Rachael Treasure - Wo der Wind singt

  • OT: The Rouseabout


    Inhalt:


    Die eigenwillige Kate Webster ist kaum achtzehn Jahre alt, als ihre Mutter stirbt. Um sich von ihrem Schmerz abzulenken, lässt sie sich treiben: Partys, Männer und jede Menge Drinks bestimmen ihr Leben. Bis sie beim jährlichen Junggesellenball den gleichaltrigen Nick McDonnell verführt – und die Liebesnacht nicht ohne Folgen bleibt. Als Kate ihrem Vater dann die Schwangerschaft gesteht, reagiert er hilflos und schickt sie zu ihrer Tante, wo sie schließlich ihre Tochter Nell zur Welt bringt. Drei Jahre später: Ihrem wilden Leben haben Ortswechsel und die Geburt ihrer Tochter keinen Abbruch getan. Liebenswert, aber den konservativen Farmern ein Dorn im Auge, bringen ihr ihre Eskapaden bald die Kündigung ihres Jobs als Farmberaterin ein – es sei denn, sie würde einer Versetzung zurück in ihre Heimat zustimmen. Schweren Herzens macht sie sich auf, um sich ihrer Vergangenheit zu stellen – und dem ahnungslosen Vater ihres Kindes ...


    Meine Meinung:


    Kate Webster ist anfangs keine besonders sympathische Hauptfigur. Mit 18 ungewollt schwanger, ist sie zu ihrer Tante geflüchtet, um dort ihr Studium aufzunehmen und nebenbei noch ihr Kind großzuziehen. Das Studium besteht sie mit Auszeichnung und findet recht schnell eine Anstellung bei einer öffentlichen Behörde als Farmberaterin, aber die Kindererziehung geht ihr leider nicht so recht von der Hand. Immer wieder schiebt sie die Verantwortung ihrer Tante zu und geht lieber feiern und Männer abschleppen. Obwohl sie ihre Tochter liebt, hadert sie doch mit ihrem Leben, mit dem Verzicht auf Privatleben ist sie überhaupt nicht einverstanden. Und so benimmt sie sich wie ein verantwortungsloser und ungebundener Jugendlicher, indem sie sich bis zur Bewusstlosigkeit betrinkt und noch nicht einmal die Namen derjenigen kennt, neben denen sie am anderen Morgen aufwacht. Als sie dann auch noch durch ihre Trinkerei ihren Job aufs Spiel setzt, wird ihr klargemacht, dass es so nicht mehr weitergeht. Zu ihrem Glück hat ihr Chef Mitleid mit ihr und bietet ihr als Farmberaterin in ihrer alten Heimat einen Job an. Denn Kate ist hervorragend in ihrem Job, immerhin hat sie den von der Pike auf gelernt. Das bedeutet aber auch, dass Kate zurück muss, zurück zu ihrem Vater auf die Farm, zurück zu ihrer ungeliebten Stiefmutter und zurück zu dem Vater ihrer Tochter, der bisher von seinem Glück noch gar nichts weiß.


    Eigentlich wäre Kate gerne Farmerin geworden. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Will hat sie seit sie denken kann, gepflanzt, geerntet, ihr Vieh gehegt und besondere Samen für die Nachwelt aufgehoben. Dies ist das Vermächtnis ihrer Mutter und den Generationen von Frauen vor ihr, Samen, die seit Jahrzehnten gesammelt, katalogisiert und aufgehoben werden. Sie sind alle in einem besonderen Schrank auf dem Dachboden, zu dem Kate gerne hinaufgeht, um nachzudenken und sich einfach ins Gedächtnis zu rufen, was sie schon alles geschafft haben. Aber dann stirbt ihre Mutter und aus lauter Verzweiflung über seine Einsamkeit hat ihr Vater völlig übereilt Annabell geheiratet, eine Großstadtpflanze, die sich so gar nicht mit dem Farmleben anfreunden kann und schon gar nicht mit ihren Stiefkindern. Kate macht wieder genau das, was sie immer macht, wenn es Schwierigkeiten gibt, sie läuft weg. Zuerst flüchtet sie sich zu ihrer Freundin Janie, mit der sie eine enge Verbindung hat, denn auch sie hatte keine glückliche Kindheit. Teenager außer Kontrolle, Kate macht alles mit und sucht sich ihre Aufmerksamkeiten außer Haus. Da sie ihrer Mutter sehr ähnlich sieht, kann ihr Vater sie kaum anschauen und stösst sie somit unbewusst von sich fort.


    Auf dem Hauptereignis aller Jugendlichen der Umgebung, dem großen Rouseabout, lernt sie Nick näher kennen, den Sohn eines benachbarten Farmers. Für Nick ist es das erste Mal, Kate kann er danach nie vergessen. Auch sie mag ihn, sie will aber auch studieren und für eine feste Beziehung fühlt sie sich nicht gut genug. Dass ihr Treffen Konsequenzen hatte, erfährt sie erst, als sie schon zu ihrer Tante unterwegs ist. Aber jetzt muss sie wieder zurück auf die Farm - mit Nell, ihrer Tochter und all den ungelösten Problemen, vor denen sie bisher erfolgreich davon gelaufen ist. Einzig Will und Janie freuen sich aufrichtig, Kate wieder in ihrer Nähe zu haben. Nick freut sich insgeheim auch - aber er ist mittlerweile mit Felicity verlobt, einer Krankenschwester und Turnierreiterin, die ihre Pferde auf seinem Hof stehen hat.


    Anfangs fällt es schwer, weiterzulesen. Warum hat Rachael Treasure nur so eine verantwortungslose und unbekümmerte Hauptperson ausgewählt? Eigentlich erzählt sie ja nur Wahrheiten, denn es gibt mit Sicherheit viele junge Mütter, die mit ihrer Verantwortung überfordert sind und ihrer verlorenen Jugend nachtrauern. Viele flüchten sich bestimmt in Alkohol und Männerbekanntschaften, eigentlich sind sie ja selber noch nicht erwachsen und sind auf einmal gezwungen, verantwortlich für ein weiteres Leben zu sein. Dass so manche unter dem Druck zusammenbrechen, ist nichts Neues und die Autorin tut gut daran, Unannehmliches auszusprechen. Genauso gut nimmt sie aber Kate an die Hand und zeigt anhand ihres Werdeganges , wie aus einer egoistischen, impulsiven und rebellischen Person jemand wird, der lernt, für sein Leben und das ihrer Tochter einzustehen, Verantwortung zu übernehmen und erkennt, dass es nicht immer nur nach ihrem Willen geht. Die Autorin hat hier vielschichtige Charaktere erschaffen, deren Werdegang zwar durch äußere Ereignisse bestimmt wird, sie ihnen aber immer noch die Wahl lässt, wie sie sich entscheiden wollen - für das vermeintlich Richtige oder das Unzuverlässige. Kate ändert sich nicht von heute auf morgen, sie muss viele Rückschläge hinnehmen und flüchtet mehr als einmal in die Sorglosigkeit, aber am Ende hat sie ihre Lektionen gelernt. Sie hat ihr Herz ja am rechten Fleck und so nach und nach lernt sie auch, auf ihre Instinkte zu hören und nicht nur die Schuld immer bei den anderen zu suchen.


    Trotzdem gibt es noch einige Ereignisse, die sich negativ auf die Geschichte und den Erzählfluss auswirken. Die Geschichte mit Will war völlig unnötig und hätte so nicht passieren müssen. Auch Annabells Kinder, Aden und Amy, bleiben völlig blass, Gründe und Konsequenzen ihrer Handlungen bleiben leider aus. Zumindest Adens Taten ziehen Handlungsbedarf nach sich, dass er so straffrei ausgeht, ist einfach nicht logisch. Annabell bleibt ein Zwischending zwischen böser Stiefmutter und kalt berechnender Ehefrau, der ihre Stiefkinder und ihr Erbe völlig egal sind, sie sieht nur ihren eigenen Vorteil. Völlig unlogisch bleibt allerdings, warum Kate ihre geliebten Samen nicht in Sicherheit bringt, obwohl sie ständig Angst hat, dass alles dem Renovierungswahn ihrer Stiefmutter zum Opfer fallen könnte. Einzig Nick ist ein gefestigter Charakter, er weiß, was er vom Leben erwartet und bleibt sich selbst immer treu, auch wenn er mal vorübergehend aufs falsche Pferd setzt. Auch Janie ist ein erfrischender Charakter, völlig gefestigt in ihrem Leben steht sie Kate vorbehaltlos mit Rat und Tat zur Seite, unterstützt sie und rückt ihr manchmal den Kopf wieder zurecht, wenn sie zu arg über die Stränge geschlagen hat.


    Fazit


    Rachael Treasure hat eine eindringliche Familiengeschichte geschrieben. Eine Familie mit vielen Problemen und schwierigen Charakteren, die man aber völlig problemlos auch auf andere Familien projizieren kann. Interessant ist der Weg, den sie bewältigen, ihre Entscheidungen, die aus teilweise dramatischen Ereignissen resultieren und wie unterschiedlich sie alle damit umgehen. Kates Wandlung passiert langsam und nachvollziehbar, die Lebenswege ihrer Freunde und Familie entsprechen der Realität.


    LG
    Patty

  • Danke, liebe tinkerbell, für die ausführliche Rezi. Da steckte sicher eine Menge Arbeit / Zeit hinter;
    kurzum: Es war ein Vergnügen deine Rezension zu lesen, selbst wenn das Buch bisher noch nicht eines der meinen ist :grin.
    :wave

    "Man muss die Leute an ihren Einfluss glauben lassen – Hauptsache ist, dass sie keinen haben." Ludwig Thoma :grin