Journalistin auf Abwegen - Hillary Manton Lodge

  • Ich musste an dem festhalten, was ich glaubte.
    Also, was glaubte ich?
    (Seite 262)


    316 Seiten, kartoniert
    Originaltitel: Plain Jayne
    Aus dem Amerikanischen von Rebekka Jilg
    Verlag: Verlag der Francke Buchhandlung GmbH, Marburg 2010
    ISBN-10: 3-86827-183-X
    ISBN-13: 978-3-86827-183-6


    Bücher Plain and Simple
    - Journalistin auf Abwegen

    - Ganz einfach Sara - Hillary Manton Lodge



    Zum Inhalt (Quelle: eigene Angabe)


    Die Journalistin Jayne Tate wird nach dem Tod ihres Vaters vom Chef in Zwangsurlaub geschickt. Durch das Foto eines Amischmädchens kommt sie auf die Idee, einen Bericht über die Amisch zu schreiben. Also begibt sie sich nicht auf Urlaubs-, sondern auf Recherchereise.
    Dabei trifft sie auf Levi Burkholder, der sie mit Informationen versorgt und mit einer Familie bekannt macht, bei der sie einige Zeit wohnen kann. Daß es sich dabei um seine eigene Familie handelt, verschweigt er erstmal.
    Je mehr Jayne hinter die Kulissen der Gastgeberfamilie blicken kann, um so mehr erkennt sie die "Bruchstellen" in ihrem eigenen Leben und langsam dämmert ihr, daß das mehr als eine reine Recherchereise wird.



    Über die Autorin (Quelle: Verlagsangabe)


    Hillary Manton Lodge ist als Autorin und Fotografin tätig. Sie lebt mit ihrem Mann in Eugene/OR.


    - < Klick > - die Seite zum Buch beim Francke-Verlag (mit Leseprobe als PDF)
    - < Klick > - die Website der Autorin (in englischer Sprache, bisher ohne Inhalte)
    - < Klick > - die Seite bei fantasticficion.co.uk (in englischer Sprache)



    Meine Meinung


    Englische trifft auf Amisch. Darauf ließe sich die Grundkonstellation des Buches reduzieren. Denn hier kommt eine von amischem Wissen völlig unbelastete Journalistin mitten hinein in einen amischen Bauernhof und erlebt einen Kulturschock. Dabei erzählt die Autorin die Geschichte locker leicht mit immer wieder zwischen und auf den Zeilen aufblitzendem Humor, so daß bei mir von leichtem Lächeln bis hin zu lautem Auflachen alles drin war während des Lesens. Und auch jetzt, nachdem das Buch - leider - ausgelesen ist, habe ich noch ein leichtes Lächeln auf den Lippen.


    Dennoch würde ich das Buch nicht nur als „seichte, wenn auch gute Unterhaltung“ bezeichnen wollen, auch wenn zunächst alles danach aussieht. Erst einmal muß eine Idylle aufgebaut werden, bevor sie zerstört werden kann. Beides trifft man hier an. Da ist Jayne, die - von ihrem Chef auf Zwangsurlaub geschickt - keine Lust zum Ausspannen hat und sich von einem Foto zu einem Bericht über die Amisch anregen läßt. Kurzentschlossen fährt sie los und landet bei Levi, den sie nach Informationen befragt. Er kann sie mit einer amischen Familie bekannt machen, wobei er erst Mal verschweigt, daß es seine eigene ist. Er hat nämlich vor Jahren die Amisch verlassen, um seinen Weg in der Welt der Englischen zu gehen. Ganz leise tauchen erste Risse im perfekten Bild des einfachen Lebens auf.


    Die Zeit, die Jayne bei den Burkholders wohnt, geht nicht spurlos an ihr vorüber. Denn mehr, als ihr lieb ist, fühlt sie sich dort heimisch, beginnt ihr bisheriges Leben zu hinterfragen. Da gibt es einige dunkle Stellen, die im Verlaufe der Geschichte nicht alle restlos aufgeklärt werden, was für den Gang der Geschichte allerdings nicht wesentlich ist. Es gibt die Beziehung zu ihrem Freund Shayne, die irgendwie auch nicht geklärt ist. Es gibt das Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrer Schwester, das dringend der Verbesserung bedarf. Und dann gibt es da noch Levi, mit dem sie sich besser versteht, als sie zuzugeben bereit ist. Also die (vermutlich) typischen Zutaten für einen Romance-Schmöker? Nicht ganz, bzw. das ist nicht alles.


    Im Gegensatz zu den sonstigen Amisch-Büchern wird deren Welt nicht als eine heile dargestellt, in der letztlich alles gut ist. Sie ist erstaunlich realistisch, mit ganz menschlichen, bisweilen verbohrten Akteuren. Da ist


    Daß bei etlichen der Protagonisten auch die Frage nach Gott eine Rolle spielt, bedarf bei einem Buch dieses Verlages eigentlich keiner Erwähnung, sondern darf als selbstverständlich und bekannt vorausgesetzt werden.


    So sind also die zu Beginn so klar erscheinenden Verhältnisse, sieht man genauer hin, gar nicht so klar, und das Erscheinen Jaynes bei der Familie wirkt wie ein Katalysator - sowohl für die Gastgeber als auch Jayne selbst, um eine Reihe von Ereignissen in Gang zu setzen. Das Ganze mit einem immer wieder aufblitzendem Humor geschrieben, der etwa die Zeit kurz nach Sonnenaufgang als ... und der Rest des Tages brach an bezeichnet. Um alles, und vor allem den Kulturschock, wenn eine Englische bei einer Amischfamilie einzieht, verstehen zu können, ist es sicherlich nicht verkehrt, wenn man ein paar Grundkenntnise über das Leben und Denken der Amisch hat. Andererseits - das Buch wird in Ich-Form von Jayne erzählt. Manche der Situationen kann sie auch nicht richtig einschätzen, weil ihr das Vorwissen fehlt. Insofern geht es dem Leser nicht besser als der Hauptdarstellerin.


    Nachdem ich einige (inhaltlich) „schwere“ Bücher gelesen hatte, habe ich bewußt zu diesem als „leichtem“ gegriffen. Das war, auch was die Erzählweise und den Humor betrifft, genau die richtige Entscheidung. So ganz nebenbei wurden in einem „leichten“ Buch ohne erhobenen Zeigefinger, moralinsaure Untertöne oder gar missionierend durchaus ernste Themen angesprochen. Mit einem Satz: ich habe mich glänzend unterhalten gefühlt. Oder anders: ein Gute-Laune-Buch mit deutlich mehr Tiefgang, als ich erwartet habe. Eine positive Überraschung, der hoffentlich noch weitere Bücher der Autorin folgen werden. (Ein „Spin-off“ erscheint am 1. September 2010 in den USA, und hoffentlich bald auch bei uns.)



    Kurzfassung:


    Mit teils offenem, teils hintergründigem Humor erzählt die Autorin, wie die englische Jayne auf die Amisch-Familie der Burkholders trifft und sich so deren aller Leben verändert. Mehr oder weniger.



    Edit hat den Hinweis zum Folgeband ergänzt.


    ASIN/ISBN: 3868272240
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Ist sie womöglich ausgebrannt? Jayne Tate ist bereits mit 26 Jahren eine erfolgreiche Journalistin, aber in letzter Zeit gefallen ihrem Redakteur ihre Berichte nicht mehr. Ihr typischer Pfeffer, der vorher in ihr schlummerte, ist verpufft. Ob das mit dem Tod ihres Vaters zusammenhängt? Jayne bestreitet das vehement, hatte sie doch schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm. Genauso wenig wie zu ihrer Mutter und Schwester. Trotzdem bekommt sie Zwangsurlaub verordnet, in dem sie eigentlich in Ruhe wieder zu ihrem alten Selbst finden soll. Als Jayne ein Zeitungsausschnitt über die Amish in die Hände fällt, beschließt sie, in ihrem Urlaub eine Reportage über das Leben der Amish zu schreiben. Kurzentschlossen fährt sie einfach los, ohne Ziel und landet bei Levi Burkholder, einem begnadeten Tischler, der sie zudem noch direkt einer Amish Familie vermittelt. Dass es seine eigene ist, verschweigt er erst einmal, denn seit er sich entschlossen hat, in der Welt der Englischen zu leben, hat sein Vater ihn verstoßen. Die Burkholders nehmen Jayne freundlich auf und erklären ihr die Welt und Denkweise der Amish, soweit sie es vermögen. Schnell fühlt sich Jayne heimisch und geborgen, das Leben in einer großen Familie gefällt ihr und wider Erwarten auch die Beschaulichkeit, die in einem Leben ohne Elektrizität vorherrscht. Kein Telefon, kein Internet und Termine werden lediglich durch den Lauf der Natur vorgegeben. Die Männer arbeiten auf dem Feld und die Frauen im Haus. Selbst die kleinsten Kinder haben schon ihre Aufgaben und helfen fleissig mit. Jayne schließt sofort Freundschaft mit Sara, der ältesten Tochter der Burkholders. Sara ist eine begabte Näherin und steht an einem Scheideweg, denn ihre Volljährigkeit und somit ihre Taufe und Aufnahme in die amische Gemeinschaft steht an. Eigentlich möchte sie aber Modedesignerin werden, dazu müsste sie aber ihre Familie verlassen und in eine Welt eintauchen, die ihr völlig fremd ist. Nachdem ihr Urlaub beendet ist, merkt Jayne, dass ihr die Familie sehr ans Herz gewachsen ist und sie nicht einfach wieder gehen kann. Sie möchte ihnen unbedingt bei einigen Problemen helfen, erkennt aber, dass sie erst ihr eigenes Leben wieder ins Reine bringen muss. Dazu gehört unbedingt eine Aussprache mit ihrer Mutter und ihrem Freund Shane. Denn Levi Burkholder berührt ihr Herz auf eine Weise, die sie bei Shane nie entdeckte. Wie sonst wäre ihr die Enthaltsamkeit in ihrer halbjährigen Beziehung so leicht gefallen?


    Mit viel Witz, Esprit und Herz hat die Autorin eine wundeschöne Geschichte mit Tiefgang erzählt. Es geht nicht nur um die zwei Welten, die aufeinanderprallen, sondern auch um das eigene Entdecken. Was will man im Leben erreichen? Was ist wichtiger, Familie oder Karriere? Fragen, die sich ein jeder irgendwann mal stellt, und ohne große Klischees zeigt die Autorin anhand von Jayne mögliche Lösungen. Nicht nur, dass in ihrem Leben nicht alles stimmt, durch ihr Auftauchen wird auch anderen Menschen bewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Zum einen ist da Sara, die zwar ihre Familie nicht verlassen möchte, aber andererseits Angst vor dem Leben draußen hat. Reicht ihre Begabung für eine erfolgreiche Ausbildung und Erfolg? Sie ist sich bewusst, dass sie dann auf sich selbst gestellt ist, denn die Regelungen der Amish sind sehr streng. Familienmitglieder werden verstoßen, mit ihnen darf nicht mehr kommuniziert werden, wenn sie der Welt der Englischen beitreten. Levi leidet sehr darunter, seine Familie nicht mehr regelmäßig sehen zu können und an ihrem Leben teilzuhaben. Durch seinen nahen Wohnsitz schafft er es zwar, ihnen manchmal zu begegnen, aber sein Vater hält sich streng an die Gebote und straft ihn mit Missachtung. Da aus Jaynes Sicht erzählt wird, bekommt man als Leser eine gute Übersicht über die Sichtweise und Gebote der Amish, nicht jede Gemeinschaft handelt gleich streng. Ihre Großmutter, die sich auch für ein Leben außerhalb der Gemeinde entschieden hat, hält den Kontakt und ermöglicht den Kindern und ihrer Mutter schon mal ein paar Ausflüge in die Welt der Englischen.


    Die Atmosphäre ist das besondere in dieser Geschichte, die Ruhe und Beschaulichkeit und vor allem der Familienzusammenhalt. Aber auch hier ist nicht alles so rosig, wie es sich mancher vorstellt. Die Amishe sind Fremde in ihrem eigenen Land, sie werden belächelt und gedemütigt, meistens von Menschen, die ihre Lebensweise nicht tolerieren oder akzeptieren können. Die Probleme ohne Telefon stellen sich am eindringlichsten dann ein, wenn schnell ein Notarzt gebraucht wird. Die Kinder haben nicht wirklich eine Wahl, sie lernen zwar Lesen und Schreiben in der Schule, viel mehr aber auch nicht. Entscheiden sie sich für ein Leben in der Gemeinde, führen sie es traditionell und die Auswahl der Ehepartner ist sehr bescheiden. Verlockungen sind vielfältig, denn das andere Leben tobt direkt vor der Haustür. Hier eine endgültige Entscheidung zu treffen ist sehr schwer, da gehört schon ein gefestigter Charakter zu.


    Die Charaktere sind nicht eindimensional, sondern mit viel Charme und Tiefgang geschildert. Sie passen sich Ereignissen an und reagieren manchmal verblüffend darauf. Auch die Hintertürchen, die sie sich schaffen, um an Annehmlichkeiten zu kommen, sind witzig und gewieft. Die Geschichte nimmt einen mit, man bangt mit Jayne, auch wenn man ihre Entscheidungen nicht immer gutheißen mag. Das Hin und Her mit Shane dauert zu lange, ihn mit zu ihrer Mutter zu nehmen war schon merkwürdig. Ihre Selbstironie hilft ihr durch manch schwierige Situation, einerseits ist sie ein modernes, motorradfahrendes Mädchen, andererseits lebt sie vor der Ehe enthaltsam. Ihre drei Freundinnen helfen ihr, wo sie können und relativieren einiges mit ihrer ganz eigenen Sichtweise. Mit kleinen Schritten nähert sich Jayne auch wieder ihrer eigenen Familie an, das Quilten, was sie ansatzweise bei den Amish gelernt hat, hilft ihr dabei. Ihre Wandlung ist authentisch, ihre Entscheidungen realistisch. Selbst die kleinsten Nebencharaktere sind noch hervorragend herausgearbeitet, angefangen bei Jaynes Freundinnen und Levis Mitarbeiter und Familie. Sie alle haben ihre ganz eigenen Eigenschaften, die oft ein Schmunzeln erzeugen. Es passiert einiges in der Geschichte, Langeweile existiert beim Lesen nicht. Der Schreibstil ist mit viel Ironie versehen, Jayne akzeptiert jederzeit die ihr fremden Gewohnheiten und versucht nicht, zu bekehren.


    Natürlich ist Gott und die Bibel ein permanentes Thema, der Verlag Francke ist bekannt für seine christlich angehauchten Romane. Unterschwellig immer wieder vorhanden, aber nicht missionierend und auch nicht aufdringlich. Jayne glaubt halt an Gott und geht in die Kirche - aber das machen andere Protagonisten auch. Geschichten über und mit Amishen gehen untrennbar von dem Glauben an Gott, als Leser weiß man schon vorher, was einen erwartet. Störend ist es nicht sondern fügt sich harmonisch in das Gesamtkunstwerk ein. Dazu zählen auch das atmosphärisch schöne Cover und die gute Qualität des Francke Verlages.


    Fazit


    Witzig aber doch mit viel Feingefühl entdecken wir mit Jayne eine uns unbekannte Welt. Diese völlig andere Lebensweise fordert ein Auseinandersetzen mit den eigenen Werten, ein Überdenken der eigenen Situation. Hervorragend gespiegelt die innere Zerrissenheit und die Suche nach dem richtigen Weg. Es werden dem Leser keine allgemeingültigen Lösungen vorgesetzt, sondern er nimmt an einem diffizilen Entscheidungsprozess teil, den nicht nur Jayne durchlaufen muss. Die überaus gelungenen Charaktere verschmelzen zur eigenen Familie, die man nur sehr unwillig wieder aus der Hand gibt.

  • Ganz einfach Sara - Hillary Manton Lodge


    Bald können die Protagonisten aus „Journalistin auf Abwegen“ wieder aufgesucht werden. Im Mai 2011 kommt die Fortsetzung „Simply Sara“ in deutscher Übersetzung heraus. (Ich spoilere die Inhaltsangabe, weil sie wesentliches vom Ende dieses Buches hier verrät.)



    Zum Inhalt (Quelle: Amazon)


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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Mir hat "Journalistin auf Abwegen" gut gefallen. Ein interessanter Einblick in die Welt der Amish.
    Die erste Hälfte habe ich in einem Rutsch verschlungen, so sehr hat mir Jayne Geschichte gefallen. Die zweite Hälfte hat mich dann nicht mehr so gefesselt, Jaynes Versöhnung mit ihrer Familie ging mir irgendwie zu einfach und zum Schluss dreht es sich sehr um den Glauben. Sicher ist das Thema schon vorher präsent, aber zuvor passierte gleichzeitig auch viel.
    Aber alles in allem: ein nettes Buch, dafür gibt es von mir 8 Punkte.