Wintermädchen - Laurie Halse Anderson

  • Inhalt: In der Silvesternacht leisten die beiden Freundinnen Lia und Cassie einen heiligen Schwur: Sie wollen alles dafür tun, die dünnsten Mädchen der Schule zu sein. Nun ist Cassie tot und für Lia bricht eine Welt zusammen. Doch die Stimmen in ihrem Kopf werden immer lauter. Sie befehlen ihr zu hungern und Lia gehorcht - in ihrem einsamen Kampf gegen sich selbst, ihre Eltern und ihre tote Freundin, die in der Welt der Wintermädchen auf sie wartet.


    Kritik: Normalerweise wollte ich dem Buch "Wintermädchen" von Laurie Halse Anderson "nur" vier Sterne geben, doch nachdem ich nochmal eine Nacht darüber geschlafen hatte und mich das Buch und dessen Inhalt einfach nicht mehr losgelassen hat, gebe ich nun mit gutem Gewissen ganze 5 Sterne. Die Covergestaltung hat mich auf Anhieb angesprochen und auch der Klappentext hatte etwas Anziehendes. Als ich in die ersten Seiten eingetaucht war, konnte ich das 300 Seiten dicke Buch kaum mehr aus der Hand legen. Die Autorin hat eine so einvernehmliche Schreibweise, dass ich zeitweise dachte, sie hat Gedanken aus meinem Kopf geklaut. Wahnsinn, wie authentisch das Buch geschrieben ist! Wenn ich die Figuren heranziehe, komme ich aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Jedem der wenigen Protagonisten wird gerade so viel Raum gelassen, um sich so entfalten zu können, dass er dem Leser sehr schnell ans Herz wächst. Ich empfehle das Buch nicht nur denjenigen, die sich mit dem Thema "Magersucht" näher befassen wollen, sondern auch denjenigen, die endlich mal wieder ein fesselndes, spannendes und unglaublich authentisches Jugendbuch lesen möchten!

    "Katzen achten nicht drauf, welche Namen wir ihnen geben. Sie haben ihre eigenen Namen und brauchen unsre nicht. Darum schaut einen eine Katze auch immer so mitleidig an, wenn man sie beim Namen ruft, den man ihr gegeben hat, als ob man es nie lernt.

  • "Du bist nicht tot, aber lebendig bist du auch nicht. Du bist ein Wintermädchen, Lia-Lia. Gefangen zwischen den Welten. Du bist ein Geist mit Herzschlag."


    meine erwartungen an dieses buch waren sehr hoch und sie wurden (fast) nicht enttäuscht.
    es existieren wohl nicht so viele bücher, die das thema essstörung behandeln und dies in einem rein fiktiven rahmen, abseits der unzähligen autobiographien, tun. die frage nach der authenzität, die sich da sofort stellt, hat die autorin glänzend gemeistert. das gedanken- und gefühlskonstrukt der protagonistin ist sehr realistisch. als selbst betroffene maße ich mir durchaus an, das beurteilen zu können.
    der schreibstil ist fesselnd, aber gleichzeitig nicht beliebig, sondern eigenwillig genug, um im gedächtnis zu bleiben.
    einzig das "angeklebte" happy end empfinde ich als zugeständnis an den mainstreamgeschmack. das buch hätte besser 60 seiten eher mit der physischen selbstverletzung von lia geendet.
    naja, geschenkt. ein kleiner hoffnungsschimmer schadet nicht. ;-)


    wer also einen roman zur thematik lesen möchte, ist hier gut beraten. denn trotz all der authenzität kommen spannung und lesevergnügen nicht zu kurz.

  • Wintermädchen ist ein Jungedroman,der das Thema Essstörungenbehandelt. Zwei junge Mädchen schließen einen Pakt, sie wollen die dünnsten Mädchen an der Schule sein. Doch dieser Pakt endet für eine der beiden tötlich und lässt die andere selbst nach dem Tod der besten Freundin nicht mehr los.


    In diesem Buch wird sehr deutlich beschrieben, wie schnell man in den Teufelskreis der Essstörung rutschen kann und wie schwer es ist, aus diesem auszubrechen.


    Lia kann selbst nach dem Tod ihrer Freundin Cassie nicht aufhören Kalorien zu zählen und wieder zu leben wie andere Mädchen in ihrem Alter. Die tote Freundin ist allgegenwärtig und erschwert Lia den Weg zurück ins Leben.


    Das Buch "Wintermädchen" hat mir sehr gut gefallen, es hat mich von der ersten Seite an gefesselt und erst nach der letzten Seite losgelassen.
    Der Schreibstil ist sehr ansprechend. Die Geschichte ist in ICH-Form geschrieben, Gedanken von Lia werden eingeschoben, wie in einem Tagebuch werden Wörter, die Lia nicht passend erscheinen, durchgestrichen und ersetzt.
    Das Buch liest sich flüssig und dementsprechend auch schnell.


    Ich vergebe 8 Punkte (von 10).

    Es geht uns mit den Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekanntschaften, aber wenige erwählen wir zu unseren Freunden, unseren vertrauten Lebensgefährten.
    Ludwig Feuerbach (1804-1872)

  • Lia und Cassie - Freundinnen fürs Leben - so schien es zumindest, doch jetzt ist Cassie tot, mit gerade einmal 19 Jahren. Sie waren 9 Jahre alt, als sie sich kennen lernten, denn zu diesem Zeitpunkt zog Cassie mit ihrer Familie in das Haus gegenüber von Lias Familie. Sie hatten eine glückliche Kindheit, eine unbeschwerte Jugend und dennoch schworen sie sich Silvester in ihrem 14. Lebensjahr, die dünnsten Mädchen der Schule zu werden. Zu diesem Zeitpunkt war Cassie bereits an Bulimie erkrankt.


    Beide gingen für dieses Ziel bis ans Äußerste, doch als Lia 18 Jahre alt war, baute sie einen Autounfall. Im Krankenhaus wurde festgestellt, dass sie magersüchtig ist und sie wurde in eine Therapie-Einrichtung gesteckt. Zweimal war sie dort, während dieser Zeit zerbrach die Freundschaft der beiden Mädchen. Nach dem 2. Klinikaufenthalt zog Lia zu ihrem Vater und seiner neuen Familie, doch hier dreht sich alles nur ums Essen. Keiner will sie aufgeben, doch Lia selbst will immer noch dünner sein. Mit Tricks und Kniffen gelingt es ihr, ihre Familie zu täuschen.


    Eines Tages versucht Cassie Lia nach einem halben Jahr Funkstille anzurufen. Lia, die sich von Cassie im Stich gelassen fühlt, ignoriert diese Anrufe. Am nächsten Tag wird Cassie tot aufgefunden. Für Lia beginnt ein Wettlauf gegen Schuld, Zweifel und Hunger, den sie eigentlich nur verlieren kann ...


    Ein tiefgründiges Jugendbuch über eine immer häufiger auftauchende Krankheit unter jungen Mädchen und Frauen. Der Plot ist sehr gut ausgearbeitet und auch der Schreibstil ist durch das ganze Buch hinweg sehr tiefgründig gehalten. Allerdings hatte ich immer wieder Probleme, mich in Protagonistin Lia hineinzuversetzen, bei der sich alles um Schuld, ihr Gewicht und Hunger dreht, die merkt, wie sehr sie ihre Familie verletzt und dennoch einfach nicht begreifen will, dass es an ihr liegt, etwas dagegen zu unternehmen.

  • '' Wir fassten uns an den Händen und folgten dem Lebkuchenpfad in den Wald, und von unseren Fingerspitzen tropfte Blut. Wir tanzten mit Hexen und küssten Ungeheuer. Wir verwandelten uns in Wintermädchen, und als Cassie sich davon machen wollte, zog ich sie in den Schnee zurück, weil ich Angst davor hatte, allein zu sein. '' ( S.117 )


    Meine Meinung:
    Wintermädchen, weil sie nicht tot sind, aber auch nicht richtig lebendig. Weil sie die Kontrolle und sich selbst verloren haben. ''Wandelnde Leichen, sagen die Jungs in den Schulfluren.'' Sie existieren, ja, das gerade noch so, aber sie leben nicht.
    Der Kampf gegen den Hunger, gegen das Essen - ein Kampf, den Lia nicht gewinnen kann, ist nicht ihr einziges Problem. Auch die Erinnerungen an Cassie machen sie völlig fertig, da sie sich selbst die Schuld an ihrem Tod gibt.
    Lia ist eigentlich ein liebes Mädchen, nur ist sie ihrer Sucht gegenüber hilflos und verletzt so die Leute, die ihr nahe stehen.
    Obwohl sie selbstzerstörerisch und drastisch handelt, ist sie nicht unsympathisch, im Gegenteil - man leidet eher mit, da man versteht, aus welchen Gründen sie es tut und was zu ihrem Problem geführt hat.
    So kann man Lias Taten, auch wenn man sie nicht gutheißt, durch die gründlich beschriebene Gefühlswelt Lias und durch den außergewöhnlichen Schreibstil gut nachvollziehen. Man versteht zum Beispiel, dass das Hungern bei Lia ein Gefühl von Kontrolle und Stärke weckt, obwohl eher das Gegenteil der Fall ist.
    Ihre Familie liebt sie und will nur das Beste für Lia, richtet aber lange Zeit nichts aus, weil sie nicht wahrnehmen, wie schlimm es wirklich ist, da Lia gelernt hat sie zu täuschen.
    Der Schreibstil in diesem Buch ist sehr malerisch, poetisch und passt perfekt zum Thema. Die Ausweglosigkeit der Situation für Lia wird deutlich. Außerdem sind manche Sätze durchgestrichen und stehen berichtigt daneben, was Lias inneren Kampf aufzeigt.
    Laurie Halse Anderson beschreibt Lias Geschichte durchweg authentisch.
    Es ist kein fröhliches Buch, was ja zu erwarten ist, da es ein ernstes und leider aktuelles Thema behandelt. Denn leider gibt es nicht wenige Mädchen ,die wie Cassie eine gestörte Selbstwahrnehmung haben und trotz völlig gesunder Körpermaße ''Diäten'' machen und hungern.
    Beide Cover sind schön. Das der Originalausgabe finde ich aber passender. Man sieht ein Wintermädchen (Cassie?.) hinter ihrer Schicht aus Eis, durch ihre Krankheit abgeschirmt vom Leben.


    Fazit:
    Eine Geschichte, die einen nicht nur durch ihre Handlung in den Bann zieht, sondern auch durch den tragisch schönen Schreibstil.
    Alles in allem ein besonderes Buch, das einen erschreckt, bedrückt aber auch mitreißt und mich beeindrucken konnte.
    --> 4/5 Schneeflocken!