Lohn des Todes - Ulrike Renk. Eifelthriller

  • Die Spoiler-Info kann man getrost mitlesen (muss man aber nicht). Sie enthält keinen Geheimnisverrat, nur weitere Informationen über einzelne Handlungsstränge.


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    Ulrike Renk: Lohn des Todes - Eifelthriller. Berlin 2010, Aufbau Verlag, ISBN 978-3-7466-2665-9, Taschenbuch, 278 Seiten, Format: 11,5 x 19 x 2 cm, EUR 8,95 (D), EUR 9,20 (A)


    Gefesselt. Geschlagen. Vergewaltigt. Ausgehungert. Ausgeblutet. Wieder tauchten die Worte in meinem Kopf auf.
    „(...) Jeweils ähnliche Vorgehensweise. Übeinstimmende Täter-DNS. Keine Verbindung zwischen den Opfern. Kein Motiv.“ (Seite 34)


    Drei Wohnsitze haben die Kinder- und Jugendpsychiaterin Constanze „Conny“ van Aken und ihr Lebensgefährte Martin: eine Wohnung in Aachen, ein WG-Zimmer in Köln, das der Rechtsmediziner Martin während der Arbeitswoche nutzt, und ein gemeinsames Wochenendhaus in der Eifel, in dem sich die beiden so oft wie möglich treffen.


    Als Conny an einem Freitagnachmittag mit Hund Charlie spontan ins Wochenendhaus fährt, staunt sie nicht schlecht. Sie findet dort ein halbes Dutzend Leute vor: Martin, dessen Assistentin Maria sowie diverse Wissenschaftler und Polizisten. Hatte Martin nicht gesagt, er müsse übers Wochenende in Köln bleiben und an einem Fall arbeiten?


    Besonders die Anwesenheit von Maria ist Conny ein Dorn im Auge. Sie hat schon länger den Verdacht, dass Martin und seine Assistentin mehr sind als nur Kollegen. Martin ist das überraschende Auftauchen seiner Lebensgefährtin sichtlich unangenehm und Conny fühlt sich wie ein Eindringling im eigenen Haus. Wenigstens erklärt ihr einer der Herren, was sie hier tun: „Robert Kemper, BKA. Wir arbeiten an einer OFA, einer operativen Fallanalyse.“ (Seite 13). Was das ist, weiß Conny: Die Deutsche Art des Profiling. Ein Team aus verschiedenen Spezialisten erarbeitet gemeinsam das Profil eines Serientäters. Und einen entsprechenden Fall hat die Kripo Köln derzeit auf dem Tisch.


    Drei Opfer gibt es bis jetzt, und alle wurden auf bestialische Weise misshandelt und ermordet. Bei jedem Toten wurde ein 5-DM-Stück auf oder im Körper gefunden sowie dieselbe Täter-DNS. Nur was diese drei Menschen gemeinsam hatten und worin das Tatmotiv bestehen soll, das ist den Ermittlern ein Rätsel.


    Einen Psychologen könnte das OFA-Team noch gebrauchen. BKA-Mann Robert Kemper hätte gerne Conny für den Job. Er weiß, dass sie fürs Gericht Schuldfähigkeitsgutachten schreibt und dass der Aachener Staatsanwalt Werner Bromkes ihre Arbeit in den höchsten Tönen lobt. Doch er weiß auch, dass Conny sich gerade von einem traumatischen Erlebnis erholt (ECHO DES TODES, Aufbau Verlag, ISBN 978-3-7466-2549-2) und zudem noch allerlei private Probleme hat.


    Conny hat überhaupt keine Lust, mit Martin und seiner mutmaßlichen Geliebten in einem Team zu arbeiten und sich mit extremen Gewalttaten zu beschäftigen. Doch als sich herausstellt, dass das jüngste Mordopfer, Sonja Kluge, als Kind bei ihr in Behandlung war, ändert Conny ihre Meinung. Sie glaubt, es Sonja schuldig zu sein, den Mörder zu finden, und schließt sich der OFA an.



    Ein rätselhafter Aktenvermerk in den Unterlagen eines der Opfer lässt Conny keine Ruhe. Haben sie wirklich alle Informationen, die sie für den Fall brauchen? Oder sind sie vielleicht ganz und gar auf dem Holzweg? Sie beschließt, der Ungereimtheit auf den Grund zu gehen. Dass sie nicht auf eigene Faust ermitteln soll, weiß sie spätestens seit den schrecklichen Ereignissen im vergangenen Herbst (ECHO DES TODES). Doch was kann bei einem Blick in ein paar staubige Akten schon schief gehen? – Mehr als allen lieb ist ...


    Voller Entsetzen erlebt der Leser mit, was Menschen bereit sind, anderen anzutun. Und dabei kann man sich nicht einmal auf die beruhigende Gewissheit zurückziehen, dass all diese Grausamkeiten nur Fiktion sind, ausgedacht von einer erfahrenen Autorin. Das stimmt zwar, doch sind die Ereignisse erschreckend nahe an der Realität. Beinahe täglich wird man in den Medien mit Schreckensmeldungen konfrontiert, die denen im vorliegenden Roman in nichts nachstehen.


    In Ulrike Renks Eifelthriller gibt es keine von Haus aus bösen Monster. Täter und Opfer sind Menschen mit Vorgeschichte und Beweggründen. Und bei näherer Betrachtung verschwimmen die Grenzen. Täter sind auch Opfer, und so manches Opfer ist auch Täter. Es gibt auch keine Superhelden. Die Menschen, die auf der Seite von Recht und Gesetz stehen, haben Fehler, Schwächen und Probleme, wie wir sie alle kennen.


    Besonders Constanze van Aken ist eine Person mit Ecken und Kanten. Mit Job, Beziehungskrise und dem alltäglichen Wahnsinn des Familienlebens hat sie mehr als genug am Hals. Dazu laboriert sie noch an den Folgen einer traumatischen Erfahrung. Doch zur Freude des Lesers versinkt sie angesichts ihrer Probleme nicht in Schwermut wie so mancher Romankollege aus nördlichen Gefilden, sondern nimmt den Schlammassel, der derzeit ihr Leben ist, mit bissigem Humor.


    Für ihre Mitmenschen ist es bisweilen anstrengend, wenn Conny eine Situation professionell analysiert, mit spitzer Zunge kommentiert – und dabei zielgenau die Stelle trifft, die weh tut. Nein, einfach ist Conny nicht. Aber sie ist intelligent, eigensinnig und geht den Dingen auf den Grund. Im Grunde braucht sie niemanden, sie trifft alle ihre Entscheidungen selbst. Ihre Wissbegier, ihr Eigenständigkeit und ihre Stärke sind bewundernswert, aber genau diese Eigenschaften sind es auch, die sie oft in Schwierigkeiten bringen.


    Schlecht für Conny – aber immer wieder spannend und aufregend für den Leser.


    Die Autorin:
    Ulrike Renk, Jahrgang 1967, studierte Literatur- und Medienwissenschaften und lebt mit ihrer Familie in Krefeld.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

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  • Der „Lohn des Todes“ setzt einige Monate nach dem „Echo des Todes“ ein. Constanze ist noch immer traumatisiert und lässt selbst ihren Lebensgefährten Martin nicht an sich heran. Als Folge dessen entfernen sich die beiden voneinander und er stürzt sich in eine Affäre mit seiner Kollegin Maria. Constanze kommt natürlich dahinter und ist am Boden zerstört. Noch komplizierter wird ihr Leben dadurch, dass eine frühere Patientin von ihr ermordet wird. Offenbar die Tat eines Serienmörders. Unfreiwillig beteiligt sie sich mit an der Ermittlungsarbeit. Auch wenn dies bedeutet, mit Martin und auch Maria arbeiten zu müssen. Allerdings ist da auch noch der äußerst verständnisvolle Kommissar Robert, der scheinbar immer die richtigen Worte zur richtigen Zeit kennt.
    Um den „Lohn“ vollständig zu verstehen, ist es ratsam, zuvor den ersten Band „Echo“ zu lesen. Zwar versteht man die Handlung auch ohne, allerdings werden manche von Constanzes und Martins Taten dadurch plausibler. Der zweite Band ist eine gelungene und deutlich düstere Fortsetzung. In die Jagd nach dem Serienmörder ist Constanze quasi von Anfang an involviert. Genau wie sein Vorgänger, ist auch diese Geschichte wieder angenehm realitätsnah und psychisch subtil. Schade, dass die Reihe nicht so erfolgreich war und deshalb (bisher) kein dritter Band folgte.