Schwerkraftzeit/Heavy Time
Bildet gemeinsam mit "Höllenfeuer/Hellburner" den Doppelband "Devil to the belt".
Inhalt:
Irgendwann im frühen 24. Jahrhundert ist ein Krieg ausgebrochen zwischen der Erde und ihren Kolonien, die sich zur "Union" zusammengeschlossen haben. Ein wichtiger Machtfaktor auf der Erde ist "Earth Company", die u.a. damit beschäftigt ist, von Raumstationen im sog. "Belt" – einem Meteoritengürtel, würde ich jetzt mal vermuten – aus Erze, die aus den Meteoriten gewonnen werden, zu verarbeiten. Gefunden werden diese wertvollen Erze von kleinen Schiffen, die meist unabhängig leben und arbeiten, oder dies zumindest versuchen.
Eines dieser Schiffe ist "Trinidad" betrieben von Morrie Bird und seinem Partner Ben Pollard. Bei einem Trip stoßen sie auf die hilflos im All treibende "Way out" und finden darin einen Überlebenden, Paul Dekker. Hätten sie ihn nur mal besser drin gelassen …
Dekker ist arg verwirrt und macht vor allem Ben höchstgradig nervös. Nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft! Was ist Dekker zugestoßen? Ist er ein gefährlicher Irrer oder hat hier jemand falsch gespielt? Und was wurde aus seiner Partnerin Corey?
Meinung:
Ich finde es absolut faszinierend, dass ich in der Lage war, dieses Buch einst zu lesen und davon kaum Bahnhof zu verstehen, denn es war, als hätte ich es jetzt zum ersten Mal gelesen. Und grenzenlos genossen. Ja, es ist ein etwas "schweres" Buch, es passiert nicht übermäßig viel, ehe sich dann gegen Ende die Ereignisse überschlagen, nicht untypisch für Cherryh. Aber es ist dennoch auf keiner Seite langweilig, ganz im Gegenteil. Ich habe nun mal eine Schwäche für Charaktere, Verhältnisse und Konflikte und die liebe Cherryh schreibt da wirklich total auf meiner Wellenlänge.
Es war für mich ein reines Vergnügen, Morrie, Ben und ihren, hm, sagen wir, Verbündeten, Meg Kady und Sal Aboujib, dabei zuzusehen, wie sie mit dem armen Dekker umgehen. Der, gestrandet auf einer Raumstation, ohne Schiff – das ihm Ben mit Begeisterung geklaut hat – hat gar keine andere Wahl, als sich ausgerechnet diesen Leuten anzuschließen. Bird ist noch der freundlichste, denn sonst haben sie alle vor, diesen verwirrten jungen Mann für ihre Zwecke einzusetzen. Der Beginn wunderbarer Freundschaften, sag ich doch! Und dann ist da noch die Company, der es nur recht wäre, wenn Dekker einfach verschwinden würde, bevor er sich an zu viel erinnert.
Ich liebe Cherryhs Charaktere und hier ganz besonders den eigentlich unsympathischen Ben. Fragt mich nicht, warum. Aber sehen lassen können sie sich alle, wie üblich inkl. der Damen. Es ist auch nicht unmutig, eine Figur wie Dekker zu haben, der fast das gesamte Buch über neben sich steht.
Das Buch ist neben all den Intrigen und politischen Verwicklungen auch deshalb nicht einfach zu lesen, weil es mit Begriffen um sich wirft, von denen man glaubt, man müsse sie kennen, belt, rab, shepherds, etc. Diesmal habe ich es, glaube ich, kapiert. Mehr oder weniger. Besonders bei Meg mit ihrem rab Slang hat man gelegentlich den Eindruck, sie würde eine fremde Sprache sprechen. Man sollte sein Hirn also nicht unbedingt ausschalten, das hilft. Würde mich brennend interessieren, wie man dieses Buch übersetzt hat. War sicher nicht einfach.
Faszinierend ist auch die Belter-Kultur, die Cherryh hier erschafft. Die Leute, die wie Ben oder Sal hier aufgewachsen sind, kennen die Erde (oder Shakespeare!) nicht nur nicht, es interessiert sie auch kein bisschen. Und dieser kulturelle Hintergrund scheint auch der Schlüssel zB zu Bens Charakter zu sein.
Fast schade, dass dieses Buch das einzige ist, das sich damit beschäftigt, da wir in diesem literarischen Universum das unsrige bald verlassen.
Rein chronologisch steht dieses Buch am Anfang der Merchanter/Alliance/Union-Romane, wurde aber später geschrieben. Früher habe ich davon abgeraten, es am Anfang zu lesen, weil ich es als mühsam in Erinnerung hatte. Diesmal habe ich es grenzenlos genossen und verschlungen. Musste ich reifer werden oder nur aufmerksamer?
PS: Witzig, eigentlich habe ich das Buch nur deshalb noch einmal gelesen, weil ich "Hellburner" endlich noch mal lesen wollte, eine meiner Lieblings-Cherryhs. Aber das geht nur gemeinsam mit "Heavy time". Ich bereue nichts. Und jetzt auf zu "Hellburner", das die direkte Fortsetzung bildet.
Edit: Link zum zweiten Buch angefügt.
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