literarische Weltreise: Norwegen
Zweiter Teil der Neshov-Trilogie
Was bisher geschah: Die alte Matriarchin des Hofes Neshov ist gestorben und hat so dafür gesorgt, dass die in alle Himmelsrichtungen verstreute Familie wieder auf dem Familiensitz zusammenkam und dabei gleich ein Familiengeheimnis gelüftet wurde.
Nun hat sich das Leben wieder normalisiert: Tor und sein Vater betreiben die heruntergekommene Schweinezucht weiter, sein Bruder Erlend lebt wieder lustig und fidel mit seinem Lover in Kopenhagen und Bruder Margido betreibt weiterhin sein Beerdigungsinstitut. Tors Tochter Thorunn, die erst anlässlich des Todes ihrer Großmutter von ihrer Familie väterlicherseits erfuhr, hat sich in Oslo eine bescheidene Existenz aufgebaut, aber ihre permanente Fehlgriffe in Sachen Männer und auch ihre hysterische Mutter tragen nicht unbedingt zu ihrem Wohlbefinden bei.
Das ist jedoch alles nur die Ruhe vor dem Sturm, schon bricht die nächste Katastrophe über die Familie herein: nach einem Unfall ist Tor arbeitsunfähig, der Hof muss aber weiterbetrieben werden, und so muss sich jedes Familienmitglied über seine Verpflichtung gegenüber dem Familienerbe und über seine eigene Lebensvorstellung klar werden.
Wie schon im ersten Teil, wird auch in diesem Buch eine Atmosphäre heraufbeschworen, die das vergiftete Miteinander auf dem Familienhof richtiggehend greifbar macht. Das liegt teilweise an den vollständig unterschiedlichen Lebenskonzepten und Temperamenten: Tor, ein dickköpfiger norwegischer Bauer, sparsam bis zum Geiz und vollkommen humorbefreit und im Gegensatz dazu Bruder Erlend, der fast schon was von einer Dragqueen hat, Margido, der seinen Glauben wiedergefunden hat und sich streckenweise wie ein wiedergeborener Evangelikaler aufführt, der Vater, ein schmuddeliger Alter, den eigentlich nur noch die Mahlzeiten und das Fernsehen interessieren. Dazwischen reibt sich Thorunn auf, die den Hof zwischenzeitlich übernimmt, aber unter der Last der Erwartungen fast zusammenbricht.
Das alles ist aufs Feinste komponiert (obwohl mir Erlends und Krummes Geschichte manchmal doch zu kitschig und rosarot vorkam), die Charaktere sind so klar (aber keineswegs einseitig), dass jede Eskalation zwangsläufig auf ihren Höhepunkt zusteuert und die Geschichte wird so fesselnd erzählt, dass selbst der gemeine Stadtmensch für einige Stunden vollkommen in die Welt eines altmodischen Schweinebauerns abtaucht.