Aus dem Klappentext
Lesbos, die drittgrößte der griechischen Inseln, war schon in der Antike die Insel der Dichtung und der Musik. Der Legende nach liegt der Kopf des Orpheus in der Nähe der Stadt Antissa bestattet, und mit seiner Lyra, die er den Bewohnern von Lesbos hinterließ, schlug die Geburtsstunde der lyrischen Dichtung.
Unterwegs auf Lesbos folgt Eva Demski den Spuren Sapphos, der ersten Lyrikerin der Weltliteratur, die nicht nur ein Mythos, sondern auch ein Symbol für die Liebe zwischen Frauen ist. Hat sie wirklich nur Frauen geliebt? Eva Demski beschreibt, wie die von Sappho besungene Insel heute aussieht und wie viel noch sichtbar ist von den Spuren dieser Person und den Bildern, die sie gesehen hat. Es ist auch ein Buch über die Geschichte der Liebe und das Wiederfinden der Musik in der Lyrik.
Sapphos Lieder wurden damals in ganz Griechenland gesungen, ihr Bild wurde auf Münzen geprägt, und heute begrüßt ihr Denkmal den Besucher im Hafen von Mytilene.
Von Sapphos Geburtsort Eressos bis zu "ihrer" Stadt Mytilene sieht Eva Demski Bauwerke, Mosaiken und Straßen mit den Augen der Dichterin. Sie geht durch die endlosen Olivenhaine im Osten der Insel, die vom Meer bis zu den Bergen reichen, und durchquert die karge Steinwüste im Westen von Lesbos.
Die wichtigen Fragmente und die wenigen erhaltenen Gedichte der Sappho hat Eva Demski für dieses Buch neu übersetzt.
Eva Demski, geboren in Regensburg, lebt als Schriftstellerin und Publizistin in Frankfurt am Main.
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Der antiken Dichterin Sappho (um 600 v. Chr.) und den Kleinodien ihrer lyrischen Dichtkunst, die in raren Fragmenten überliefert sind, begegnet Eva Demski mit großem Respekt. Das heißt nicht, dass sie den griechischen Urtext mit dem anderen Übertragungen eigenen Pathos verschnörkelt, das heißt im Gegenteil, dass sie die klare, simple Sprache Sapphos, der "zehnten Muse", in ihren Übersetzungen behutsam freilegt wie die Archäologin einen Fund antiker Tonscherben.
Sapphos Heimatinsel, Lesbos, nimmt Eva Demski mit dem gleichen Respekt in Augenschein, zugleich aber auch mit dem gleichen Misstrauen gegenüber allzu bequemen Legenden. Frauenpaare sieht sie nur wenige; gar als Wallfahrtsort frauenliebender Frauen erlebt sie Lesbos nicht. Der misstrauischen Leserin oder gar dem misstrauischen Leser kommt das entgegen. "Von dieser Sappho hat man ja auch da und dort gehört, aber man soll das gar nicht so ernst nehmen. Hier fahren ganz normale Familien hin, das sehen Sie doch! Warum muss denn immer alles was extra sein, da sind wir gar nicht so für!" Nein, mag die Autorin auch keine einseitige Verherrlichung Sapphos zulassen, so erlaubt sie doch auch Scheuklappenträgern anderer Couleur nicht, die Insel für sich mit Beschlag zu belegen.
Das Lesbos Eva Demskis zeigt sich spröde. Hier liegt nichts auf der Hand, erschließt sich nichts unmittelbar, gibt es keine einfachen Wahrheiten. Die größten Kulturschätze und Naturschönheiten sind nur auf mühsamen Wegen zu erreichen, erst auf den zweiten Blick sichtbar. Eva Demski lässt sich auf die anstrengende Suche ein, und sie wird fündig, ohne dass sie oder die Insel ihre heilsame Distanz zueinander aufgeben müssen.
Auch Sappho lässt sich nicht ohne Weiteres einspannen in touristische Attraktionen, lässt sich nicht vereinnahmen von Frauen, die in ihr ein historisches Vorbild für ihr homosexuelles Lieben suchen.
Sappho war nicht nur eine begnadete Dichterin; ihr Ruf als Frauenliebende, der dazu führte, dass ihre Insel dieser Liebe den Namen gab, rührt von der von ihr gegründeten Schule, in der sie junge Mädchen auf die Ehe vorbereitete. Am Ende dieser Schulzeit stand in der Regel die Vermählung mit einem Mann; das war das Lebensziel der jungen Mädchen, und Sappho hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sie mit den nötigen Fertigkeiten dafür auszustatten. Eine Schelmin, die Böses dabei denkt. Die homoerotischen Erfahrungen der jungen Mädchen in dieser Schule gehörten ebenso zum Erwachsenwerden wie die traditionelle sexuelle Anleitung der jungen Männer durch ihre "Mentoren", und Eva Demski schildert sie als etwas, das in der heutigen Zeit seine Selbstverständlichkeit verloren hat: Liebe ist Liebe, egal, wem sie gilt.
So hat Sappho ihren Schülerinnen nicht nur das erteilt, was heute "Aufklärungsunterricht" heißt, sondern hat denjenigen unter ihnen, mit denen sie eine besondere Zärtlichkeit verband, Zeilen wie diese gewidmet, die sich in Eva Demskis klarer Sprache ihr Leuchten bewahren:
Viele Kränze aus Veilchen
Rosen und Krokus
Bei mir ins Haar dir
Blumenketten, duftend
Um den weichen Hals
Geflochten aus zarten Blüten
Doch nicht nur in ihren Sappho-Übersetzungen betört Eva Demski ihre LeserInnen mit ihrer Sprache. Sie könnte auch über Gartenkräuter schreiben oder über moderne Städteplanung, es würde ihr immer gelingen, ihre LeserInnen hineinzuzaubern in ihre Art, die Welt zu sehen. Eine feine Ironie ziert ihren Stil, und doch entfernt sie sich von ihrem Gegenstand nie so weit, dass ihre ehrliche Auseinandersetzung mit ihm nicht doch durchschiene. In diesem Buch ist diese Art der Annäherung an das Sujet besonders gelungen, vereint sie doch die Distanz der fernen Beobachterin mit der Bereitschaft der neugierigen Reisenden, sich auf die fremde Welt dieser Insel und ihre geheimnisvolle Geschichte einzulassen.
Meine Meinung: Kein Reise-Lesebuch und kein trockener Reiseführer, sondern eine zauberhafte Reise-Entführerin.
für A.B.