Krimikomissare - Der gemeine Waschlappen

  • Warum ist das so? Ich habe jetzt bereits den zweiten aktuellen deutschen Krimi hintereinander gelesen, in dem der Komissar noch relativ jung (also unter 40) ist, aber irgendwie erfolglos bei Frauen, bekommt einen Bauchansatz, auch die Haare werden dünn, im Umgang mit den Verbrechen sind sie unspektakulär und irgendwie tappsig, das Privatleben ein detailreiches Nichts mit psychologischem Familienhickhack, und mein Kopfkino zeigt mir immer so eine Mischung aus Poirot und Columbo, obwohl die Herren ja als viel jünger genannt werden. Woher kommt das? Gibt es keine Männer mehr unter den Komissaren der Next Generation? In den aktuellen Fällen waren die Autoren weiblich, ist das das Männerbild der deutschen Krimiautorinnen oder lediglich ein spezieller Trend, der mir entgangen ist?


    Ich muss sagen: Ich stehe auf die Lynleys, auf Männer, die sich noch männlich geben, männliche Dinge tun und männliche Probleme haben, attraktiv sind, Frauen ansprechen, auch mal Herzschmerz verursachen, anpacken, stolz sind, all dieses Zeug halt. Würd mich interessieren, was andere Krimileser dazu denken.


    Liebe Grüße,
    Waltraud

  • Die von dir zitierten Krimikommissare sind halt ganz normale Menschen. Und so werden sie offensichtlich auch dargestellt. Alles andere wäre doch ein völlig unrealistischer "Helden-Mix". Und Männer um die 40 bekommen nun einmal in der Regel dünnere Haare, auch der Bauchansatz weitet sich aufgrund der überwiegend ungesunden Nahrungsaufnahme.


    Bei den Kommissarinnen sind mir Frauen mit Cellulitis lieber als irgendwelche Silikon-Tussis. Auch in Kriminalromanen sollten Menschen in erster Linie Menschen bleiben, unrealistische Kunstfiguren stossen meist nur ab.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hmm gute Frage. :gruebel
    Bisher war mir das realtiv egal.


    Waschlappen mag ich da auch weniger, die Supermänner kann ich aber erst recht nicht ausstehen.
    Gar nicht ausstehen kann ich Typen wie Schimanski


    Hmm, ich glaub, am liebsten sind mir männliche Kommissare wenn sie "normal" sind.
    Auch wenn es normal in dem Sinne ja nicht gibt.


    Ich sachs mal so.
    Meine "Lieblingshelden" sind meist die Protagonisten bei Dick Francis. Das sind dann allerdings keine Kommissare sondern Duchschnittstypen, die irgendwie immer in die Fälle hineinrutschen.
    Aber eben keine Superhelden - gestählte Körper hochintelligent, können jede Frau haben und so einen Blödsinn. Allerdins auch keine Null Acht fuffzehn Weichlinge.
    Eben einfach Kerle von Nebenan, die mir sympathisch sind durch kleine normale Macken, halbwegs "normale" Handlungsweise.
    Auch mal menschliche Fehler haben.

  • Hallo Voltaire! Ich will mal ganz ehrlich sein: Wegen "normalen Menschen" lese ich keine Romane. Die wohnen nebenan, begegnen mir im Bus, die sehe ich im Spiegel. In Romanen erwarte ich mir etwas, das "larger than life" ist, etwas Ungewöhnliches, Interessantes, was nicht sofort bedeuten muss, dass es sich um unreale Superhelden handelt. Aber ich bin eben maßlos enttäuscht, wenn der "Held" so normal ist, dass mich nichts an ihm fesselt. Lynley zB ist ja auch kein "Helden-Mix", aber er hat ein gewisses "Etwas", das mir als Leserin Vergnügen macht. In den letzten Krimis, die ich gelesen habe, kam es mir eher so vor, als würde mühsam versucht, den Komissar möglichst "normal" sein zu lassen und der Bauchansatz zum Prinzip erklärt, statt, wie auch bei normalen Menschen, nebenbei gesagt, nach Höherem Ausschau gehalten. Das war es, was mich gestört hat.


    Liebe Grüße,
    Waltraud

  • Zwischen Superheld und Jammerlappen muss es doch noch einen Mittelweg geben! Die "Helden" dürfen gern normal sein, das schätze ich sogar. Aber bittschön nicht andauernd rumplärren und Nabelschau betreiben.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Zitat

    Original von schlummerschaf
    Hallo Voltaire! Ich will mal ganz ehrlich sein: Wegen "normalen Menschen" lese ich keine Romane. Die wohnen nebenan, begegnen mir im Bus, die sehe ich im Spiegel.


    Auch wenn ich nicht Voltaire bin :wave - Ich denke, da sind die Vorlieben sehr unterschiedlich. Ich mag es zum Beispiel nicht, wenn ich das Gefühl habe, der Autor will seinem Kommissar unbedingt ein spannendes Privatleben konstruieren, denn meist wirkt es dann auch konstruiert. Ich finde die Macho-Komissare, also die "echten" Männer, haben doch auch keine große Besonderheit. Meist kommen sie morgens verkatert zum Dienst (weil sie "irgendwie" ein Alkoholproblem haben), sind alleinerziehende Väter (momentan absolut angesagt), bewegen sich generell an der Grenze der Legalität und werden häufig zwischenzeitlich suspendiert (und ermitteln dann selbstverständlich auf eigene Faust weiter - natürlich erfolgreich...).


    Es scheint schwer zu sein, einen ungewöhnlichen, aber authentischen Ermittler zu schaffen und nicht jeder Autor bekommt da eine gute Figur hin.
    Mir persönlich gefallen die Ermittler von Nele Neuhaus, die aber auch irgendwie nur normal sind...Ein Bauchansatz ist mir aber bisher nicht aufgefallen, da muss ich mal näher hinsehen... :wave

  • Vielleicht hab ich mich falsch ausgedrückt. Ich finde es auch nicht gut, wenn irgendwelchen Figuren Biografien "konstruiert" werden. Aber nach der Lektüre der letzten Zeit hatte ich das Gefühl, die Konstruktion der "Normalo-Bio" ist gerade sehr in. Wie Vandam finde ich auch, dass Mittelwege denkbar sind. Glaubwürdige Figuren sind mir sogar extrem wichtig. Aber "glaubwürdig" und "interessant" schließen sich doch nicht gegenseitig aus. Grade Komissare, die meist auf ganze Serien angelegt sind, müssten doch irgendwas an sich haben, das einen als Leser fesselt, oder? Ich finde eben diese neuen "Waschlappen" so unspannend. Sie langweilen mich. Dabei sind sonst die Komissare meine Lieblingsfiguren. Aber ich finde es total öd, wenn schon wieder so ein Normalo-Ermittler zwanghaft normal durch die Gegend ermittelt und man fragt sich, wie der seine Fälle löst, ohne den Esprit, Charme, Witz, Klugheit oder Fantasie, die solche Ermittler sonst immer ausgezeichnet hat. Waren die alle für euch unglaubwürdig? Und sogar wenn, pfeif drauf, das waren doch herrliche Macken schräger Vögel, tolle Hechte voller Action, verquere Intelligenzler und witzige Charmeure. Die Normalos können mir da echt gestohlen bleiben. ;-)


    Liebe Grüße, Waltraud

  • :gruebel Hast du es schon mal mit Kluftinger versucht? Ich finde die Figur sehr nett gemacht und er hat so seine Ecken und Kanten, allerdings ist seine Art nicht jedermanns Sache- aaaber er ist noch ein "echter" Mann (allerdings ein richtiger Macho)... :wave
    Ich habe mir eben meine Bücherwand angesehen und die ganze Zeit überlegt und überlegt, wen ich denn noch nennen könnte und mir ist niemand eingefallen, also muss ich dir zustimmen, so ein richtiger "Charakter" ist selten zu finden und zur Zeit wohl "out".

  • Bei den Klufinger-Krimis ist es ja schon fast so, dass das Privatleben des Ermittlers mehr in den Vordergrund tritt als der eigentliche Mordfall, was mir allerdings nichts ausmacht, ich finde Klufti herrlich.
    Wenn die Story an sich interessant ist, dann ist es mir eigentlich nicht soo wichtig, ob ich den Ermittler interessant oder sympathisch finde oder nicht.

  • Die Waschlappenmentalität der deutschen Kommissare geht mir auch auf den Geist. Ebenso die der gottverdammten und überemanzipierten skandinavischen Ermittler.
    Besser sind die toughen Überfrauen in der Krimibranche mit ihren Waschlappenmänner, die sich in erster Linie durch Unentscheidungsfreudigkeit auszeichen, allerdings auch nicht.


    Positiv überrascht und deshalb einer meiner Lieblingspolizisten ist Javier Falcón, dessen geistiger Vater zwar in vier Romanen seinen Helden etwas überzeichent und trotzdem einen sympathischen, nicht ständig betrunkenen und doch melancholischen Protagonisten geschaffen hat.

  • Ja, Kluftinger ist klasse! Irgendwo zwischen Normalo und der Parodie einer armen Sau, die mit der Technik nimmer mitkommt und im Dauerclinch mit dem Nachbarn, diesem angeberischen Doktor liegt. Er kann ihm nicht mal aus dem Weg gehen, weil die Ehefrauen befreundet sind. Und immer wieder lässt er sich in Aktivitäten reinquatschen, auf die er so überhaupt keinen Bock hat (Musikverein, Tanzkurs, Theater ...).


    Aber auch wenn daheim die Frau die Hosen anhat: Im Job wurstelt er so lange, bis er mit seinen Leuten den Fall gelöst hat.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner