Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche - Alina Bronsky

  • Gebundene Ausgabe: 317 Seiten
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 2010
    Autorin: Alina Bronsky
    Preis: € 18,95


    Autorenporträt:
    Alina Bronsky, geboren 1978 in Jekaterinburg/Russland, wuchs auf der asiatischen Seite des Uralgebirges auf. Nach abgebrochenem Medizinstudium arbeitete sie als Texterin und Redakteurin. Sie lebt in Frankfurt. Ihr Debütroman "Schwerbenpark" erhielt großes Kritikerlob und wurde zum Bestseller.


    Kurzbeschreibung:
    Die Geschichte der leidenschaftlichsten und durchtriebensten Großmutter aller Zeiten
    Am Anfang tut sie alles, um nicht Großmutter zu werden: Im Jahr 1978 ist Rosalinda wild entschlossen, die Schwangerschaft ihrer viel zu jungen und viel zu dummen Tochter zu beenden. Doch das misslingt, und sobald Aminat auf der Welt ist, entbrennt ein rücksichtsloser, grotesk-komischer Kampf um sie.
    Jenseits des Urals herrschen klare Verhältnisse: Die Tatarin Rosalinda bestimmt, ihr Gatte Kalganov spurt, und ihre Tochter Sulfia benimmt sich schlecht. Es mangelt an vielem, aber nicht an Ideen, und schon gar nicht an Willenskraft. Es steht also immer etwas Scharfes auf dem Tisch, und alle größeren Malheurs, die Sulfia anrichten könnte, werden verhindert. Nur ihre Schwangerschaft nicht, und auch nicht die Geburt von Aminat, dem genauen Gegenteil ihrer Mutter: schön, schlau, durchsetzungsfähig - ganz die Großmutter eben.
    Rosalinda steht zum ersten Mal einem Geschöpf gegenüber, das ihr ebenbürtig ist, und wird die leidenschaftlichste Großmutter aller Zeiten. Im ungleichen Kampf zwischen der glücklosen Sulfia und der rücksichtslosen Rosalinda wird das Mädchen zur Wandertrophäe - und der Leser zum Zeugen haarsträubendster Ereignisse, komischster Szenen, schlagfertigster Dialoge.
    Alina Bronsky gelingt eine Glanzleistung: Sie lässt ihre radikale, selbstverliebte und komische Hauptfigur die Geschichte dreier Frauen erzählen, die unfreiwillig und unzertrennlich miteinander verbunden sind - in einem Ton, der unwiderstehlich ist. Durch drei Jahrzehnte und diverse Schicksalsschläge führt sie die ungleichen Frauen, und der Leser folgt ihr atemlos.
    Voller Gefühl, Sinnlichkeit, Drastik und Exotik: ein scharfer Frauenroman!


    Meine Meinung:


    "Als meine Tochter Sulfia mir sagte, sie sei schwanger, wisse aber nicht von wem, habe ich verstärkt auf meine Haltung geachtet. Ich hielt meinen Rücken gerade und die Hände würdevoll im Schoß gefaltet."


    Rosalinda hat alles im Griff. Ihren Mann, ihre hässliche Tochter und bald auch ihre Enkelin Aminat deren Geburt sie gerne verhindert hätte. Doch leider hat das nicht geklappt und mit den Jahren erkennt Rosalinda dass Aminat genauso ist wie sie. Rosalinda ist mit einem unglaublichen Selbstbewusstsein ausgestattet, räumt dabei alle Unahnnehmlichkeiten aus dem Weg intrigiert und manipuliert was das Zeug hält.
    Sie führt einen beständigen Krieg gegen jeden und alles und ihr größtes Problem ist, dass sie sich zuviel für andere vornimmt. Aber die anderen kommen da nicht immer mit....


    Mit ganz viel Ironie, politisch nicht immer korrekt und einem satirischen Blick auf die schönste, jugendlichste und durchsetzungskräftigste Großmutter der Welt hat Alina Bronsky einen sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt.


    Das Buch steht auf der longlist zum Deutschen Buchpreis 2010

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

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  • Auf das Buch freue ich mich auch schon - "Scherbenpark" hat mir schon gut gefallen.
    Danke für deine Rezension, Frau Willi! :-)


    P.S.: Du hast einen Buchstaben vergessen in der Überschrift. ;-)


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von Conor


    P.S.: Du hast einen Buchstaben vergessen in der Überschrift. ;-)



    Oh ha, hab´s gleich ergänzt. Vielen Dank für den Hinweis :wave

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Alina Bronsky war fuer mich DIE Entdeckung des Jahres. Hab Scherbenpark in der englischen Uebersetzung gelesen und war begeistert. Und das sollte ich mir auf jeden Fall auf deutsch bestellen und schicken lassen. Eure Rezis bestaerken mich da nur.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Ich habe es gerne gelesen, wenn auch nicht mit dem Maß an Begeisterung wie "Scherbenpark".
    Bronsky ist eine talentierte Erzählerin und beweist Feingefühl in der Zeichnung ihrer Charaktere. Die Figuren wirken trotz einer teilweise ins Stereotype reichenden Überspitzung bestimmter Eigenschaften glaubwürdig und ich mochte den ironischen Grundton der Geschichte.
    Im direkten Vergleich mit "Scherbenpark" fehlt es mir hier allerdings an Intensität und Frische. Der neue Roman kommt sehr viel routinierter daher.

  • Gestern in einem Rutsch durch gelesen.


    Meine Meinung: Rosalinda ist eine Mutter, Schwiegermutter und Oma, wie man sie nur seinem ärgsten Feind oder seinem Ex wünscht: Selbstbewusst und mit großem Organisationstalent ausgestattet, setzt sie alle ihre Fähigkeiten ein, um nur das Beste für ihre Lieben zu erreichen. Das Beste ist allerdings oft eine Sache der Definition und so sind nicht alle ihrer Meinung, doch das stört sie wenig. Sie mischt sich in alles ein und geht über Leichen. Ihr ist es egal, was die Leute von ihr denken - Sie bekommt immer ihren Willen und im Notfall probiert sie es sogar mit einem Selbstmordversuch. Sie greift tief in die Leben anderer ein, wenn es dazu dient, ihre Wünsche zu erfüllen. Ihre Tochter Sulfia ist da ganz anders, doch sie hat gegen die Mutter keine Chance. Rosa findet das eigene Kind hässlich und dumm.


    Sulfia wird schwanger – eine Abtreibung in der eigenen Wohnung misslingt und Rosa muss ich fortan „Oma“ nennen. Diese Bezeichnung trägt sie gerne, ist die Enkelin Aminat doch wunderschön und gehört nun zu ihrem ganz persönlichen Eigentum.
    Und nun muss unbedingt ein Mann für die Tochter her – es wird nicht der letzte sein, den Rosa ihrer Tochter aufdrückt. Immer wieder spielt sie Schicksal und das mit einer Selbstüberzeugung, die so komisch ist, dass man beim Lesen oft laut auflacht.


    Als die Tochter erneut schwanger ist geht sie mal eben zu deren zukünftigen Schwiegereltern und bringt die frohe Botschaft, dass sie demnächst ihre Tochter kennen lernen und schon bald den Titel Großeltern tragen werden, höchst-persönlich vorbei.
    Das Buch ist aus ihrer Sicht geschrieben und so erhält man Einblick in ihre Gedanken und die Gründe aus denen sie ihre Familie so quält. Sie hat eine ganz eigene Lebensphilosophie und wer dort nicht hinein passt, hat auch nichts in ihrem Umfeld zu suchen.

    Interessant gelungen ist auch der Ort der Handlung: in weiten Teilen spielt die Geschichte in Russland. In einer Zeit, in der sich Armut und Lebensmittelknappheit ausbreiten, ist Rosas Organisationstalent von großem Vorteil. Sie nutzt es nicht nur, um ihre Familie zu ernähren, sondern zum Beispiel um die Lehrer der geliebten Enkelin Aminat zu bestechen. Bis nach Deutschland wird es sie führen, doch dem Schicksal selbst kann sie kein Schnäppchen schlagen, und das ist ein harter Lernprozess für diese starke Frau.


    Rosalinda dominiert über weite Strecken des Buches die Handlung und man schüttelt den Kopf oder amüsiert sich über sie, doch trotzdem ist es mehr als eine lustige Geschichte über eine nervige Person. Teils zum Schreien komisch, aber auch nachdenklich machend und teilweise sehr traurig ist das Buch rund um Rosa und ihre Erlebnisse. Ich bin immer noch begeistert von den Ideen und dem Stil der Autorin und werde nun unbedingt auch ihr erstes Buch „Scherbenpark“ lesen.

  • „Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche“ von Alina Bronsky kreist nicht um Küche, Herd und Kochrezepte sondern um die Tatarin Rosalinda, deren Tochter Sulfia und Enkelin Aminat, die trotz eines von ihrer Großmutter herbeigeführten Abtreibungsversuchs gesund zur Welt kommt und im Spannungsfeld zwischen Mutter und Großmutter zunächst in der Sowjetunion, später in Deutschland heranwächst. Rosalinda zwingt als Egomanin ihrem gesamten Umfeld, ob Ehemann, Tochter, Enkelin oder Schwiegersöhnen ihren Willen auf und greift despotisch in das Leben ihrer Familie ein – stets zu ihrem eigenen Vorteil, manchmal auch zum Vorteil des betroffenen Familienmitglieds. Mit Bauernschläue, Skrupellosigkeit und Hartnäckigkeit gelingt es ihr, auch schwierige Zeiten zu meistern. Lediglich zu ihrer Enkelin Aminat entwickelt sie von Anfang an eine uneingeschränkte Liebe, die sie dennoch nicht daran hindert, Aminats Entwicklung und Leben in die eigene Hand nehmen zu wollen. Aminat steht von Beginn an zwischen ihrer unglücklichen, nach Selbstvertrauen suchenden Mutter und der dominanten, selbstverliebten Großmutter, die trotz allem einiges an Herzenswärme in sich versteckt hält, deren Handeln aber dennoch das Leben und die Entwicklung ihrer Enkelin nachhaltig negativ beeinflusst.


    Alina Bronsky lässt die Egomanin Rosalinda ihre Geschichte selbst erzählen, und konfrontiert den Leser so mit dem verzerrten Selbstbild , das Rosalinda von sich hat, der gestörten Wahrnehmung ihrer Umwelt, und skurrilen, komischen Szenen und ungeheuerlichen, teilweise hanebüchenen Ereignissen. Lakonisch, nüchtern und ironisch schildert Rosalinda ihre Sicht auf knapp drei Jahrzehnte mit Schicksalsschlägen und überraschenden Wendungen und die Beziehungen zu ihrem Umfeld, die sie in dieser Zeit pflegt. Aufgrund des Stils macht die Lektüre des Romans „Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche“ von Beginn an Spaß, auch wenn teilweise Begebenheiten geschildert werden, die alles andere als zum Lachen sind. Rosalinda wird dabei keinesfalls zur Sympathieträgerin. Ich empfand Rosalinda in weiten Teilen regelrecht nervtötend, dennoch liest man als Leser mit Erstaunen, mit welcher Sicherheit, welchem Selbstbewusstsein und welcher Selbstverständlichkeit Rosalinda ihr Umfeld regelrecht tyrannisiert.


    Leider fällt der Roman meines Erachtens in der zweiten Hälfte etwas ab, was zum einen daran liegt, dass Alina Bronsky bei der Schilderung Rosalindas Leben und Verhalten in Deutschland kaum ein Klischee auslässt, zum anderen daran, dass Situationen und Ereignisse in Deutschland im Gegensatz zu den vorangegangenen in Russland nicht wie aus einem Guss sondern eher aneinandergereiht wirken. Alina Bronskys Roman könnte einen interessanten Blick auf die Gesellschaft vor dem Zerfall der Sowjetunion sein, wenn die Nebenfiguren nicht aufgrund Erzählperspektive und persönlicher Haltung der Erzählerin blass gehalten wären.


    7 von 10 Punkten

  • Alina Bronsky hat ein besonderes Talent gleich von der ersten Seite an, ja mit den allerersten Saetzen, ihren Geschichten einen Ton zu geben, der keinen Zweifel daran laesst, dass man es hier mit sehr ungewoehnlichen Protagonisten zu tun hat. Ich mag diesen sehr direkten Stil, er zieht mich unweigerlich gleich in den Bann.


    Und ich mag es sehr, dass Alina Bronsky Frauenfiguren praesentiert, die ihren eigenen Willen haben und den auch leben. Dabei hat die Autorin diesmal mit Rosalinda eine Hauptfigur kreiert, die es dem Leser nicht leicht macht sich mit ihr anzufreunden. Ja, eine starke Frau ist sie ganz bestimmt, aber sympathisch ist sie mir erstmal gar nicht. Ihre Entscheidungen sind so ganz anders als was ich in meiner Welt erwartet haette. Und dennoch oder gerade deswegen will ich mehr wissen, weiterlesen wie ihr Leben weitergeht, wie ein Schicksalsschlag dem anderen folgt und sie unbeirrt ihren eigenen Weg geht.


    Das ist stellenweise sehr witzig, sehr traurig, manchmal tragisch, vielleicht zu unrealistisch - und ganz bestimmt spannend zu lesen.


    Nicht immer schafft es Frau Bronsky mich zu ueberzeugen. In gewisser Weise ist Rosalinda zu einer ueberzogenen Kunstfigur geworden, die sich fuer mich nicht realistisch genug anfuehlt. Da vermisse ich einfach etwas mehr Menschlichkeit. Es ist ein interessantes Dilemma, denn genau das was mich an diesem Buch so anzieht mit dieser extremen Persoenlichkeit, ist auch gleichzeitig seine Schwaeche.


    Fazit: Ein absolut faszinierendes Buch mit einer Protagonistin, die den Leser gleichermassen anziehen wie abstossen kann. Definitiv ein vergnuegliches und manchmal nachdenkliches Leseerlebnis.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Der Rezension von Pelican kann ich nicht viel hinzufügen, sie ist wirklich sehr treffend!
    Ich habe das Buch vor Jahren gelesen und es gehört zu meinen Evergreen-Lieblingsbüchern.
    Ich mag besonders den ironischen Unterton und die krassen Überspitzungen in Rosalinds' Charakter und Verhalten. Wie Alina Bronsky das schafft, ist wirklich genial. Auch wenn der zweite Teil etwas abfällt, so ist es dennoch einer der Romane, die auch nach Jahren noch bunt und lebendig in meiner Erinnerung haften, mehr sogar als Scherbenpark.
    Deshalb gebe ich die vollen 10 Eulenpünktchen.

  • Das Buch hat mir richtig gut gefallen.


    Rosalinda hatte ich die ganze Zeit über fast bildlich vor Augen. Sie ist so herrlich ignorant, verständnislos und selbstüberzeugt, dass man sie natürlich nicht ernst nehmen kann. Aber dafür habe ich mich des öfteren gekringelt vor Lachen, vor allem bei der Szene mit dem "gefillte Fisch". :-)


    Vielleicht ist das Buch witziger, wenn man jemanden mit ähnlichen Charakterzügen kennt :rofl


    Die arme Tochter hat mir aber sehr leid getan.


    Scherbenpark habe ich noch nicht gelesen, werde ich mir bald mal vornehmen.


    8 Punkte gibt es jedenfalls für Rosalinda.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“