Verlag:Frederking & Thaler, 2000, 134 Seiten
Mit Glossar
Übersetzung aus dem Shona-Englisch von Ilija Trojanow
Rückseite:
In meinem Schlaf sah ich viele Wolken von Süden nach Norden treiben. Ich sah Wolken vom Ort des Sonnenaufgangs zum Ort des Sonnenuntergangs treiben.
Ich sah dunkle Himmel bedeckt mit unbekannten Wolken. Dann hörte ich viele Stimmen des Krieges, wiederbelebte Kriegslieder, geschaffen für den Kampf meines Volkes. Mütter, Kinder, Bäume, Insekten, Vögel, Tiere, alle stimmten in die Kriegslieder ein.
Ich sah viele Knochen, verstreut auf ausgedehnten Ebenen, auf den Hügeln. Knochen ausgebreitet wie rauhe Matten am Ufer der Flüsse und im Wasser. Aber die Fische würden sie nicht essen. Sich erhebende Knochen. Sie redeten in vielen Sprachen, die ich alle verstand.
Zungen voller Feuer, nicht Asche.
Wolken von Knochen erhoben sich, vom Schlachtgrund und hüllten die Himmel ein wie unzählige Regenvögel, die die Jahreszeit grüßen wollen. Es waren so viele
Knochen, ich konnte sie nicht zählen. So viele, daß der Himmel Tränen regnete.
Über den Autor
Chenjerai Hove, geb. 1954 in Mazvihwa, Simbabwe, studierte Englisch und Literatur und arbeitet als Journalist und Lektor. Er gilt heute als einer der bedeutendsten Literaten des afrikanischen Kontinents. Der Roman Knochen wurde in 6 Sprachen übersetzt und 1989 mit dem Noma-Preis, dem prestigeträchtigsten Preis für afrikanische Literatur ausgezeichnet.
Über den Übersetzer
Ilija Trojanow, geb. 1965 in Bulgarien, aufgewachsen in Kenia, studierte und arbeitete viele Jahre in Deutschland. Seit 1998 lebt er in Bombay. Trojanow ist Autor, Herausgeber und Verleger. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit afrikanischer Geschichte, Kultur und Literatur. Der Autor erhielt zahlreiche Preise: 1995 den Bertelsmann-Literaturpreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, ein Aufenthaltsstipendium im Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf sowie ein Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds e.V., 1996 den Marburger Literaturpreis, 1997 den Viktor-von-Scheffel-Preis und Thomas-Valentin-Preis der Stadt Lippstadt und 2000 den Adelbert-von-Chamisso-Preis. 2009 wurde ihm der Preis der Literaturhäuser verliehen und 2010 wurde er als 'poetischer Chronist der großen Exil- und Migrationsphänomene der Moderne' mit dem Würth-Preis geehrt.
Meine Meinung
Der Roman beschreibt die Lebensgeschichte der Farmarbeiterin Marita und ihrer Freundin Janifa.
Janifa, die auch Jennifer genannt wird, erzählt den größten Teil der Geschichte, aber der Roman ist komplex geschrieben und vielstimmig und man muss als Leser darauf achten, wer gerade spricht.
Die Handlung führt nach Simbabwe, in die Zeit kurz vor der Unabhängigkeit 1980, als das Land noch Rhodesien hieß und von der weißen Minderheit regiert wurde. Die Shona waren als Arbeiter fast wie Sklaven gehalten.
Ein Exemplar der skrupellosen Herrschaft ist der weiße Farmer Manyepo, der seine Arbeiter schikaniert, ausbeutet und erniedrigt. Marita arbeitet hart für ihn, bis ihr einziger Sohn verschwindet. Sie macht sich auf die Suche nach ihm, dabei wird sie schließlich von Soldaten aufgegriffen, verhört, gefoltert und vergewaltigt. Der Roman verschweigt keine Grausamkeiten, die Realität für die arme schwarze Bevölkerung, insbesondere Frauen im Krieg, war. Diese Härten machen den Roman schwer verdaubar, aber die poetische Verarbeitung des Textes lasen ihn lesbar werden. Außerdem war Marita nicht nur Opfer, sonder in erster Linie eine hart arbeitende Frau, die sich auch für andere einsetzte.
Chenjerai Hove ist auch ein wichtiger Lyriker, das merkt man auch seinem Roman an. Er schafft es durch seine poetisch verschachtelte Art zu schreiben, der Geschichte eine große innere Substanz zu verleihen, die den Leser packt und fesselt.
„Knochen“ ist sicher kein gewöhnliches Buch, es ist in den Details ziemlich verschlüsselt, aber das Nachwort des Übersetzers gibt viele Erläuterungen.