Kurzbeschreibung:
Neben ihrem Fuß die ersten Blutspritzer. Verschmiert, zertreten. Sie musste hineingetreten sein, sie hatte Blut an den Sohlen, überall Blut, eine riesige Pfütze, eine stinkende Pfütze, und sein rechter Arm, ausgestreckt, als wolle er nach ihr greifen...
Nach einer katastrophalen Liebschaft mit einem international gesuchten Anlagebetrüger ist Christina Vonderwiese in ihre Heimatstadt Düsseldorf zurückgekehrt und versucht, als Biografieschreiberin Fuß zu fassen. Gleich ihr erster Auftrag bringt sie auf die Spur eines Skandals: Im Stadtmuseum wird ein berühmtes expressionistisches Gemälde präsentiert, das die Familie ihres Auftraggebers während der Nazizeit versteckt hatte. Seit Kriegsende galt es als verschollen und Christina ist sich sicher, dass bei seiner Wiederentdeckung nicht alles mit rechten Dingen zuging. Dann wird ihr wichtigster Informant ermordet. Die Kripo verdächtigt Christina, und ihrem Onkel, dem frisch pensionierten Kommissar Zeitz, bleibt gar nichts anderes übrig, als auf eigene Faust zu ermitteln.
Über die Autorin:
Carla Rot wuchs im Sauerland auf und studierte an der Ruhr-Universität Bochum Biologie. Nach einem Forschungsjahr in England zog sie nach Berlin, wo sie heute als freie Übersetzerin und Autorin lebt. Sie schreibt Sachbücher, Erzählungen und Romane, häufig mit fantastischem Einschlag.
Meine Meinung:
Mit „Patentlösung“ ihrem ersten Krimi in der Düsseldorfer-Regional-Reihe des Droste Verlages hat Carla Rot mich schon begeistert. Mit „Blutasche“ setzt sie jetzt gekonnt noch einen drauf. Die Figuren sind noch vielschichtiger als in „Patentlösung“ und die Konstellation zwischen Onkel und Nichte eine ganz besondere: die von Polizei und Presse verdächtigte und gedemütigte Christina reagiert misstrauisch und abweisend auf die Hilfsangebote von Ex-Kommissar Zeitz, ein Misstrauen, durch das sie sich selbst noch mehr in Schwierigkeiten bringt. Zeitz selbst muss bei seiner Nichte taktisch vorgehen, muss jede Frage und Annäherung abwägen, was seine Ermittlungsarbeit nicht gerade erleichtert.
Christinas konfliktbeladene Vergangenheit sorgt für viel Subtext in den zwischenmenschlichen Beziehungen und im ohnehin schon spannenden und wendungsreichen Mordfall, was die Spannung zusätzlich steigert. Geschickt entblättert die Autorin nach und nach was vor dem Romanbeginn passiert ist, warum Christina ihre Existenz verloren und sich in ihre Heimatstadt geflüchtet, warum sie nichts mehr zu verlieren hat. Und mehr als einmal packen auch den Leser die Zweifel an dieser Christina Vonderwiese. Können wir ihr trauen? Ist sie nur aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen so verstockt? So wenig kooperativ? Oder steckt mehr dahinter? Durch diesen klugen Kniff macht die Autorin ihre Hauptfigur zu einer Laienermittlerin mit ganz eigenen Motiven.
Rot ist ganz nah an ihren Figuren dran, die nicht einfach nur das „funktionale“ Personal eines Krimis sind. In „Blutasche“ wird die Faszination der Autorin an den „Abgründen“ in den zwischenmenschlichen Beziehungen deutlich - und genau das macht ihre Figuren so vielschichtig und lebendig, setzt sie positiv von anderen Krimis ab. Toll eingefangen auch die Grabenkämpfe im Polizeipräsidium zwischen Schelling und Brinckmann, die Ex-Kommissar Zeitz als Außenstehender nun ganz anders wahrnimmt und auch für seine Zwecke zu nutzen weiß.
Wie immer runden bei Carla Rot ihre schöne, präzise Sprache und ihr genauer Blick für Details den großen Lesegenuss ab. Da wundert es mich schon ein bisschen, dass so eine erstklassige Krimiautorin nicht längst einem breiteren Publikum bekannt ist. Allerhöchste Zeit(z) wäre es!
"Blutasche" von Carla Rot (Droste Verlag, September 2010)
Liebe Grüße
Lille