Jacques Chessex - Ein Jude als Exempel

  • Verlag: Nagel & Kimche
    Gebundene Ausgabe: 95 Seiten
    2010
    OT: Un juif pour l'exemple
    übersetzt aus dem Französischen von Grete Osterwald


    Kurzbeschreibung:
    Im April 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, wird in dem Dorf Payerne in der Schweiz ein Viehhändler grausam ermordet: Die kleine Gruppe lokaler Nazis findet unter den Verlierern und Zukurzgekommenen regen Zulauf, ihre fanatischen Anführer fordern eine Tat als Fanal, damit die Bevölkerung merkt, woher der Wind der Zukunft weht. Ein Toter muss her, ein Jude, der Berner Familienvater Arthur Bloch kommt gerade recht. Das Buch führte in der französischen Presse zu einer ungeheuren Reaktion und ist nach "Der Vampir von Ropraz" Chessex' nächster aufsehenerregender Roman einer wahren Geschichte.


    Über den Autor:
    Jacques Chessex, geboren 1934 in Payerne (Schweiz), studierte Geisteswissenschaften und lebte über Jahrzehnte in Ropraz im Schweizer Haut-Jorat. Er begann im Alter von zweiundzwanzig Jahren, nach dem Selbstmord seines Vaters, zu schreiben und gilt heute mit über 80 Publikationen (Romane, Lyrik, Essays, Kinderbücher), für die er vielfach ausgezeichnet wurde, als der bedeutendste Schriftsteller der Romandie. Chessex arbeitete außerdem als Maler und war Jury-Mitglied des Prix Médicis. Er hat als erster Nichtfranzose 1973 in Paris für sein Buch «L'Ogre» den Prix Goncourt erhalten. Am 9. Oktober 2009 starb er bei einer Veranstaltung in Yverdon-les-Bains (Schweiz).


    Über die Übersetzerin:
    Grete Osterwald wurde 1947 in Bielefeld geboren und lebt als freie Übersetzerin aus dem Englischen und dem Französischen in Frankfurt am Main. Sie erhielt u. a. 2001 den Übersetzerpreis des Verlages C.H.Beck und 2007 den Wilhelm-Merton-Preis für ihr umfangreiches Gesamtwerk.


    Meine Meinung
    Dieser kurze Roman beschreibt detailliert und nüchtern einen schlimmen Vorfall von Antisemitismus in Payerne in der Schweiz, bei der 1942 ein jüdischer Viehhändler bestialisch abgeschlachtet wird. Sein Schicksal soll der Absicht der Mörder nach als Exempel für die übrigen Juden gelten. Fast minutiös schildert Chessex die Ereignisse vor, während und nach der Tat, wie sie sich ereignet hatten. Die Figuren werden realistisch geschildert, ohne jedoch ihre Persönlichkeit weiter zu vertiefen.


    Das Buch ist sachlich gehalten, es wirkt im Prinzip „nur“ wie ein Bericht! So richtig als literarisches Komplettwerk überzeugt hat mich der Text erst in den letzten Kapiteln, als der Autor selbst in Erscheinung tritt. Er war zur Zeit der Ereignisse ein Junge, die Kinder des Opfers gingen in seine Schule, als Erwachsener traf er den Anstifter des Mordes. Seine Empfindungen über die Tat prägen das Buch und machen es lesenswert über den Anlass des Ereignisses hinaus. Er verdeutlicht, dass Verdrängen nicht automatisch vergessen bedeutet.


    Ein kurzes Buch mit knappem Stil, der sicher nicht nach jedermanns Geschmack ist, zu diesem Roman aber ausgezeichnet passt.