Ingeborg Middendorf - Der Mann, der nicht küsste

  • ==Feine Erotik auch im hohen Alter==


    Hallo lieber Leser, liebe Leserin.


    ===Einleitung===
    Dieses Werk habe ich mir nicht selbst ausgesucht, sondern wurde angeschrieben, ob ich Interesse hätte, eine Rezension darüber zu schreiben. Da es kein alltägliches Thema ist und doch jede Frau irgendwann betrifft, habe ich mich gerne bereit erklärt, es zu lesen.


    ===Buchdaten===
    Autor: Ingeborg Middendorf
    Titel: Der Mann, der nicht küsste
    Originaltitel: -
    Verlag: Storia Verlag
    Erschienen: 2010
    ISBN-13: 9783940270016
    Seiten: 191
    Einband: TB
    Kosten: 19,00€
    Serie: -


    ===Autor===
    Ingeborg Middendorf ist geboren und aufgewachsen in Norddeutschland. Sie studierte Germanistik, Philosophie und Theologie. Schon früh betrachtet sie allzu klassische Lebens- und Beziehungskonzepte mit einem gesunden Skeptizismus. Die Geliebte von Schauspielern, Schriftstellern und Lebemännern war Lehrerin, ist Mutter des Schauspielers und Yogalehrers Julian Middendorf und lebt heute als freie Schriftstellerin in Berlin und Irland. (wikipedia)


    ***Weitere Werke***
    Die Fehlgeburt, der Abgang
    Ein heißer Sommer
    Perfect Silent Blue


    ===Leseprobe===
    Auszug aus der Verlagsleseprobe:


    Seite 3:
    Immer noch fühle ich die zittrige Erregung, die stundenlang
    anhält, nachdem er gegangen ist. Er geht immer pünktlich –
    zurück in sein anderes Leben und irgendwie finde ich das gut.
    Es ist so verlässlich. Er hat die Kontrolle, wenn ich schon
    längst dabei bin, sie aufzugeben und mich fallen lasse, nur
    noch Schauder.
    Die kleinen feinen Haare an den Armen und am Nacken
    stellen sich auf, wenn er mich ansieht, nur ansieht und wenn
    er zu mir kommt, leise in die Wohnung.
    Die Tür habe ich nur ein Stückchen geöffnet, damit die Katze
    nicht rausläuft. Aber sie läuft gar nicht mehr raus, seitdem sie
    so viel gestreichelt wird, und profitiert von meinem Liebesverlangen.
    Er geht in das große Zimmer, das halb leere Zimmer, das
    immer meinem Sohn gehört hat. Es ist sein Zimmer und ich
    sitze an dem Schreibtisch, der sich mit Papieren und Büchern
    gefüllt hat. Anders als bei ihm. Bei ihm lag nichts auf dem
    Tisch. Aber er wohnt ja nicht mehr hier.
    Ich schaue auf die erleuchtete Scheibe des Laptops, auf der
    ein Text steht, und hoffe, dass ich schnell genug war, ihn zu
    schließen, damit er nicht sieht, was ich geschrieben habe,
    damit ich ein Geheimnis habe, so wie er.
    Er steht hinter mir, dicht und ich spüre seinen harten
    Schwanz.
    Schreib ruhig weiter, sagt er. Ich gehe schon mal in die
    Küche.
    Wenn du willst, kannst du ja nachkommen.
    Ich habe dir was mitgebracht, sagt er im Gehen und wedelt
    mit der Hand, in der er zwei Höschen hält. Glatte helle knappe
    Höschen, die ich anlasse, wenn er mich liebt.


    Mehr unter: www.orkan.storia-verlag.de


    ===Inhaltsangabe===
    Sex ja, Liebe nein. Eine Frau über sechzig hat eine Affäre mit
    einem sehr viel jüngeren verheirateten Türken, Orkan, dem
    Mann, der nicht küsst. Sie widersetzt sich allen Klischees, nach
    denen eine Frau ihres Alters asexuell zu sein hat. Sie begehrt
    und sie verführt und lässt sich verführen. Hin- und hergerissen
    zwischen der Sehnsucht nach Abenteuer und der
    nach mehr Nähe, zwischen dem Reiz des Fremden und dem
    Zusammenprall der Kulturen, zwischen der Einsamkeit einer
    Mutter, deren einziger Sohn längst flügge ist, der Furcht vor
    dem Älterwerden und schlichter schierer Lebensfreude. (Buchangabe)


    ===Meine Meinung===
    In den letzten Jahren habe ich wirklich viele Bücher gelesen, aber eine Lektüre mit dieser Thematik hatte ich bis dato noch nie. Eine ältere Dame, die sich noch für Sex interessiert. Ein Thema das gerne totgeschwiegen wird. Daher fand ich es einfach mal interessant, über so etwas zu lesen.
    Auch wenn Sex etwas Normales ist, möchte man sich seine Eltern oder andere ältere Menschen dabei nicht vorstellen und manche finden es sogar anstößig, obwohl es eigentlich etwas ganz Natürliches ist.


    Das Cover ist mit Mosaiksteinen und in rosa, lila und grünen Farben gestaltet und zeigt, wenn man genauer hinsieht, eine Frauenfigur. Ich mag solche Farben und daher spricht mich das Cover auch an. Die Farbauswahl wirkt einfach lebendig.
    Die Schrift der Seiten ist leserfreundlich und etwas größer, sodass auch ältere Leser keine Schwierigkeiten haben dürften.


    Der Einstieg in die Geschichte beginnt damit, dass sie auf Orkan wartet, ihren jüngeren Liebhaber. Er ist Türke und befriedigt sie, wie sonst keiner. Er lässt sie zappeln, wenn er sie besucht. Belohnt sie aber mit unglaublichem Sex. Lediglich alles was das Küssen betrifft, möchte er nicht machen, und genau das wünscht sich unsere Hauptfigur so sehr. Ich habe beim Lesen sogar das Gefühl entwickelt, dass sie von ihm etwas abhängig ist. Trotzdem lies es sich nicht weinerlich, wenn er sich mal ein paar Tage nicht blicken lässt und sie vor Sehnsucht und Feuchtigkeit zerfließt.
    Jede seiner Fantasien, die er aus zahlreichen Porno-Filmen entnommen hat, macht sie mit. Bis er an seine Grenzen stößt und merkt, dass er auch eine Affäre besitzen will, wie es seine Kultur lehrt.
    Der Stil ist bildhaft, peppig und prickelnd. Jede Frau, egal in welchem Alter sie sich befindet, hatte schon mal solche Sehnsüchte nach einem Mann. Egal, ob sie frisch verliebt ist oder wirklich einfach nur guten Sex will. Diese Schilderungen der Autorin kommen mir auch in jungen Jahren mehr oder weniger bekannt vor. Einerseits empfinde ich es daher als gut zu wissen, dass es sich auch im Alter nicht ändern wird. Auf der anderen Seite möchte ich mir dies gar nicht vorstellen und wissen schon gar nicht.
    Die Autorin ist selbst in diesem Alter und ich denke, dass hier ihre Erfahrungen mit einfließen und dafür sorgen, dass die Geschichte so authentisch wirkt.
    Das Geschriebene wirkt zwar erotisch und macht Lust auf mehr, aber es ist nicht billig. Illustrativ, aber nicht pornografisch.
    Gerade da ich in einem jüngeren Alter bin, hätte ich nicht gedacht, dass ich diese Erzählung positiv empfinden würde und sogar anderen Frauen, auch in jüngeren Jahren empfehlen könnte.
    Mir ist aber ein Punkt negativ aufgefallen. Die Autorin verwendet keine wörtliche Rede. Die Satzzeichen muss sich der Leser denken. Dadurch empfand ich es sehr schwer Gesagtes und gedachtes zu trennen. Normalerweise gewöhne ich mich schnell an diesen Stil und muss nur manche Passagen doppelt lesen. Hier empfand ich es als extrem schwer. Die Autorin springt sehr viel. Sie erzählt etwas aus der Vergangenheit so, dass ich es nach dem Lesen schon als Gegenwart empfinde und plötzlich ist es dann wieder eine andere Zeit. Ich war mir beim Lesen nie sicher, in welcher Phase ich mich befand. Dadurch war es auch schwer zu sagen, ob es einfach nur erzählt wird, was er gesagt hat, oder ob es wirklich gerade stattgefunden hat. Es mag auch sein, dass ich die Zeiträume im Buch überhaupt nicht verstanden habe.


    Jedenfalls kam ich durch diesen Aspekt beim Lesen öfters ins Stocken. Gelesen habe ich das Werk an zwei Tagen.


    Empfehlen kann ich das Buch vor allen Dingen Frauen ab 40. 40-Jährige haben nämlich noch jede Menge Sex, das Tabu gilt vor allem für die aus gesellschaftlicher Sicht
    älteren Damen. Außerdem dürfte es Leserinnen in diesem Alter leichter fallen, sich mit der Protagonistin zu identifizieren. Mir fiel es schwerer, da ich einfach noch nicht all das erlebt habe, was eine fast 60jährige Dame gesehen / erlebt / gefühlt hat. Trotzdem ist es für jüngere Leser interessant und vielleicht auch fremd zu lesen, wie die Sexualwünsche älterer Frauen aussehen.


    Wer wissen will, ob sie später von Orkan doch noch geküsst wird, sollte das Buch lesen.


    ===Bewertung===
    Wegen meiner Schwierigkeiten mit dem Zeitenstil, bekommt die Erotik-Lektüre lediglich vier Sterne. Mehr Abzug kann ich aber nicht geben, da es bildhaft, ehrlich und in einem nicht anstößigen Stil verfasst ist.


    Pro: Thematik
    Contra: Zeiten-Stil


    Danke fürs Lesen und Bewerten. Freu mich über Lob / Kritik, also her mit Kommentaren.



    Eure Sarah

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