Klappentext:
Patrick verliert mit zehn Jahren seinen Vater, weil die Mutter diesem auf einer Landstraße energisch ins Lenkrad greift – sie sieht ihr Idol Albert Einstein mitten auf der Straße stehen. Der Wagen prallt gegen einen Baum, der Vater stirbt, die Mutter wird in die Psychiatrie eingeliefert. Dem Heranwachsenden gelingt es, sein Leben so einzurichten, dass weder die Mutter noch Einstein darin vorkommen. Doch ein Poster, das bei einer Nachbarin hängt und den Physiker mit herausgestreckter Zunge zeigt, löst bei dem inzwischen Vierundzwanzigjährigen eine Krise aus. Der eher stille, menschenscheue Patrick rastet aus. Kurz darauf steht ein ungebetener Gast vor der Tür, der sich nicht vertreiben lässt und der bald zu dem einzigen Menschen wird, dem Patrick vertraut. Dessen Schwester Barbara, die erste Frau, für die Patrick etwas empfindet, ohne dass er es sich eingestehen will, arbeitet in der nahe gelegenen psychiatrischen Einrichtung, in der seine Mutter lebt. Abscheu und Faszination, Widerwillen und Sehnsucht bestimmen nun Patricks Leben, das sich grundlegend verändert.
Meine Meinung:
Patrick lebt nach dem traumatischen Verlust seines Vaters, den seine psychisch kranke Mutter verursacht hat, als vierundzwanzigjähriger Jus-Student im Betreuerwohnheim eines Krankenhauses. Seit 14 Jahren hatte er vorsätzlich keinen Kontakt zu seiner Mutter, die in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht ist; auch mit deren Schwester, bei der Patrick nach dem Tod des Vaters bis zur Volljährigkeit gewohnt hat, verbindet ihn nicht viel. Als Außenseiter und völlig unerfahren, was Frauen anlangt, lebt er zurückgezogen und nahezu ohne Freunde vor sich hin, bis Barbara in sein Leben tritt, dieses auf den Kopf stellt und ihn dazu bringt, sich mit der verdrängten Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Dieses Buch weist mehrere Elemente auf, die mir normalerweise nicht allzu sehr zusagen: stilistisch sehr einfach und reduziert gehalten, viele Dialoge, kaum Charakterisierungen und Erläuterungen, selten Hintergrundinformationen über die Figuren, überaus lakonischer Erzählton – und dennoch hat mir „Totalschaden“ sehr gut gefallen.
Der Debütroman von Que Du Luu hat etwas Skizzenhaftes an sich, ohne oberflächlich zu sein; im Gegenteil, Tiefgang und Tragik sind genug vorhanden. Die Figuren werden nicht wirklich näher charakterisiert, vielmehr gewinnt der Leser aus den vielen Dialogen einen Eindruck von ihnen und kann sie in ihrer Persönlichkeit einschätzen, ohne dass begleitende Worte nötig wären. Einfühlsam erzählt die Autorin durch den linkischen Patrick, der mich ein wenig an den Protagonisten aus Rolf Lapperts „Nach Hause schwimmen“ erinnerte und trotz (oder wegen) seiner Schwächen durchaus ein Sympathieträger ist, von den einschneidenden Veränderungen, die durch das Kennenlernen von Barbara in dessen Leben passieren. Nicht nur, dass sich erstmals eine Frau für den Einzelgänger interessiert, darüber hinaus muß er sich auch noch die Frage stellen, ob er mit der lange verleugneten Mutter wieder in Kontakt treten will.
In „Totalschaden“ geht es um Liebe und Freundschaft, aber auch um Schuld und Verlust, um Verdrängung und Trauer, wobei zunehmend die Mutter-Sohn-Geschichte in den Fokus rückt und die sich anbahnende Romanze in den Hintergrund tritt. Die an sich tragische Geschichte wird unaufgeregt, mit leisem Humor und manchen leicht skurrilen Elementen vorgetragen und wirkt erfrischend realistisch und glaubwürdig, was mir besonders zusagte. Über dem kurzen Text liegt eine ganz eigene Stimmung, eine gewisse hoffnungsvolle Melancholie, die zum Glück auch nicht durch ein etwaiges übertrieben kitschiges Ende getrübt wird.
Ein ungewöhnliches, kleines, feines Buch abseits der breitenwirksamen Werke, das zum Nachdenken anregt und trotz reduzierten Schreibstils zu unterhalten vermag.