Das ist Politik
Der neueste Roman des schottischen SF-Autors, der für seine komplexen Personalstrukturen, intensiven Gesellschaftsskizzen, originellen Weltenentwürfe und intelligenten, kritischen Ansätze bekannt ist, dürfte die Fangemeinde gehörig verstören. Ich bin da keine Ausnahme. Aber "Welten" ist überhaupt kein Science Fiction-Roman. Irgendwo um Seite 500 herum sagt eine Figur: "Das ist Politik." Und genau das gilt für das gesamte Buch.
Aus wechselnden Perspektiven erzählt Banks - so glaubt man jedenfalls - von einem knappen Dutzend Figuren. Ein stark sedierter Mann liegt offenbar in einer psychiatrischen Klinik, erinnert sich nicht an seine Vergangenheit, weiß aber, dass er in eine enorme Verschwörung verstrickt war. Er ist sich nie sicher, ob er nur halluziniert oder ob er tatsächlich jener Gesuchte ist, der sich vor dem mächtigen Konzern versteckt. Dieser (geheime) Konzern kontrolliert die "Springer", also Leute, die mit Hilfe der Droge "Septus" dazu in der Lage sind, zwischen den Welten zu springen. Diese Welten sind mehr oder weniger Abbilder unserer Erde, zu verschiedenen Zeiten, mit verschiedenen Geschichtsverläufen (so ist in einer davon das Jetztzeit-Moskau eine von Ruinen durchsetzte Wüstenlandschaft, und in einer anderen ist alles Leben vernichtet), mit unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen. Es gibt Formen, die von Kapitalgesellschaften beherrscht werden, und es gibt eine Welt, in der jagen amerikanische Folterer christliche Terroristen. Wenn die Springer Welten wechseln, landen sie in den Körpern von irgendwelchen Leuten, deren Fähigkeiten sie übernehmen, die aber plötzlich mit dem Bewusstsein der Springer ausgestattet sind. Ihre Aufgabe: Die Verhinderung von Katastrophen. Mal sind es nur kleine Eingriffe, wenn etwa ein Arzt, der später Großes leisten soll, derart abgelenkt wird, dass er nicht ein Gebäude betritt, das Sekunden später in die Luft fliegt. Oft aber wird auch gemordet. Welche Ziele der auftraggebende Konzern verfolgt, ist nicht immer klar. Es scheinen gute zu sein, aber dann stellt sich auch immer wieder die Frage, wie gut eine Welt sein kann, für die das Blut von Mordopfern vergossen werden musste.
Wo Macht besteht, gibt es Leute, die diese Macht vereinnahmen wollen. Eine Dame, die sich die eigene Unsterblichkeit dadurch gesichert hat, dass sie im hohen Alter einfach in jüngere Körper springt, versucht, den Zentralrat des Konzerns zu kontrollieren. Eine Anwärterin auf den Zentralrat hat diese Verschwörung entdeckt und probt den Widerstand. Und sie versucht, jenen - extrem talentierten - Springer, dessen Geschichte hauptsächlich erzählt wird, für diesen Kampf zu gewinnen. Spätestens gegen Ende des zweiten Drittels ahnt der aufmerksame Leser, dass es sich um genau jenen Mann handelt, der sich in der psychiatrischen Klinik versteckt.
Am Ende des nicht immer spannenden Buches bleiben viele Fragen offen, aber auf dem Weg dorthin werden einige diskutiert, etwa die Rechtfertigung von Folter im Angesicht des Terrorismus', der Wert des einzelnen Menschen im Hinblick auf Möglichkeiten, mit seinem geplanten Tod die gesamten Strukturen zu verbessern und ähnliche. Nicht alles ist wirklich nachvollziehbar, und vieles blieb mir, wie ich zugeben muss, auch nach der letzten Seite noch rätselhaft. "Welten" ist sicherlich eine Parabel, dann aber auch wieder nicht. Das Buch hat SF-Elemente, ist aber, wie erwähnt, unterm Strich keineswegs ein SF-Roman.
Leider ein sehr zäher, worüber auch die hin und wieder - für Banks-Verhältnisse allerdings selten - aufblitzende sprachliche Brillanz nicht hinwegtäuschen kann. In gewisser Weise scheint es dem Autor nicht gelungen, Idee, Botschaft und Setting abschließend unter einen Hut zu bringen. "Welten" wirkt unfertig. Handlungsstränge versanden oder sind am Ende längst nicht so bedeutungsvoll, wie anfangs vermutet. So spielt die im (völlig absurden) Klappentext erwähnte Figur zwar eine wichtige Rolle, aber ihre akribisch erzählte Geschichte habe zumindest ich als letztlich bedeutungslos empfunden. Natürlich enthält auch diese bemerkenswerte, sehr interessante Elemente, aber von sich verbindenden Handlungssträngen kann hier nur mit sehr viel gutem Willen gesprochen werden. Es gibt fraglos sehr bemerkenswerte Kapitel, etwa, wenn "der Philosoph", der ein Berufsfolterer ist, über die Implikationen seiner Tätigkeit nachdenkt, und einen ehemaligen Polizisten - inzwischen Terrorverdächtiger - als "Klienten" hat, der seinerseits einem Verdächtigen mit Folter Informationen abpresste, und sich deshalb praktisch freiwillig in Haft begeben hat.
Ich verstehe "Welten" als Warnung, als Warnung vor den Möglichkeiten, die sich eröffnen, wenn man falschen Fährten folgt und die Mächtigen tun lässt. In dieser Hinsicht funktioniert das spröde Buch auch. In jeder anderen Hinsicht ist es, vor allem eben für Banks-Fans, eine Enttäuschung.