Das Universum der Familie Ahuja - Karan Mahajan

  • literarische Weltreise: Indien


    Arjun ist 16 und wächst in Delhi in einer wohlhabenden, aber auch ausgesprochen kinderreichen Familie auf: er hat zwölf Geschwister, das dreizehnte ist unterwegs, was offensichtlich auch für indische Verhältnisse eine ganz schöne Menge ist. Und das ist Arjuns Hauptproblem: nicht alleine, dass das Leben in einem solchen Irrenhaus an den Nerven zehrt, auch ist ihm vor allem die sexuelle Hemmungslosigkeit seiner Eltern peinlich, die zu einer solchen Kinderschar geführt hat. Natürlich hat er auch andere Sorgen, wie wohl die meisten Jugendlichen der Welt, die hübsche Aarti aus dem Schulbus und die eher zweifelhaften Fortschritte seiner Garagenband, die hauptsächlich daran krankt, das es in Indien keine Garagen gibt
    Seinen Vater Rakesh, Stadtplanungsminister, treiben ganz andere Sorgen um: Da sind die Bürden des Amtes, die politischen Intrigen und die Gratwanderung, in einer aufgeblasenen und durch und durch korrupten Bürokratie seine Ideale nicht vollständig aufzugeben. Schlimmer noch seine familiäre Misere, seine ungeliebte Frau, die Kinderschar und das Familiengeheimnis, dass er seinem ältesten Sohn endlich offenbaren will.


    Die Nöte dieser Familie wird vor der chaotischen, wohltuend klischeefreien Kulisse eines teilweise fiktiven Indiens geschildert, in dem eine Fernsehsoap mit dem vielversprechenden Titel „Die rachsüchtige Schwiegertochter“ die gesellschaftlichen Befindlichkeiten prägt, in dem arrangierte Ehen zur Normalität gehören und Chaos das ganz normale Leben beherrscht.


    Gleichzeitig ist der Roman eine scharfzüngige Abrechnung mit der indische Politik. Überspitzt karrikiert Mahajan die indischen Verhältnisse, in dem er der Regierung in seinem Roman eine Superpremierministerin (SPM) an die Spitze stellt, die nach Gutdünken ihre genehme Parlamentsabgeordnete wählen lässt, eine hinduistisch-nationalistische Poltik betreibt und eine städtebauliche maßnahmen durchsetzt, von denen sich die Schildbürger noch eine Scheibe abschneiden könnten.


    Es machte Spaß, dieses Buch zu lesen, auch wenn die Lektüre streckenweise volle Konzentration erforderte. Gigantische Schachtelsätze wechseln sich mit mit kurzen prägnanten Feststellungen ab („Er rammte die Kuh.“). Die Dialoge sind manchmal, hm, seltsam und die Motivation der Protagonisten für mich nicht immer nachvollziehbar. Aber das macht überhaupt gar nichts aus, schließlich ist Indien ein Land, das in vielen Punkten für mich unbegreiflich ist, da hätte mich ein Buch ohne Ecken und Kanten wahrscheinlich eher irritiert.


    Einziger Kritikpunkt: ein Glossar hätte dem Buch gut getan. So hatte ich leider keinerlei Vorstellung, was die da gerade essen oder was für ein Kleidungsstück sie tragen. :rolleyes

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von saz
    Danke für deine Rezi, das Buch ist auf meiner Wunschliste gelandet. Ist das von dir verlinkte Buch ein HC oder ein Taschenbuch? :gruebel


    So ein Mittelding, Klappbroschur oder wie das heißt.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Nachdem das Buch 2 Jahre auf meiner Wunschliste stand, bin ich nun endlich dazu gekommen, es zu lesen. So richtig warm geworden bin ich mit den Protagonisten allerdings nicht. Wie DraperDoyle schon schrieb, ist die Handlungsweise der Protagonisten manchmal nicht so recht nachzuvollziehen. Insgesamt ist das Buch zwar unterhaltsam, aber hat mir Indien nicht wirklich viel näher gebracht - ein (kurzes) Glossar wäre in dieser Hinsicht sicherlich förderlich gewesen.


    Von mir jedenfalls trotzdem noch gute 7 Punkte - eben weil es sich gut wegliest und unterhält.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]