Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Seiten: 309
Originaltitel: Het Diner
Übersetzung aus dem Niederländischen: Heike Baryga
Rückentext:
Ein Abend im Sternerestaurant. Zwei Elternpaare – eine lebenswichtige Entscheidung. Ein Roman, der ins Herz schneidet.
"Angerichtet" ist ein Familiendrama, das um die Fragen kreist: Wie weit darf Elternliebe gehen? Was darf man tun, um seine Kinder zu beschützen? Der preisgekrönte internationale Bestseller aus den Niederlanden ist ein aufwühlender Roman, der lange nachhallt. Ein starkes Stück Literatur.
Autor:
Herman Koch, geboren 1953, ist Kolumnist, Komiker, Fernsehmacher und Romancier. Seit 1989 veröffentlichte er in den Niederlanden fünf hoch gelobte Romane.
Sein Roman "Angerichtet" stand monatelang an der Spitze der niederländischen Bestsellerliste und war 2009 einer der meistverkauften Romane europaweit (Platz 7 der europäischen Jahresbestsellerliste). "Angerichtet" gewann den niederländischen Publikumspreis für "Das beste Buch des Jahres 2009" und ist nominiert für weitere literarische Preise. "Angerichtet" erscheint in 14 Ländern, auch die Filmrechte sind verkauft.
Übersetzerin:
Heike Baryga, geboren 1966, übersetzt aus dem Niederländischen, u.a. Magriet de Moor, Hella Haase und Jessica Durlacher. Ihre Übersetzung von Annelies Verbekes Roman "Schlaf" wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.
Meine Rezension:
Es fällt mir nicht leicht eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben, weil es schwer ist, richtig darüber zu sprechen ohne zu viel zu verraten. Aber ich versuche mein Bestes.
Das Buch wird erzählt aus der Ich-Perspektive, was hier sehr geschickt eingesetzt wurde wie ich finde, und ist aufgeteilt nach dem Ablauf eines Besuchs in einem Sternerestaurant: Aperitif, Vorspeise, Hauptgang, Dessert, Digestif, Trinkgeld.
Es beginnt an einem scheinbar normalen Abend, irgendwo in den Niederlanden. Zwei Ehepaare haben sich zum Essen verabredet. Paul, der Ich-Erzähler der Geschichte, mag den anderen Mann nicht. Ein Politiker, scheinheilig, oberflächlich, irgendwie schleimig, der aussichtsreichste Kandidat für das Amt des nächsten Ministerpräsidenten... und dummerweise sein Bruder.
Das Buch braucht einige Zeit bis es in Gang kommt. Die ersten hundert Seiten zogen sich für mich ziemlich in die Länge. Es geht um völlig belangloses Geplauder, das man so schon hundertausendmal gehört hat: Gute Filme die man kürzlich gesehen hat, der letzte Urlaub, die Speisen, deren einzelne Zutaten vom Ober minutiös erklärt werden. Eingebettet in diese Umgebung erlebt man aus der etwas zynischen Sicht von Paul, wie er von dem ganzen Schickimicki-Getue seines Bruder ziemlich genervt ist und den Ober schlicht lächerlich und aufdringlich findet. Allein der Blickkontakt zu seiner Frau, die er innig liebt, lässt ihn den Zirkus ertragen. Zudem schweifen seine Gedanken immer wieder ab zu einem beunruhigenden Fund, den er auf dem Handy seines Sohnes gemacht hat (was ihm durchaus auch ein schlechtes Gewissen verursacht), und der für ihn als Vater so entsetzlich war, dass er das Familienglück gefährdet sieht. Sprich: Eigentlich ist Paul ein sehr sympathischer Kerl, der dem Leser an einigen Stellen wohl aus der Seele spricht. Nur manchmal, wenn etwa die Erinnerung an den gemeinsamen Urlaub mit Bruder und Schwägerin aufkommen, da gehen Pauls Gedanken einen recht eigenen und befremdlichen Gang...
Mit dem Hauptgang kommt die Geschichte jedoch ins Rollen, Pauls Bruder Serge lässt den bezeichnende Satz "Wir müssen über unsere Kinder sprechen" fallen, der den Wendepunkt in dem Roman markiert. Man erfährt, was genau Michel, der Sohn von Paul und seiner Frau Claire, angestellt hat und was Paul auf dem Handy gefunden hat. Ab da gibt es ständig neue Informationsstücke die auf den Leser eindringen und die erst mal richtig im Gesamtbild arrangiert werden wollen, das zunehmend düsterer und verstörender wird. Es kommt zu immer mehr Rückblenden, in denen sich das Verhältnis von Paul zu seinem Sohn und auch das der gesamten Familie untereinander plötzlich ganz anders darstellt, als man es anfangs vielleicht vermutet hat. Ich war vollkommen gefesselt von dem dunklen Sog, der da erzeugt wurde.
Man merkt erst im Verlauf des Buches, dass dieser langgezogene und harmlose Einstieg durchaus seinen Sinn hat, nämlich eben den, den Leser auf Pauls Seite zu ziehen und diesen als Sympathieträger aufzubauen. Sehr raffiniert vor allem in der oben schon erwähnten Kombination mit der Ich-Perspektive.
Die verschiedenen Wendungen und Überraschungen haben einen tiefen und nachhaltigen Eindruck auf mich gemacht, auch wenn ich eine der Enthüllungen nicht besonderes gut fand, weil man dem Autor durchaus unterstellen könnte, dass er es sich damit etwas einfach gemacht hat:
SPOILER ÜBER WICHTIGE HANDLUNGSELEMENTE!
Fazit: Ein Roman über eine eng zusammenstehende Familie und auch über unsere Zeit, der eine Menge Diskussionspotential beinhaltet und der mich noch nachdem ich ihn beendet habe, in meinen Gedanken verfolgt. Nicht ganz einfach zu verdauen, aufwühlend und nachdenklich stimmend.
Ich vergebe 9 von 10 Punkten