'Die Rache des Kaisers' - Seiten 001 - 098

  • Das ist ein Buch, das wäre heute abend ausgelesen, hätte ich den die Zeit dazu. Trübes Wetter- Samstag, eigentlich ideale Voraussetzungen, aber ich muß zu einer Beerdigung und ausserdem warten noch die posturlaubsbedingten Aktenstapel auf mich.


    Das Buch hat eine schöne Aufmachung, ich liebe Schriftbändchen. Ein Karte Europas vorne und hinten auf dem Einband, gutlesbare Schriftgröße und ein Zeilenabstand der das LEsen angenehm macht.


    Seltsam ist, jahrelang liest man nichts über die Zeit des Bauernkrieges und dann könte man in der Anfangsszene von Dübell oder Haefs seinen Simplicissimus wiederfinden oder stößt auf Geschichten aus dem Bauernkrieg bei Deana Zinßmeister, mnachmal liegen Themane offenbar in der Luft- auch wenn kein verkaufsförderndes Jubeljahr bevorsteht.


    Ich bin sehr schnell in das Buch hineingekommen, auch wenn der Erzähler Lücken lässt. Manche LEser haben prinzipiell was gegen "ich- Erzähler" mich stört es bei diesem Buch gar nicht, das funktioniert das Kopfkino prächtig.

  • Im ersten Kapitel sind wir Zeuge, wie ein 15 jähriger Junge aus seinem Versteck zusehen muss, wie eine Bande die Bewohner seines Dorfes umbringt und alles zerstört. Dabei gehen ihm Gedanken zur Zeit und Gott durch den Kopf. Klingt im ersten Moment etwas seltsam für einen15 jährigen Bauernjungen. Aber es stellt sich heraus, dass der Ich-Erzähler Jakob Spengler davon in einer Rückschau erzählt, in der sich die damaligen Erinnerungen mit späteren vermischen.
    Eigentlich hat sich diese Erkenntnis erst in den letzten Jahrzehnten wissenschaftlich durchgesetzt.


    Jakob, genannt Jakko, wird von einem Griechen namens Georg, Georges oder Giorgio, genannt Jorgo gerettet und schließt sich dessen Herrn Kassem ben Abdullah, ein Muselmann, und dem zweiten Diener Abraham bzw. Ibrahim, genannt Avram, ein Jude, an.
    Eine Kombination, Christ, Moslem, Jude, die gerne in Romanen der Kreuzzüge auftaucht.
    Diese drei helfen Jakko bei der Suche nach den Anführern der Bande und unterweisen ihn dabei.


    Fünf Jahre nach dem Überfall auf das Dorf scheint die eigentliche Geschichte einzusetzen.
    Sie sind einem der 4 Anführer auf der Spur, dem mit der eisernen Hand, aber Jakko und Jorgo werden von einer Horde Bauern gefangen genommen.



    Das ist bisher sehr gut erzählt mit jeder Menge nachdenklich machenden Passagen zu u.a.


    Wie mißt man Klugheit?
    Der Grund für die Bauernunruhen
    Wie kommt man an Macht


    Zwei Worte sind mit aufgefallen, deren Bedeutung ich nur ahne.:
    Seite 23 Mitte: mürbe Füße
    Seite 88 letzer Abschnitt: Alleleirauh


    Meister Wendel Hipler ist eine reale Person



    So jetzt bin ich so richtig neugierig, wie die 2 sich aus der Sacher herauswinden bzw. wie es ihnen ergeht.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Ich finde die Aufmachung auch sehr schön, Lesebändchen sind ja leider selbst bei teureren Büchern nicht selbstverständlich. Außerdem finde ich den Namen des Verlages klasse, Page & Turner, ein tolles Wortspiel.
    Ich bin ja ein gebranntes Kind, was ich-Erzähler angeht, diese Sichtweise geht ja oft mit ominösen Andeutungen über zukünftige Ereignisse einher. Dass dies hier nicht so ist, hebt den Roman wohltuend ab. Trotzdem oder gerade deswegen empfinde ich das Erzählte sehr spannend.
    Gut gefällt mir auch, dass ich mehr über die geschichtlichen Hintergründe des Romans erfahre, ohne mich dabei belehrt zu fühlen. Jakko ist sehr überzeugend, er schafft es, die Geschichte zu erzählen, ohne auf sein zukünftiges Wissen zurückzugreifen, und wenn doch, merkt er es selbst.


    Übrigens soll ich Grüße von Gisbert Haefs ausrichten. Ich hatte ihn gestern auf den Beginn der LR hingewiesen und er hat sich prompt gemeldet. Vielleicht besteht ja doch noch die Möglichkeit, ihm die ein oder andere Frage zu stellen.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Hallo Dyke -


    Schnell die zwei "rätselhaften" Begriffe:
    a) mürbe Füße - mürbe (hängt mit zermürben, zermürbt usw.) zusammen, wird vor allem für Fleisch gebraucht - frisches Wild muß abhängen, bis es "mürbe" ist, danach kann man es braten; soll hier die Qualität bzw. das Gefühl der Füße nach langen Märschen wiedergeben.


    b) Allerleirauh - Titel eines Märchens (Grimm), bezeichnet den aus allerlei verschiedenen Fellen zusammengesetzten Mantel/Umhang. "Rauh" oder "Rauch" ist gleich Pelz, Fell; der inzwischen kaum noch gebräuchliche "Rauchwarenhändler" verkaufte keinen Tabak, sondern z.B. Pelzmäntel, und während "Reif" einfach den vereisten Tau auf Gras bzw. an Blättern, Zweigen usw. bezeichnet, ist "Rauhreif" die sehr seltene "zottige" Variante, also Reif bzw. Vereisung mit kleinen Zotteln/Fransen. Die englische Entsprechung zu "Allerleirauh" ist "coat of many colours".


    Gisbert Haefs

  • Danke schön für die schnelle Aufklärung.


    Das mit den mürben Füße habe ich mir gedacht, aber da sich die bedeutung der Worte über die Jahrhunderte gerne mal ändern, war ich mir nicht sicher.


    Und Rauh = Rauch(waren) - auf die Verbindung bin ich nciht gekommen . s.o.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Schon nach wenigen Seiten hatte ich das Gefühl, direkt bei Jakko/Jakob zu sein, so lebendig erzählt er rückblickend von den schrecklichen Ereignissen. Seine Gedanken wirken sehr glaubwürdig auf mich und ich bin vom abrupten Zeitsprung überrascht, hätte gerne ein wenig mehr erfahren. Doch diese Informationen werden ja nach und nach eingeflochten. Schön, dass er nach dem Tod seiner Familie in relativ guten Händen landete, wenn auch zunächst als Sklave.


    Die Mischung aus relativ moderner Sprache und zeitgenössischen Begriffen gefällt mir gut und liest sich sehr flüssig. Die philosophischen Überlegungen lassen mich beim Lesen immer wieder kurz innehalten, so z.B. schon auf Seite 10 als Jakko überlegt, ob es möglich ist, innerlich einzufrieren, während draußen die Zeit weitergeht.


    Ich fand es ja ein wenig leichtsinnig, dass Jakko das ganze Geld bei sich trägt. Auf der anderen Seite gab es ja auch keine sinnvolle Alternative. Immer wieder bin ich beeindruckt, wie mit wenigen, knappen Worten bzw. Sätzen soviel Atmosphäre vermittelt wird. Dass es am Ende des Abschnitts in den Odenwald geht, macht es mir leichter, da ich in jener Gegend früher oft mit dem Rad und Auto unterwegs war.


    So, und jetzt bin ich gespannt, welches Geheimnis Jakkos Vater mit ins Grab nahm und ob noch herauskommt, was in den inzwischen leider unlesbaren Dokumenten stand.


    P.S. Anfangs hatte ich irgendwie immer die Taufkapelle in Leipzig vor meinem inneren Auge, das legte sich aber schnell.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

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  • Zitat

    Original von ottifanta
    P.S. Anfangs hatte ich irgendwie immer die Taufkapelle in Leipzig vor meinem inneren Auge, das legte sich aber schnell.


    Und ich hatte zu Begiin Gisberts Stimme im Ohr, das war auch eine interessante Erfahrung, hatte ich bisher noch nie, wenn ich Passagen gelesen habe, die ich auf einer Lesung gehört habe.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)