auf das Wangenfutter und war stolz auf den Kleinen, obwohl ich dich nur der Vater seiner besten Freundin bin.)


    Ja, es gibt Landsleute, die sich gegen jede Norm und jedes Gesetz benehmen.
    Aber gibt es die nicht auch unter den Eingeborenen?
    Und gibt es nicht auch diejenigen Mitbürger mit Migrationshintergrund, die den gleichen Glauben haben wie die Eingeborenen dieses Landes?
    Wie haben sich Jahrhunderte vor Sprachkursen und Internet, DSDS und Telekom die Menschen unterhalten, wenn sie weit über die Grenzen ihres Landes hinaus zogen?
    Man zog entweder das Messer gegen den Fremden, oder begenete ihm mit Respekt und Neugier.
    Gesten und Mimik ersetzten eine direkte verbale Kommunikation, die durch die Jahre, die man in gegenseiteigem Respekt verbrachte aber allmählich möglich wurde.
    Wir leben in aufgeklärten Zeiten?
    Ich glaube eher, wir leben in einem technisierten Mittelalter.
    Mimik, Gesten und Respekt sind durch verbale Klingen ersetzt worden, deren Wunden schlechter heilen, als ein Schnitt in dem ein fiebriger Wundbrand wütet.


    (Mit freundlicher Genehmigung von Kemal Yldirim, 16 Jahre)


    LG


    Dirk67

  • Danke Dirk....das Referat sollte jeder auswendig lernen müssen. :hau


    Dennoch verdeutlicht es den tiefen Graben zwischen den Kulturen, der leider durch Sprachbarrieren nicht geringer wird, sondern nur noch mehr gegenseitiges Misstrauen schürt.


    AM ANFANG WAR DAS WORT :duden


    euer hef

  • Zitat

    Ich kämpfe jeden Tag um Wissen, wachse mit zwei Sprachen auf, lerne drei weitere in der Schule ... und weiß trotzdem nicht, wo meine Heimat ist.


    Ich glaube, ich mag den "kleinen" Kemal. :-)

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


    *Bestellungen bei Amazon bitte über Forumlinks (s. Eulen-Startseite) tätigen, um so das Forum zu unterstützen.*

  • ...hier ein paar subjektive Fakten zum Thema: meine Frau, 60, Lehrerin an einer Ganztagshauptschule, meine jüngste Tochter 28, dto.


    Beide mit einem hohen Migrationsanteil von Russen und Türken kommen zu dem erstaunlichen Ergebniss....hört...hört...dass die fleißigsten Schüler in ihren Klassen...na ratet mal :gruebel
    ...die türkischen und russischen MÄDCHEN sind. Sie liegen sogar 20 % über den Deutschen mit der Empfehlung zu weiterführenden Schulen.


    Der Integrationsprozess findet also schon längst statt. Wozu da noch diskutieren?


    euer hef