literarische Weltreise: Neuseeland
Beth, Mutter von 6 Kindern und verheiratet mit einem schlägernden Alkoholiker, lebt im Maori-Slum von Two Lakes und erwartet nicht mehr viel vom Leben, vielleicht nur, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird. Aber auch das ist eine eher verschwommene Vorstellung, schließlich unternimmt sie nichts, ihren Kindern einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen: Die größeren Jungs sind auf dem besten Wege, fester Bestandteil der örtlichen Bandenszene zu werden, die jüngeren lernen früh, vor der Schule die Reste der vorabendlichen Sauforgien der Eltern zu beseitigen. Lediglich die dreizehnjährige Grace ist anders, still, ehrgeizig, lernbegierig, was von ihrem Umfeld allerdings eher mit Skepsis, denn mit Wohlwollen beobachtet wird.
Dieses, von gelegentlichen Schlägereien abgesehen, weitestgehend ereignislose Leben würde sicherlich so weitergehen, würde Beth nicht durch ein tragisches Ereignis aus ihrer Lethargie gerissen und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen, während ihr Mann langsam aber unaufhaltssam nach ganz unten absteigt.
Dieser Roman ist keine weinerliche Anklage der Umstände, unter denen viele Maoris im modernen Neuseeland leben, sondern eine knallharte Darstellung ihrer Lebenswirklichkeit. Alan Duff, selbst halber Maori, ist wütend auf sein Volk, das schwankt zwischen tatenloser Hinnahme seines Schicksals als Sozialhilfeempfänger und gewalttätiger Verherrlichung seiner Kriegervergangenheit. Er wirft ihnen unverblümt ihre mangelnde Eigeninitiative vor, ihre Lethargie und ihre Neigung, den Weißen die Schuld an ihrem Elend zu geben. Und hier übertreibt Duff meines Erachtens: Die Einordnung in die Leistungsgesellschaft, hier repräsentiert durch die stets arbeitssamen, wenn auch von den Maori verachteten, chinesischen Gastarbeiter, als einziger Ausweg wird doch streckenweise sehr angepriesen, das mangelnde Streben der Maori nach materiellem Besitz als Schwäche dargestellt. Gleichzeitig schildert er die Rückbesinnung auf die eigene Kultur als den einzigen Weg aus dem Elend. Das wirkt manchmal widersprüchlich und auch ziemlich simpel und deshalb unrealistisch. Nichtsdestotrotz bekommt Duff doch immer wieder die Kurve und zeigt dann wieder, dass es keine einfachen Lösungen gibt.
Die Sprache ist so derb wie das Leben im Slum, kurze Sätze sorgen für Tempo. Eingeschobene Wechsel in die Ich-Perspektive erschweren zwar das Lesen, machen die Protagonisten aber lebendig und ihr Handeln nachvollziehbar.
Dieses Buch ist wahrlich kein Zuckerschlecken, auch wenn das Ende hoffnungsvoll stimmt. Spannender und mitreißender als so manches viktorianisches Familiendramolett mit etwas Maorifolklore, wie sie sonst die Literatur aus/über Neuseeland dominieren, ist dieser Roman allemal.