Zum Inhalt:
Maja Sternberg hat zehn Jahre lang so gut wie keinen Kontakt zu ihrer sehr selbstbewussten, karriereorientierten Mutter Lilli gehabt, als sie sich nach einem überraschenden Anruf von ihr und der Bitte um ein Treffen auf den Weg nach Wien macht. Doch sie kommt zu spät: die Mutter ist tot, die Polizei geht von Selbstmord aus, was Maja nicht glauben kann und will. Von Schuldgefühlen geplagt beginnnt die konsternierte Tochter, den Nachlass zu regeln und stößt dabei auf überraschende Entdeckungen: Lilli scheint in einem sogenannten „Lebensborn“-Heim, einer Einrichtung der Nazis für ledige Mütter, auf die Welt gekommen zu sein, außerdem ähnelt das Kind auf einem Bild von der Großmutter aus dieser Zeit kein bisschen der späteren Lilli. Maja lässt nicht locker und taucht immer tiefer in die Familiengeschichte ein, lernt dabei Roman Sartorius kennen, zu dem sie sich trotz einer bestehenden Partnerschaft seltsam hingezogen fühlt und stößt schließlich auf ein Manuskript, das Unglaubliches enthüllt…
Meine Meinung:
Über weite Teile wechseln sich in diesem Buch je ein Kapitel aus der Sicht von Maja und ein Kapitel des Manuskriptes ab, das von der weit zurückliegenden Vergangenheit erzählt. Die Vergangenheitsteile erlebte ich als spannender und intensiver, wohingegen die Gegenwartselemente stark beginnen, in der zweiten Hälfte jedoch nachlassen und gegen Ende hin sehr konstruiert wirken. Gut gefallen hat mir, dass in Majas Erzählung konstant eine nachspürbare düstere Atmosphäre vorherrscht, geprägt von ihrem Seelenzustand nach dem Tod ihrer Mutter und von ihren Schuldgefühlen, als Tochter versagt zu haben. So erscheint die Ich-Erzählerin anfangs auch recht sympathisch mit ihrer Seelenpein und ihrem Willen, alles Verborgene in der Lebensgeschichte ihrer Großmutter ans Licht zu bringen sowie Gewissheit zu erlangen, ob Lilli nun Freitod begangen hat oder ob doch mehr dahintersteckt. Leider hat Maja dabei immer wieder ruckartige Eingebungen, an mehreren Stellen wird ihr „plötzlich etwas klar“ und „unmittelbar weiß sie etwas“, das finde ich stilistisch unsauber und abgesehen davon reichlich theatralisch.
Ohne inhaltlich allzu viel verraten zu wollen, wirkt das beinahe krimiartige Ende auf mich ein wenig überkonstruiert und auch in seiner Ausprägung unglaubwürdig, wenn auch nicht völlig von der Hand zu weisen; insgesamt sind es wie anfangs erwähnt die Manuskriptteile, die mich mehr zu fesseln vermochten und die einfach stringenter sind.
Vom Schreibstil her gibt es abgesehen von Majas erratisch auftretenden plötzlichen Erkenntnissen nichts zu bemängeln, über weite Teile lässt sich das Buch durchaus angenehm und flüssig lesen, wenn auch an manchen Stellen in der Gegenwart eine Langatmigkeit nicht ganz von der Hand zu weisen ist.
Fazit: so ganz hält das „Herbstvergessene“ nicht, was die Leseprobe versprach, schlecht ist es aber auch nicht. Eine Familiengeschichte mit drei Frauengenerationen und einigen dunklen Geheimnissen, in der schlussendlich zwar nicht alles ganz logisch erscheint, man aber auch nicht das Gefühl hat, Lesezeit verschwendet zu haben.