Erschienen 07/2010
205 Seiten
ISBN 13: 978-3451302046
Kurzbeschreibung:
Die Gewalttäter werden jünger, brutaler, skrupelloser und die Gesellschaft mit diesem Problem hilfloser. Die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig war nicht bereit, das hinzunehmen. So wollte sie nicht akzeptieren, dass bei Jugendlichen zwischen Straftat und Gerichtsverhandlung viele Monate vergehen und entwickelte das Neuköllner Modell. Hier findet nach einfachen Delikten von Jugendlichen innerhalb von drei Wochen die Gerichtsverhandlung statt. Die schnellen Strafen haben damit einen größeren Wirkungseffekt bei Tätern und Opfern. In ihrem Buch "Das Ende der Geduld" erläutert sie das Modell und deren Durchsetzungsweg, beschreibt Lebensläufe jungendlicher Krimineller, schildert Straftaten und Verfahren, benennt die Situationen an Schulen, Jugendämtern und der Polizei. Heisig liefert Fakten und aber auch Lösungsvorschläge, wie z.B. die Vernetzung von Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendamt, Schulen, Behörden, Institutionen und Eltern funktionieren sollte. Dabei wirft sie auch einen vergleichenden Blick ins europäische Ausland. Im ihrem Buch fordert die Richterin die Beseitigung von Handlungsdefiziten und eine ehrliche und notwendige Debatte in der Bekämpfung von Jugendkriminalität. Kirsten Heisig verstarb unerwartet Ende Juni 2010 in Berlin.
Über den Autor:
Kirsten Heisig, geb. 1961, verstarb Ende Juni 2010 in Berlin. Sie war Jugendrichterin, das von ihr wesentlich initiierte sog. »Neuköllner Modell« zeichnet sich vor allem aus durch Prävention, Abschreckung, Konsequenz und Schnelligkeit.
Meine Meinung:
Gerne würde ich schreiben, das ist ein Buch was die Welt nicht braucht, den jeder weiß doch was da beschrieben wird- offenbar schön wärs. Nicht von ungefähr war dies bis zum Erscheinen des ja im Kern des Themas nicht so weit entfernten Buches von Herrn Sarrazin Nr. 1 der Verkaufsliste.
Was haben diese Käufer also erwartet? Die Aussagen einer „Richterin Gnadenlos“? Einer die den kriminellen Ausländern mal wieder so richtig zeigt wo es langgeht? Solche Erwartungen erfüllt die Autorin nicht. Auch wenn der Untertitel des Buches anderes suggeriert - hier geht es um Hilfe für Jugendliche, nicht um "Draufhauen".
Die Autorin war eine engagierte Frau, eine die ihren Richterstuhl verlassen hat, zu Schulen , zu Polizeidienststellen und zu Jugendamtsmitarbeitern hingegangen ist. Die sich die Zustände in ihrem Kiez nicht nur aus den Akten angesehen hat sondern sich eingemischt hat- unbequem war die Prävention vor die Strafe stellen wollte und deren Credo war die beste Prävention vor Kriminalität ist Bildung und Zukunftsperspektive für Kinder und Jugendliche.
Ich bin bestimmt kein Fan von Verschwörungstheorien, aber Verständnis dafür, das Menschen behaupten diese Frau wurde ermordet habe ich nach diesem Buch. Diese Autorin auf allen Kanälen, in allen Talkshows hätte sicher einigen nicht gepasst, weder den kriminellen Banden, die sie benannt hat, noch denen für die eine bestimmte Form der political correctness Wegschauen vor Problemen ist. Denn ja- auch wenn die obengenannten Erwartungen nicht erfüllt werden, Frau Heisig erzählt von den Fällen, wo deutschstämmige Kinder von Kindern die zwar die deutscher Staatsangehörigkeit besitzen aber verwurzelt sind in ihrem Migrationshintergrund beschimpft werden mit Sätzen wie „Deutsche können nur vergast werden“ oder „Bald gibt es Euch nicht mehr und wir entscheiden hier“, Sie erzählt aber auch von den zerrütteten deutschen Familien, deren Kinder in Hoffnungslosigkeit aufwachsen und als Berufswunsch angeben „Ich werde Hartz IV“. Sie schreibt von ihren Erfahrungen im Gerichtsaal und außerhalb, von Jugendlichen, die Gewalt anwenden ohne jede Hemmung und ohne jedes Mitleid, von 12 jährigen Dealern, an denen die Behörden verzweifeln, von der Hilflosigkeit der Gesellschaft und von dem Wegschauen der Menschen.
Die richtige Frage stellt sie dabei aber nicht- die Frage was können wir, die Leser an der Situation ändern. Vielleicht hat sie ihr Buch gar nicht so groß gemeint, wie es jetzt gemacht wird und es war mehr für Kollegen, für Juristen- den für die entwickelt sie praktikable Lösungsansätze und greift dabei eigentlich nur ein Tabu an. Sie hält eine frühzeitige Zusammenarbeit der Behörden der Familienvorsorge und der Polizei und der Schulen für unverzichtbar und fordert daher „Kinderschutz vor Datenschutz“. Ansonsten wehrt sie sich sehr wohl gegen den Reflex des Geschreis nach dem Gesetzgeber- eine Verschärfung der Gesetzes löst keine Probleme.
Wichtig ist ihr auch das von ihr wesentlich entwickelte „Neuköllner Modell“ – ein Konzept jugendlichen (Erst-) Tätern schnell Konsequenzen aufzuzeigen und nicht erst Monate nach der Tat eine Hauptverhandlung stattfinden zu lassen, bei der der Jugendliche schon wirklich fast nicht mehr weiß was da vorgefallen ist und warum. Sie plädiert für eine schnelle Reaktion- wie bei jeder normalen Familie, bei der Eltern auch nicht sagen „du durftest nur bis acht abends wegbleiben und jetzt ist es elf. In fünf Monaten erklären wir dir, was wir als Erziehungsmaßnahme einleiten, damit du das nicht wieder tust“. Dieses Modell des beschleunigen Verfahrens in einfach gelagerten, noch niedrigschwelligen Kriminalitätsfallen wurde tatsächlich für ganz Berlin ab Juli eingeführt- eigentlich ein voller Erfolg für die Autorin.
Formal muß man dem Verlag vorwerfen, dass das Buch eine sprachliche Überarbeitung auf eine breitere Zielgruppe vertragen hätte. Es liest sich für mich sehr vertraut. Die Autorin ist eben keine Schriftstellerin sondern schreibt Gerichtsurteile und so baut sie ihr Buch auf- Tatbestand und rechtlich Erwägungen, sozialer Hintergrund, Entscheidungsgründe und Strafzumessung, so liest sich der Text auch für ein Sachbuch recht sperrig.
Zusammenfassend möchte ich jedem eine Leseempfehlung aussprechen und dazu gleichzeitig jedem die Überlegung nahelegen sich selbst und die berühmten Kennedyzitate „Frage nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“ und „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, keine Bildung“ vor Augen zu halten. Kirsten Heisig hat besseres verdient als Nachruf als hohe Verkaufszahlen für ihr Buch und eine Beerdigung ihrer Ideen.