Norbert Gstrein - Die ganze Wahrheit

  • Titel: Die ganze Wahrheit
    Autor: Norbert Gstrein
    Verlag: Hanser
    Erschienen: August 2010
    Seitenzahl: 302
    ISBN-10: 3446235493
    ISBN-13: 978-3446235496
    Preis: 19.90 EUR


    Dagmar ist die die zweite Frau des Wiener Verlegers Heinrich Glück. Als er stirbt, will Dagmar ein Buch über ihn schreiben, ein Buch, das die ganze Wahrheit über ihren verstorbenen Gatten enthalten soll. Der langjährige Verlagslektor will dieses Buch aber nicht veröffentlichen, da er befürchtet, dass Dagmar nur die Wahrheit aufschreiben wird, die ihre ganz persönliche ist.


    Dieser Roman des österreichischen Autors Norbert Gstrein, der abwechselnd in Berlin und Hamburg lebt, ist kein „typischer Gstrein“, ganz und gar nicht. Dieser Roman hat nicht die Tiefe und die Fülle der bisherigen Gstrein-Romane, vielmehr scheint es so, als führe Ärger und Zorn die Feder von Norbert Gstrein. Dazu muss man wissen, dass Norbert Gstrein vom Suhrkamp-Verlag zum Hanser-Verlag gewechselt ist. Die Leiterin des Suhrkamp-Verlag es ist Ulla Unseld-Berkewicz und Norbert Gstrein ist nur ein weitere Autor der den Suhrkamp-Verlag in Unfrieden verlassen hat. Auch Martin Walser, Daniel Kehlmann, Adolf Muschg und Katharina Hacker haben Suhrkamp den Rücken gekehrt. Und so fällt es auch nicht schwer, in der Romanfigur der Dagmar Glück eben diese Suhrkamp-Ulla zu erkennen. Und das Bild, welches Norbert Gstrein von ihr zeichnet, ist nicht unbedingt als positiv zu bezeichnen, Sympathiebekundungen sehen wohl anders aus.


    Gstrein beginnt seinen Roman mit folgender Passage:
    „Man hat mir abgeraten, darüber zu schreiben.“
    Vielleicht wäre es – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Qualität des Buches – besser gewesen, Gstrein hätte sich diesen Ratschlag zu Herzen genommen. So wirkt jetzt alles nur nach Abrechnung, einer Abrechnung die leider eher ein wenig billig daherkommt.


    Sicher kein schlechtes Buch, aber da man von Norbert Gstrein wirklich Besseres gewohnt ist, so enttäuscht „Die ganze Wahrheit“ doch ein wenig. Wer Norbert Gstrein bisher nicht kannte, der wird dieses Buch vielleicht bezüglich der Bewertung anders sehen.


    Sehr schön was Christoph Schröder in der taz schrieb:
    „Der Literaturbetrieb ist ein Irrenhaus, in dem sich jeder als Wärter und niemand als Insasse begreift.“
    Wenn das die zentrale Botschaft des Gstrein-Romans ist/wäre – dann allerdings hätte dieses Buch durchaus seine Berechtigung. Denn bei aller Kritik entwirft Gstrein doch ein bezeichnendes Bild des deutsche Literatur- und Verlagswesens.


    Ein kleines Kuriosum am Rande:
    Gstrein wechselte von Suhrkamp zum Hanser-Verlag. Dessen Leiter Michael Krüger ist ebenfalls Schriftsteller und in dieser Eigenschaft publiziert Krüger beim Suhrkamp-Verlag.


    Trotz der leisen Enttäuschung ein im Endergebnis lesenswertes Buch – auch wenn man von Norbert Gstrein qualitativ Besseres gewohnt ist. Manch anderer wäre wohl glücklich darüber so schreiben zu können wie ein in der Qualität etwas abgesunkener Norbert Gstrein.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Das hört sich ja nicht sehr vielversprechend an!
    Norbert Gstreins letzten Roman "Die Winter im Süden" fand ich sehr gelungen, aber diesen werde ich wahrscheinlich auslassen, es sei denn, wenn ich ihn zufällig in der Bibliothek mal sehe.


    Grundsätzlich dürfte es diesem "Enthüllungswerk" an Überraschung fehlen, fürchte ich.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Nein, anscheinend keine Ironie. Ich bin bei diesen Buch nur noch ratlos!
    Also Abbruch! Schade um das Geld!


    Nein, mit Ironie hat das Ganze - leider - nichts zu tun. Ironie liest sich anders. Hier scheint sich jemand den Frust von der Seele zu schreiben; ein Buch aus dem Bauch heraus; vielleicht wäre ein wenig längeres Überlegen nicht von schaden gewesen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.