Zur Autorin:
Kirsten Schützhofer, 1972 geboren, war als Englischlehrerin in der Erwachsenenbildung tätig, bevor sie 1999 in Leipzig den Studiengang Bibliothekswesen begann. Sie verbrachte längere Zeit am Goethe-Institut in Bordeaux sowie in Bibliotheken in Colmar und in den Archives de Paris. Heute arbeitet sie als Bibliothekarin.
Autorenporträt bei den Büchereulen
Homepage der Autorin
Meine Meinung:
Kirsten Schützhofers historische Romane weiß ich mittlerweile so zu schätzen, dass ich dem Erscheinungstag eines neuen historischen Romans von ihr schon mit langer Vorfreude entgegen sehe. Und natürlich ist da mittlerweile auch die leise Befürchtung, dass es ihr vielleicht einmal nicht mehr gelingt, mich mit ihren Charakteren und ihren Geschichten gefangen zu nehmen. Der Titel ihres neuen Romans „Die Konfektmacherin“ hat mich schon mal nicht angesprochen und ich kann es schon vorweg sagen – er ist für diesen historischen Roman viel zu klischeebeladen, gewöhnlich und weckt falsche Erwartungen.
Frankreich, 1685: Die junge Cathérine fühlt sich bei dem alten Nougatmacher Pierre wie zu Hause und versucht ihm nachzueifern. Eines Tages muss sie erleben, dass ihre Familie wegen ihres protestantischen Glaubens verraten und verhaftet wird. Ludwig XIV. hatte das Edikt von Nantes, das den calvinistischen Protestanten religiöse Toleranz und volle Bürgerrechte zusicherte, mit dem Edikt von Fontainebleau widerrufen, und damit die katholische Religion zur Staatsreligion erklärt und die Praktizierung des protestantischen Glaubens verboten. Cathérine gelingt es mit ihrer jüngeren Schwester und ihrem Jugendfreund Mathieu zu fliehen, doch leider werden sie bei ihrer Flucht getrennt. Cathérine muss sich mit ihrer kleinen Schwester allein, in der Hoffnung Mathieu wieder zu finden, durchschlagen. Das Rezeptbuch ihrer Mutter ist ihr mittlerweile zur wertvollen Erinnerung aber auch zum wertvollsten Besitz geworden. Nach einiger Zeit keimt in ihr die Hoffnung und der Ehrgeiz, ihren Traum zu verwirklichen, als Konfektmacherin zu arbeiten. Doch im Laufe ihrer Flucht hat sie nicht nur Freunde gewonnen und ihre Fähigkeiten machen auch den Verräter ihrer Familie auf sie aufmerksam, der eine uralte Rechnung mit Cathérines Familie zu begleichen hat...
Mit dem Edikt von Fontainebleau und seinen Folgen hat Kirsten Schützhofer ein historisches Ereignis und einen Zeitraum gewählt, der trotz der historischen Bedeutung bisher nur wenig in Romanen beleuchtet wurde. Dies mag auch daran liegen, dass der dem Edikt folgende Bürgerkrieg, der von Gewalt gekennzeichnete Widerstand der Aufständischen und die Zerstörung zahlreicher Dörfer nach der Niederlage der Kamisarden, keine romantisch verklärten Darstellungen des Geschehens zulassen. Mit der Handlung in diesem Zeitraum kommen Kirsten Schützhofers schriftstellerische Stärken wieder einmal voll zur Geltung. Ihre Charaktere sind mehrdimensional, haben also ihre guten und schlechten Seiten, haben Träume und starke Emotionen und müssen ihren Weg in dieser Zeit gehen. Sie treffen dabei richtige und falsche Entscheidungen, machen sich abhängig von ihren ethischen Grundwerten und Beziehungen und müssen mit den Konsequenzen ihres Handelns leben. Die Autorin geht mit uns Lesern also wiederum nicht zartfühlend um, sondern lässt uns mit ihren Figuren lachen, zittern, bangen und leiden Sie berührt uns. Gut so. Kirsten Schützhofer erklärt uns ihre Charaktere nicht, sondern gibt uns als Leser die Möglichkeit, uns selbst darüber Gedanken zu machen, was das Handeln ihrer Figuren und die Entwicklung ihrer Beziehungen begründet. Auch das ist gut so. Die Bilder die Kirsten Schützhofer in ihrem Roman malt, sind, wie ich es von ihr bisher gewohnt bin, farbenprächtig, klar, eindrucksvoll, ohne Beschönigung, aber auch ohne unnötige Darstellungen von Gewalt und Grausamkeit. Während ihr erster Roman der Kunst eines impressionistischen Malers glich, hat sie sich mit diesem Roman eher zum Realismus hin entwickelt. Mit ihrem zweiten Roman „Die Kapelle der Glasmaler“ hat „Die Konfektmacherin“ gemeinsam, dass sich auch hier thematisch die Frage durch den Roman zieht, wie Gefühle und deren Entwicklung unseren Lebensweg bestimmen. Zusätzlich steht bei Kirsten Schützhofers neuem Roman das Spannungsfeld zwischen der Verwirklichung unserer Träume und unseren Verpflichtungen, Beziehungen und Grundüberzeugungen im Vordergrund.
Der Titel des historischen Romans „Die Konfektmacherin“ deutet auf eine Leichtigkeit und Süße hin, die ein Roman vor dem Hintergrund des Edikts von Fontainebleau nicht haben kann. Der Inhalt ist jedoch wie exquisites Konfekt: ein sinnlicher, bitter-süßer, mandeliger Genuss bei dem sich in kurzer Zeit verschiedenste Geschmackseindrücke auf der Zunge entfalten. Eine hervorragende Komposition aus Emotion, Spannung und einer Prise Information, bei der man genüsslich jede Wendung verfolgt, jede Überraschung auskostet und deren Ende einen wohligen Nachgeschmack lässt, kurz gesagt: eine Delikatesse. Und das Schöne ist, dass dieses Konfekt kalorienfrei ist und bei jedem Wetter genossen werden kann. Ich habe „Die Konfektmacherin“ von der ersten bis zur letzten Seite genossen und freue mich jetzt schon wieder auf den nächsten Roman der Autorin.
10 von 10 Punkten