Die Radleys - Matt Haig

  • Ich muss ja gestehen, daß mir das Cover der gebundenen Ausgabe deutlich besser gefällt, es ist dezent und doch aussagekräftig. Aber schließlich kommt es ja auf den Inhalt an.
    Die Radleys mögen zwar auf Blut verzichten und das "Handbuch für Abstinenzler" auf dem Nachtschrank liegen haben, aber sie sind bei weitem nicht so kuschelig wie ihre Artgenossen in den "Biss"-Romanen Stephenie Meyers. Tatsächlich schlagen sie sich mit einer ganzen Reihe von Problemen herum, die auch Normalsterblichen zu schaffen machen: die Organisation des Alltags, eine schal gewordene Ehe, die ganz normalen Teenager-Probleme der Kinder und die Frage, was es zum Diner geben soll, wenn die Nachbarn kommen. Die seufzende Romantik einiger Vampir-Schmonzetten sucht man hier vergebens, hier regiert der graue, ganz normale Alltag.
    Als aber Clare eines Tages in Notwehr zubeißt, sieht ihr Vater keine andere Lösung, als seinen Bruder zu Hilfe zu rufen. Und der ist nicht nur seit Jahren in seine Schwägerin Helen verliebt, sondern vor allem ein Vampir vom alten Schlage, der einem Horrorroman entsprungen sein könnte - und zwar einem besonders bluttriefenden.
    "Die Radleys" fängt so harmlos an und legt dann zu - und zwar an Spannung, aber auch an Witz. Leider geht die Spannung immer wieder verloren, wenn etwa Rowan seinen depressiven Gedanken nachhängt oder aber Will immer wieder verliebt an Helen denkt.
    Auch das Lachen bleibt dem Leser ab und an im Halse stecken, zu traurig ist im Grunde die ganze Situation: die Ehe steht kurz vor dem Ende, Helen und Peter haben sich schon lange auseinandergelebt und versuchen krampfhaft, den Schein zu wahren. Es ist also keineswegs ein so witziger Roman, wie der Klappentext verspricht.
    Das Gesamtbild jedoch machts und das läßt den Roman dann wieder stimmig werden: trotz aller Schwierigkeiten sind die Personen nämlich sympathisch und man wünscht ihnen alles Gute (na ja, außer Will vielleicht). Aber kann es für Vampire ein HappyEnd geben, nachdem sie geoutet sind?
    "Die Radleys" ist ein etwas anderer Vampirroman, der die gängigen Klischees vermeidet - und gerade deshalb besonders lesenswert ist.

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Ich bin überrascht wie hier die Meinungen auseinander schweifen. Im Moment bin ich in der Mitte des Buches und noch recht unentschlossen ob es mir gefällt oder nicht.

    Diese Eintrag wurde bisher 47 mal bearbeited, zultzt gerade ebend, wegen schwere Rechtsschreipfeler.

  • Meine Rezension
    Willkommen bei den Radleys, einer spießigen Familie, die in einem englischen Kaff lebt. Doch wenn man die Familie näher betrachtet, dann sind sie irgendwie anders als ihre Nachbarn: sie benehmen sich manchmal recht eigenartig, Tiere flüchten vor ihnen, selbst bei schlechtem Wetter brauchen sie einen hohen Lichtschutzfaktor und haben dennoch Hautausschlag. Schnell zeigt sich, was die Eltern bisher vor ihren Kindern geheim hielten: sie sind abstinente Vampire. Zwar töten sie nicht, doch ganz abstreifen können sie die Begleiterscheinungen des Vampirdaseins doch nicht. Als eines Tages Clare von einem Jungen angefallen und belästigt wird, wächst sie über sich hinaus – mit weitreichenden Konsequenzen…


    Ich bin definitiv KEIN Fan des Vampirgenres – im Gegenteil, mit den wildwütigen Beißern kann man mich jagen bis zum Horizont. Doch bei diesem Buch ist es anders. Ich hatte es schon mehrfach in der Hand und mich jedes Mal schon beim Anlesen amüsiert. Doch die Zweifel blieben und ich habe es mir nie selbst gekauft. Selbst ausgeliehen lag es hier noch geraume Zeit im Schrank *schäm*, bevor ich es nun endlich angriff. Und was soll ich sagen? Ich habe mich ganz herrlich amüsiert!


    Zu schön sind die Bemühungen der Radleys um Normalität und gesellschaftliche Akzeptanz. Beinahe gelingt es ihnen auch, wenn nicht dieser Idiot die arme Clare angegriffen hätte, die bis zu diesem Moment keine Ahnung von ihren Kräften hatte… daß sie damit ein wahres Chaos entfesselt und sogar den ungeliebten Onkel Will, das schwarze Schaf der Familie, auf den Plan ruft, ahnt sie zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Wie soll das alles nur enden. Und: kann es denn ein Happy End geben, wo nun alle Geheimnisse zwangsweise offenbart wurden und Clare und ihr Bruder Rowan auf den Geschmack des Blutes gekommen sind?


    Ich fand die Geschichte sehr schön erzählt, es ist eine bunte Mixtur aus lustigen, schrägen, ernsten und düsteren Momenten. Eine Geschichte vom Anderssein in einer rigiden Welt, aber auch von Freundschaft, Liebe und Familiensinn. Ich fand, daß in diesem Buch doch tatsächlich mehr steckt als „nur“ eine abgefahrene Vampirgeschichte. Mir hat es wirklich ausnehmend gut gefallen und ich bin schon sehr gespannt darauf, was wir von diesem Autor noch zu lesen bekommen.


    Der einzige Haken am Buch: Ich hatte es nur ausgeliehen und muß es wieder zurückgeben.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Eigentlich hatte ich gehofft, dass mir jemand anderes zuvorkommt, damit nicht zwei Rezis von mir genau untereinander stehen. Aber egal. :lache


    Ich habe mich auch gefragt, ob ich überhaupt noch mal eine Rezi verfassen soll, schließlich habe ich es 2012 schon einmal gelesen und die Rezi von damals steht gleich über dieser. Aber ich finde es spannend, nach so vielen Jahren noch einmal meine Leseeindrücke zu Papier zu bringen.


    Die Radleys sind eine Familie, die in einem kleinen englischen Ort lebt. Sie möchten gerne so unauffällig leben wie alle anderen. Doch irgend etwas ist anders bei ihnen: so flüchtet z.B. jedes Tier vor Tochter Clara und Sohn Rowan hat trotz LSF60 stets schlimme Hautausschläge. Was die beiden Teenager nicht wissen: sie sind Vampire. Ihre Eltern haben sich entschlossen, abstinent zu leben, und tun alles, was ihnen nötig erscheint, um sich einen „normalen“ Anschein zu geben. Doch ihre Kinder wissen das nicht und leiden unter ihrem Anderssein, das auch dazu führt, dass sie von anderen Teenagern, vornehmlich den beiden Dorfrüpeln Toby Felt und Stuart Harper gemobbt werden.


    Als es eines Tages wenig überraschend zu einem Vorfall kommt, ruft Helen Peters Bruder Will zu Hilfe, denn anscheinend kann nur er die Lage wieder bereinigen. Doch damit fängt der Ärger erst so richtig an, denn Will ist ein sehr aktiver Vampir und dann gibt es da auch noch Dinge aus der Vergangenheit, über die anscheinend noch lange nicht so viel Gras gewachsen ist, wie es sollte...


    Ich habe dieses Buch kurz nach dem Erscheinen bereits einmal gelesen und es hat mir schon damals gut gefallen. An den Inhalt konnte ich mich nach so langer Zeit nicht mehr erinnern, aber diese LR war für mich die Gelegenheit für einen Re-Read.

    Auch beim zweiten Mal Lesen hat mir das Buch sehr gut gefallen. Ich mochte die Familie Radley sehr. Bei ihrem Bemühen um Normalität und Akzeptanz haben mir die Eltern sehr leid getan, während ich die Kinder wegen ihrer Ausgrenzung bemitleidete. Sie spürten jeden Tag, dass sie anders sind als die anderen, aber sie hatten weder eine Erklärung noch eine Lösung dafür.


    Schließlich passiert, was man eigentlich von der ersten Seite an schon ahnte: es kommt zu einem „Vorfall“, bei dem Helen sofort Peters Bruder Will – zu dem aus gutem Grund schon seit vielen Jahren kein Kontakt mehr bestand – zu Hilfe ruft. Damit wird die Büchse der Pandora geöffnet und die Familie muss sich – was sie eigentlich schon längst tun hätten sollen – mit ihrem Vampirismus und ihrem künftigen Umgehen damit auseinandersetzen.


    Ich finde auch, dass es hier nicht „nur“ um eine Vampirgeschichte geht, sondern dass viel mehr hinter der vordergründig oft lustigen Geschichte steckt: Das Ringen um Anerkennung und Normalität in der Gesellschaft. Aber auch der Kampf Helens und Peters um ihre Ehe und ihre Familie. Es geht um Ablehnung dessen, was einen ausmacht, aber auch um das, was eine Familie zu einer Familie macht. Jeder der Beteiligten hier hat Probleme, mit denen er anders umgeht. Letztlich kann man hier statt des Vampirismus so viel anderes einsetzen, er ist für mich hier auch eine Metapher für ganz viele andere Dinge.


    Klasse Buch, auch nach 12 Jahren noch. Das letzte Mal hatte ich es mir nur ausgeliehen, diesmal habe ich es mir für die LR gemedimopst, diesmal darf es im Regal bei mir bleiben.


    Auf jeden Fall neun sehr gute Eulenpunkte und eine klare Leseempfehlung für ein Buch, das so viel mehr ist als nur eine witzige Vampirgeschichte.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)