Die Donnerstagswitwen - Claudia Pineiro

  • Gebundene Ausgabe: 314 Seiten
    Verlag: Unionsverlag; Auflage: 1., Aufl. (Juli 2010)
    Originaltitel: Las viudas de los jueves
    Preis: € 19,90


    Kurzbeschreibung
    Fünfzig Kilometer vor den Stadttoren von Buenos Aires lebt hinter hohen Sicherheitszäunen eine kleine elitäre Gemeinschaft. Ihre Sorgen scheinen sich in der Sommerhitze und deren Folgen für den örtlichen Golfplatz zu erschöpfen. Unter der schönen Oberfläche jedoch schwelen Konflikte, die auch vor den Siedlungszäunen nicht halt machen: Untreue, Alkoholsucht und Ehezwist. Zudem bekommt selbst die privilegierte Gated Community die Auswirkungen der Wirtschaftskrise mit aller Wucht zu spüren. Doch anstatt die Ärmel hochzukrempeln, gehen drei Familienväter einen eigenwilligen Weg, um ihren Lieben den hohen Lebensstandard zu sichern. Ihre Leichen werden am Grund des Swimmingpools gefunden
    Die Donnerstagswitwen ist das Porträt einer Gemeinschaft, die über ihre Verhältnisse lebt und tödliche Geheimnisse zu verbergen hat. Der preisgekrönte Bestseller ist bereits in vierzehn Sprachen zu lesen und wurde 2009 von Marcelo Piñeyro fürs Kino verfilmt.


    Über die Autorin
    Claudia Piñeiro, Shootingstar der argentinischen Literatur, wurde 1960 in Buenos Aires geboren. Nach dem Wirtschaftsstudium wandte sie sich dem Schreiben zu, arbeitete als Journalistin, schrieb Theaterstücke, Kinder- und Jugendbücher und führte Regie fürs Fernsehen.


    Meine Meinung:
    In der Siedlung Altos de la Cascada Country Club lebt eine illustre, priviligierte Gesellschaft. Geschützt durch Zäune, Wachpersonal und andere zweifelhafte Annehmlichkeiten gestalten sie ihr Leben zwischen Golf, Tennis, Wohltätigkeitsveranstaltungen und gemeinsamen Abendessen.
    Alle sind irgenwie befreundet, wobei dieser Begriff hier so weit gefasst ist, dass er einen letztendlich einengt. Man achtet darauf was der Nachbar macht, andere sorgen dafür das das "Country" unter sich bleibt:


    "Aber ich habe ja an sich nichs gegen die, mit den Urovichs sind wir schließlich eng befreundet, nur wenn es zu viele werden, also das finden wir nicht so gut, sonst haben wir hier in ein paar Jahren Klein-Jerusalem. Und das vor unserer Haustür."


    Entgleisungen gibt es keine (zumindest nicht öffentlich) und der Wohlstand der Neunzigerjahre verschafft einem doch immer wieder einen Lustgewinn:


    "Es gab nichts Schöneres, als die Anzahl der Quadratmeter des eigenen Grundbesitzes mit dem aktuellen Quadratmeterpreis zu multiplizieren - der reinste algorithmische Orgasmus"


    Dass der Ehemann fremdgeht, darüber sieht man hinweg und sagt auch nichts, schließlich braucht man ja ein neues Scheckheft.
    Doch was passiert wenn die fetten Jahre vorbei sind? Was geschieht mit Männern die jahrelang für nichts Argumente brauchten, denn sie hatten ja schließlich die Macht, Männer aus den Chefetagen die plötzlich keinen Job mehr haben?
    Es ist nicht vorstellbar dass die Kinder auf ihre privaten Tennisstunden verzichten, die Ehefrauen auf die wöchentlichen Massagen und Gymnastikstunden. Nicht, wenn sie ihren gewohnten Lebensstil beibehalten wollen.


    Claudio Pineiro führt den Leser so geschickt durch diesen Roman dass er erkennt was sich da am Horizont auftürmt, dass sich hinter all der glänzenden Fassade und dem zur Schau stellen eines perfekten, glücklichen Familienlebens, Abgründe auftun.
    Einzig dass der Roman mal aus der Ich-Perspektive und dann wieder aus der personalen Sicht erzählt wird hat mich anfangs irritiert. Aber man gewöhnt sich daran.


    Tolles Buch - 9,5 Punkte

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    auf Frau Willi ist doch immer wieder Verlass. Ich hab das Buch zwar erst zur Hälfte durch, kann aber bisher ein hohes Suchtpotential nicht verleugnen...


    Das freut mich sehr!

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • so, ich bin durch, und weiß nicht so recht...
    Gelesen habe ich das Buch ja sehr gerne, dieses Milieu der Gated Communities finde ich faszinerend und auch spannend, wie Menschen so ticken, deren Daseinszweck zu sein scheint, möglichst viel Geld zu verdienen.
    Dennoch bin ich im Nachhinein ein wenig enttäuscht. Zum einen, weil die Figuren genau das taten, was ich mir in dieser Gesellschaftsschicht so vorstelle: sich um den Rasen sorgen, den gerade noch finanzierbaren Wagen fahren, die Kinder mit allen Mitteln durch die Schule triezen. Ansonsten sind alle weitestgehend denkbefreit und unreflektiert. All das schien mir zu oberflächlich, so wie man sich "die" eben vorstellt.
    Wie angesichts der Wirtschaftskrise die Lage im vermeintlichen Paradies langsam eskaliert, war zwar gut komponiert, die Auflösung am Ende passte für mich dann aber doch nicht so richtig.
    Und schließlich hatte ich auch streckenweise mit der Sprache so meine Probleme:
    Er kam die Treppe herunter. Er ging in die Küche. Er öffnete den Kühlschrank. Er nahm eine Flasche. Er trug sie zum Tisch. :yikes Ist das ein Stilmittel?


    Deshalb würde ich sagen: ein nettes Buch, das ich meistens gerne gelesen habe, aber der ganz große Wurf war das für mich nicht.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Oh je, was ist passiert zwischen "hohes Suchtpotenzial" und "nettes Buch"? Ist es für dich tatsächlich so abgeflacht? :-(

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von FrauWilli
    Oh je, was ist passiert zwischen "hohes Suchtpotenzial" und "nettes Buch"? Ist es für dich tatsächlich so abgeflacht? :-(


    Ganz schwierige Frage :rolleyes. Das Buch ist eigentlich nicht abgeflacht. Wie soll ich sagen, irgendwie hat der Roman in mir die Erwartung geweckt, da werde noch mehr kommen (frag mich nicht, was), weshalb ich ja so scharf drauf war, weiterzulesen.
    Am Ende war ich dann irgendwie enttäuscht, denn obwohl die meisten Beteiligten, zumindest finanziell, in die Krise rutschten, kam für mich das Dramatische dieser Situation nicht so richtig rüber, die Figuren muddeln weiter vor sich hin. In dieser Hinsicht fand ich dann auch die Auflösung schwach.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • „Wir wollten lieber eine Mauer. Das hält nicht bloß fremde Menschen fern. Wir brauchen auch nicht mehr zu sehen, was draußen los ist.“


    „Die Donnerstagswitwen“ leben mit ihren Familien in Altos de la Cascada, einer in sich abgeschlossenen und eingezäunten Siedlung nahe Buenos Aires. Sie sind Donnerstagswitwen, da sich ihre Männer jeden Donnerstag ohne die Frauen treffen und dem Alkohol und Kartenspiel frönen.


    Eines Tages jedoch sind drei Frauen mehr als nur „Donnerstagswitwen“, denn die Leichen dreier Männer werden auf dem Grund eines Swimmingpools der Siedlung gefunden. An dieser Stelle beginnt die Autorin ihre Geschichte und entführt den Leser in Rückblicken in die Welt einer selbsternannten elitären Gesellschaft wie sie schauerlicher nicht sein könnte.


    In Altos de la Cascada leben nur besondere Familien, die es sich leisten können in Sicherheit zu leben, Hauspersonal zu beschäftigen und Golf und Tennis zu spielen. Hier dreht sich alles nur um Luxus, Sport, Wirtschaft, den neuesten Klatsch und Tratsch. Frauen müssen hier nicht arbeiten, höchstens zum Vergnügen. Eine Ausnahme bildet Virginia, die als Immobilienmaklerin tätig ist und von deren Einkommen auch ihre Familie abhängig ist, nachdem ihr Mann Ronnie seine Arbeit verloren hat. Durch ihre Tätigkeit jedoch hat Virginia auch Einfluss darauf wer in Altos de la Cascada ein Haus erwerben kann. In der Gemeinschaft ist nämlich nicht jedermann gerne gesehen. Hautfarbe, Religion und andere Kriterien spielen hier durchaus eine Rolle.


    Hinter der Fassade der einzelnen Familien der Siedlung sieht es meist anders aus als nach außen. Kinder sind nur nötig, weil man sie eben hat, Frauen werden geschlagen, die Sorgen und Nöte der Armen nur beachtet, weil man das eben als Pflicht ansieht. Der Schein trügt und als eine Wirtschaftskrise heraufzieht, geht es auch den Bewohnern des Countrys an die Tasche. Nun gilt es den Schein zu wahren, den Lebensstandard zu halten. Hierfür ist jedes Mittel recht. Man borgt sich untereinander Geld, tätigt Anschaffungen, die man sich eigentlich gar nicht leisten kann, fährt zur Arbeit, obwohl man eigentlich keine mehr hat und vieles mehr.


    Die Autorin zeichnet hier ein Bild einer Gesellschaft, die nicht bereit ist Abstriche zu machen. Menschen, die in einer Realität weiterleben, die es gar nicht mehr gibt.
    Die Handlung und der Blick auf die Siedlung werden aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben. Zum einen erzählt Virginia aus ihrer Sicht und zum anderen berichten die Bewohner oder ein Teil der Bewohner des Countrys unter der Bezeichnung „Wir“. Die Erzählung ist detailliert und auf den Punkt gebracht und führt dazu, dass sich in den Augen des Lesers diese Gesellschaft selbst durch ihr Denken und Handeln bloßstellt.


    Und nach und nach führt die Handlung den Leser des Buches auch wieder zurück an den Anfang und damit zu den drei Leichen im Swimmingpool. Was sich hinter diesen Toten verbirgt ist dann der Gipfel der Oberflächlichkeit.


    Die „Donnerstagswitwen“ ist ein gesellschaftskritisches Buch, dessen Handlung zwar in Argentinien spielt, sich aber so oder in ähnlicher Form überall in der Welt zutragen könnte. Man mag sich an die Sprichwörter „Hochmut kommt vor dem Fall“ und „ Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis“ erinnert fühlen.

  • Mir hat dieser Roman solala gefallen. Anfangs war ich noch sehr angetan, die Milieuschilderung dieser gehobenen Mittelschicht in ihrer elitären Gated Community mit dem Zwang, nach außen hin heile Welt zu spielen, hat was. Im Fortlauf allerdings ging mir zum einen die sprachliche Ausgestaltung ziemlich auf die Nerven (eine Aneinanderreihung von Hauptsätzen), zum anderen hatte ich - wie DraperDoyle - beständig das Gefühl, da müsse plottechnisch doch noch etwas kommen.
    Die Auflösung am Ende ist zwar nicht an den Haaren herbeigezogen, so richtig überzeugend oder als Romanende würdig war´s aber auch nicht.