Murambi Das Buch der Gebeine – Boubacar Boris Diop

  • Verlag: AKV Edition Hamouda
    2010
    184 Seiten


    Originaltitel: Murambi, le livre des ossements


    Kurzbeschreibung:
    Der Roman Murambi von Boubacar Boris Diop ist ein Versuch, Antworten auf den Genozid im Ruanda des Jahres 1994 zu finden. Fragen über Fragen werden darin gestellt in Form zahlreicher, perspektivisch dargelegter Standpunkte und erlittener Schicksale. In einer klaren, nüchternen und minuziös bearbeiteten Sprache erzählt der Text durchgängig den mörderischen Wahnsinn des Menschen, das Grauen. Auf der Folie zweier Lebensläufe wird das ganze Geschehen erzählerisch aufgerollt und mosaikartig zusammengefügt: Cornelius, einerseits, der nach Jahren eines unbeschwerten Lebens im Exil in die Heimat zurückkehrt (Murambi) und mit dem Ausmaß des Verbrechens (auch seines Vaters) konfrontiert wird. Auf der anderen Seite verfolgt der Leser die Entwicklung einer anderen Protagonistin, Jessica, die in Ruanda geblieben ist und den Völkermord erlebt hat. Um nicht in die Falle eines esoterischen Dualismus der Ansichten zu geraten, lässt Diop zahlreiche andere Stimmen zu Wort kommen: einfache Bürger, gehetzt und geschlachtet wie Vieh, grausame Mörder, entsetzte Zeugen, Ausgelieferte. Durch ein solches Kompositions- und Erzählverfahren bekräftigt der Autor seine Meinung, dass die Wahrheit nirgends auf einen wartet, sie muss mitten im Scherbenhaufen des verunstalteten Lebens mühsam aufgelesen werden.


    Über den Autor
    Boubacar Boris Diop, geb. 1946 in Dakar (Senegal), ist ein bekannter gesellschaftskritischer afrikanischer Schriftsteller. Er gilt heute als Erneuerer auf dem Gebiet der afrikanischen Erzählkunst. Als ein für die Emanzipation des schwarzen Kontinents engagierter Autor schreibt er Romane und Novellen, die sich mit der Alltagsrealität der Menschen auseinandersetzen. Seine Werke fragen unverblümt nach den Ursachen des Elends, des Krieges, des Hungers, der Armut und der Krankheiten. Sein poetisch-realistischer Stil transzendiert nicht die Realität, eher legt er sie von innen bloß; er verleiht ihr eine unnachahmlich originelle narrative Selbständigkeit und, somit, verhilft er dem Erzählen zu einer dynamischen Entlarvung des Bestehenden. Darin verwandelt sich die Realität in eine ‚reflektierende Materie’, die mittels einer nüchternen und ironisch-humorvollen Sprachgestik suggeriert wird. Solcherart avanciert die Sprache zur Hauptakteurin, die die Sachverhalte schonungslos darlegt.


    Über den Übersetzer:
    Sahbi Thabet, geb. 1947 in Gabès (Tunesien), ist Universitätsprofessor für deutschsprachige Literatur und allgemeine Literaturwissenschaft in Tunis. Veröffentlichungen zu A. Andersch, W. Koeppen, M. Frisch, H. E. Nossack, Th. Bernhard, J. G. Herder, A. Camus, H. Kasack, zur Raumproblematik in der Literatur sowie zu diversen didaktischen und literaturwissenschaftlichen Problemkomplexen. Übersetzungen: H. v. Pückler-Muskau, M. Messadi, I. Trojanow, B. B. Diop.


    Meine Meinung:
    Über das Thema Völkermord in Ruanda ist sicher schwer zu schreiben.
    Eine literarisch adäquate Verarbeitung des Stoffes bietet der im Senegal geborene Boubacar Boris Diop. Er hat es im Rahmen eines Projektes der Literaturinitiative über den Völkermord in Ruanda 1994 geschrieben.
    Es ist kein Tatsachenbericht voller Betroffenheit, und keine verkappte Liebesgeschichten vor exotischer Kulisse, sondern hat das Ziel, den Opfern gerecht zu werden.
    Heraus kam ein brillant geschriebener, geschickt aufgebauter und überzeugender Roman.


    In den Kapiteln wechseln sich in rascher Reihenfolge verschieden Figuren und Perspektiven ab Es handelt zu Beginn, während und nach den blutigen Geschehnissen in Ruanda. Besonders im Mittelpunkt steht das Massaker in Murambi.
    Es gibt mehrere gut angelegte Figuren, manche tauchen nur kurz in den ersten Kapiteln auf, andere, wie Jessica, eine Zeugin des Völkermordes, oder Cornelius nehmen größeren Platz ein. Cornelius lebte zu der Zeit im Exil, 5 Jahre nach dem Massaker kehrt er zurück und erfährt, dass sein eigener Vater, der Hutu Doktor Karekezi, verantwortlich war, und sogar seine eigene Frau, eine Tutsi und seine Töchter in den Tod schickte. Für Cornelius als Sohn des Schlächters, der nur Befehle gab, aber nie selbst tötete, eine furchtbare Situation. Aber alle Bewohner Ruandas müssen mit der schweren Vergangenheit leben.


    Boubacar Boris Diops Roman ist in seiner Gesamtheit sehr gelungen, er bietet anscheinend ein realistisches Bild über die Stimmung eines Landes mit schwer belasteter Vergangenheit!