'Exodus' - 1. Buch

  • so, nachdem mein langes posting heute früh im nirwana verschwand, versuche ich es jetzt ein zweites mal, sicherheitshalber etappenweise...


    ich habe eine uraltausgabe ohne isbn. sie enthält zwar ein sach- aber leider kein personenregister. durch wiederholtes lesen im laufe der jahre sind mir die meisten personen aber relativ vertraut, so dass ihr ruhig diesbezüglich bei bedarf fragen könnt, falls auch bei euch kein personenregister vorhanden ist.


    wir treffen gemeinsam mit dem jungen us-journalisten mark parker ende 1946 auf zypern ein. er will sich dort mit einer guten bekannten, der vor einiger zeit verwitweten krankenschwester kitty fremont, treffen und man bekommt rasch den eindruck, er wünscht sich mehr als freundschaft.
    während er auf kitty wartet, lässt er beider vergangenheit gedanklich revue passieren. überraschend wendet sich ein gewisser major caldwell, vertreter der britischen behörden auf zypern, an ihn. er erweckt den eindruck einer leichten besorgnis, mark parker könne auf zypern irgendetwas aufdecken. ein unsympathischer zeitgenosse. später lernen wir auch seinen im gegensatz dazu recht sympathischen vorgesetzten, bruce sutherland, kennen. zeitgleich mit mark trifft ein gewisser ari ben kanaan auf zypern ein. er wird die angelegenheit exodus dirigieren.
    kitty und mark begegnen sich und bringen sich hinsichtlich ihrer lebensgeschichten rasch auf den neuesten stand.
    auf zypern gibt es internierte juden. sie wurden dort hingebracht, als sie, kaum den vernichtungslagern der nazis entkommen, europa hinter sich lassen und in das ihnen ihrem glauben nach vor tausenden von jahren von gott versprochene gelobte land zion alias palästina alias israel gelangen wollten. die engländer, die dort mandatsgewalt haben, hatten ihnen einen eigenen staat dort zugesagt, halten sich angesichts der damit nicht einverstandenen araber, die auf reichen und in europa dringend benötigten ölreserven hocken, nicht mehr daran. und so sitzen menschen, die dachau, auschwitz oder treblinka entronnen, erneut gefangen hinter wällen von stacheldraht.
    dass sich da nicht mehr leute drüber aufregten, verwundert mich, hat aber vielleicht mit der damals noch nicht so lebhaften berichterstattung der massenmedien zu tun.
    ari ist ein pfiffiges kerlchen mit chuzpe: er stellt unter den augen der briten eine gefakete truppe von soldaten auf: seiner majestät jüdische streitkräfte auf zypern. mit gefälschten papieren beschafft er sich alles, was er für einen massenausbruch aus dem lager braucht.
    kitty hat in ihrer eigenschaft als krankenschwester das lager besucht und ist dort einem mädchen begegnet, das sie an ihrer verstorbene kleine tochter erinnert: karen hansen-clement.


    wir hören karens geschichte. karen ist natürlich eine fiktive gestalt, aber es ist ein schicksal, wie es sicher sehr viele ähnliche gegeben hat.
    vater clement ist ein professor, der sich als deutscher sieht und der der auffassung ist, dass er trotz seines jüdischen glaubens von den immer auffälliger werdenden bedrohungen durch die nazis nicht betroffen sei.
    als er diese ansicht als irrtum erkennt, ist es für eine flucht der ganzen familie zu spät. er kann lediglich die kleine karen nach dänemark schicken. dort gibt es familien, die jüdische kinder bei sich aufnehmen. karen kommt zu den hansens. da sie noch sehr jung ist, verschwinden viele ihrer erinnerungen bald und hansens werden ihre eltern. besonders berührt hat mich in der dänemarkpassage immer die - inzwischen durch andere quellen bestätigte - schilderung, wie der damalige dänische könig reagierte, als die nazis schließlich auch dänemark überrollten und bestimmten, dass alle juden den gelben stern zu tragen hätten: für ihn gäbe es keinen unterschied zwischen juden und nichtjuden und er fordere alle loyalen dänen auf, es ihm gleich zu tun und einen judenstern zu tragen.
    als der krieg vorbei ist, macht karen sich auf, nach den überlebenden ihrer familie zu suchen. auf dem weg nach israel wird sie abgefangen und kommt so nach zypern.
    im lager trifft sie auf dov landau. er hat ein anderes und doch ähnliches schicksal wie sie: verfolgt, weil er jude ist. dov kommt aus polen und hat das warschauer ghetto überlebt. was er dort erlebt hat, hat ihn verhaltensgestört gemacht. ganz behutsam versucht karen, nun kontakt zu ihm aufzunehmen.
    weil sie mehr kontakt zu karen wünscht, lässt kitty sich überreden, in dem lager zu arbeiten und zusätzlich für ari als nichtjüdischer kontakt"mann" zur verfügung zu stehen.
    ari hat einen alten kahn gekauft, der in exodus (in der bibel der teil, in dem moses die juden aus ägypten führt) umbenannt wird (und dem buch zu seinem titel verhalf).
    alles ist exakt geplant und so gelingt es, eine bestimmte anzahl von juden auf das schiff zu bringen, darunter auch dov und karen.
    als die engländer das merken, fordern sie ari auf, aufzugeben. der legt jetzt aber erst richtig los: mark hat - mit ari abgesprochen - zeitgleich einen artikel veröffentlicht, der auf das geschehen in zypern, insbesondere auf diesem schiff aufmerksam macht. endlich erfährt die welt, dass juden, die hitler gerade entkommen sind, schon wieder interniert werden sollen.
    unter dem druck der weltöffentlichkeit müssen die briten schließlich nachgeben und die einreise nach palästina gestatten.
    kitty fährt mit.
    so, jetzt hab ich das einen tag sacken lassen. bisher ist kein anderer hier aufgetaucht und hat geschrieben, also bringe ich noch ein paar gedanken auf das virtuelle papier.
    als ich das buch zum ersten mal las, vermutete ich eine liebesgeschichte, die sich zwischen kitty und mark anbahnte - und fand das ganze ziemlich langweilig. so langweilig, dass ich abbrach und erst einige zeit später bei einem neustart weiterlas. zum glück. denn bald hatte das geschehen mich gepackt. trotz einiger längen wie zB die verhandlungen mit mandria, aber es hat schon alles irgendwelchen sinn.
    inzwischen weiß man ja, dass die wahre geschichte des schiffes exodus ganz anders abgelaufen ist. beri hat dazu irgendwelche links gefunden und im weltdiskussionsteil zum thema israel gepostet, falls das hier jemanden interessiert. ist halt dichterische freiheit und auf jeden fall ein spannender "aufhänger". die geschichte des schiffes ist ohnehin eigentlich mit dem ende des ersten teils vorbei, denn im nächsten teil befindet man sich bereits im damals noch nicht politisch existenten israel.
    dort lernen wir dann, am schicksal von großteils fiktiven, aber der wahrheit sehr gut nachempfundenen einzelpersonen die geschehnisse kennen, welche zur gründung des staates israel führten und wie die problematik mit den palästinensern entstanden ist.


    tippfehler korrigiert

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

    Dieser Beitrag wurde bereits 6 Mal editiert, zuletzt von krokus ()

  • hef hat sich als guter kenner der dortigen situation netterweise dazu bereit erklärt, uns bei auftretenden fragen zur verfügung zu stehen.
    dann fang ich doch glatt mal an:


    1. irgun
    das wort irgun ist mir erstmalig beim anschauen des paul-newman-films über den weg gelaufen. in meinem buch ist immer nur von den makkabäern die rede, die im gegensatz zur haganah in etwa die untergrundorganisation der fanatiker darstell(t)en.
    weißt du etwas darüber? ist das dasselbe, ist die irgun aus den makkabäern hervorgegangen? oder hat uris hier seiner phantasie freien lauf gelassen? im buch wird ja das in-die-luft-jagen des hotels king david den makkabäern zugeschrieben. in meinem irgunfreien jedenfalls. das mit dem attentat stimmt, das hab ich während meines israelbesuches gelernt. aber wer war es deiner meinung nach wirklich?


    2. die sache mit der davidka
    etwas später im buch - ich wollte die fragen etwas bündeln, damit du weniger belästigt wirst - kommt eine szene, die ich beim ersten lesen sehr in die länge gezogen, ja, fast langweilig fand, die mir aber später, wenn ich mir das ganze bildlich vorzustellen versuchte, bei aller dramatik, denn es geht ja um zT blutige ereignisse, doch manch ein schmunzeln abnötigte.
    ich glaube, es war im umkämpften safed, wo sie ein ganz neues keulenartiges kampfinstrument ausprobieren, von dem sie hinterher unter den arabern verbreiten, es sei eine atombombe gewesen. ist da was dran - oder war das phantasie? also, ich meine jetzt nicht, ob sie damals die atombombe hatten, sondern ob es zutrifft, dass man mit diesem gerücht panik verbreitete.


    3. was stimmt auf keinen fall?
    abgesehen mal von der dichterischen freiheit bei der leichten abänderung des geschehens um das schiff exodus - gibt es etwas den historischen ablauf schilderndes, was uris frei erfunden hat? ich meine damit also keine gespräche zwischen fiktiven personen, natürlich. sondern eben etwas. das den lauf der realen ereignisse beeinflusst oder dargstellt hat.


    wenn sich jemand anders in der lage sieht und die zeit nehmen kann, hierzu etwas zu schreiben, sei er natürlich ebenfalls herzlich eingeladen, dies zu tun! :knuddel1 :wave :anbet

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von krokus ()

  • ...die Irgun war eine Abspaltung der gemäßigten Hagana.
    Sie bezeichnete sich selbst als Befreier Israels (Palästinas!) und spezialisierte sich auf Terroranschläge auf die Briten (u.a. Hotel King David in Jerusalem)
    Ihr letzter und militantester Führer war Menachem Begin, späterer Präsident Israels


    Sie gingen auch gegen Palästinenser mit jeder erdenklichen List vor


    auch mit dieser sog. Davidka, die es so gefährlich nie gegeben hat. Sie sollte, der Namen sagt es schon, die Waffe gegen Goliath sein.


    Es waren ganz einfach bauchige Flaschen mit Benzin und nem Lappen drin
    (bei uns auch als Molotowcocktail bekann)


    euer hef

  • danke, hef, dass du dir die zeit nimmst, obwohl du zzt an deinem neuen buch arbeitest!


    also scheint die irgun mit den makkabäern identisch zu sein und leon uris die davidka auch aus dem realen leben gegriffen zu haben.

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Entschuldigt bitte, wenn ich mich einmische. Ich habe das Buch gerade beendet, als ich von dieser Leserunde erfahren habe. Leider habe ich nicht die Zeit, mich regelmäßig zu beteiligen, aber ein ums andere Mal möchte ich gerne etwas beitragen.


    Zur Irgun ("Nationale Militärorganisation") würde ich gerne noch ergänzen, dass sie sich, wie hef schon sagte, von der Hagana ("Die Verteidigung") abgespalten hat, weil diese den späteren Irgun-Angehörigen nicht militant genug war. Nach dem Unabhängigkeitskrieg ging aus Hagana und Palmach ("Einsatztruppe") die IDF hervor, der auch die Irgun (nicht ganz freiwillig) angeschlossen wurde.


    Wenn man sich an die beiden Makkabäer-Bücher und die Geschichte rund um Chanukka erinnert, ist der Zusammenhang zwischen Irgun und den "Makkabäern" in Exodus leicht hergestellt.


    Zur Davidka möchte ich z. B. auf diesen Artikel hinweisen. Da gibt es auch einige Fotos. Die Davidka war schon so, wie sie in Uris' Buch geschildert wird, und hat auf die Araber wohl hauptsächlich aufgrund des von ihr verusachten Lärms Eindruck gemacht. Aber das wird, wenn ich mich recht erinnere, im Buch auch nicht anders beschrieben.


    Genug für heute. Ich hoffe, meine Einmischung ist gestattet.

    ToniO



    Betrachte nicht den Krug, sondern dessen Inhalt.
    Rabbi Me'ir


    Coincidence is God's way of remaining anonymous.
    Albert Einstein

  • HI Tonio,


    ich glaube jede Einmischung wird hier gewünscht. Danke für den LINK. Die Version von URIS kannte ich auch noch nicht. Das waren dann einfach nur Granatwerfer.


    Ich kenne die Davidka nur aus dem Jom Kippur-Krieg, um Nomaden aus der Schusslinie im Sinai zu vertreiben. Und da waren es einfach nur Benzin gefüllte Cocktails. Auch sehr wirksam. Danke für den Hinweis.


    euer hef

  • @ hef:
    verstehe ich das richtig: du hast exodus nicht gelesen?
    ich hatte das nach der diskussion in beris weltdiskussionsthread irgendwie stillschweigend vorausgesetzt. aber stimmt, behauptet hast du das nie.
    hat ja auch nichts damit zu tun, dass du dich in israels angelegenheiten gut auskennst. nur weiß ich jetzt, dass ich keine direkt auf das buch bezogenen fragen an dich zu stellen brauche, wie zB oben frage 3 :-)
    umso mehr danke, dass du uns hier über die schulter schaust :keks


    @ tonio:
    hef hat recht, "einmischung" ist nicht nur "gestattet", sondern vielmehr ausdrücklich erwünscht! danke auch von mir für deinen davidka-link! glücklicherweise reichte mein englisch, um zwischen den militärischen fachausdrücken gerade meine frage beantwortet zu bekommen: der gag mit den atombomben war, wie hef auch schon schrieb, ein gag der juden und keine erfindung vom autor uris. "die beiden makkabäer-bücher" bezieht sich vermutlich auf die bibel? da muss ich (*schäm*) bei gelegenheit erinnerungen auffrischen, um den bezug herstellen zu können.
    danke auch für diesen hinweis. :anbet


    vielleicht kommen ja noch einige mitstreiter dazu.


    ich werde am kommenden wochenende versuchen, etwas zu teil 2 zu posten...


    :wave

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • krokus


    ...doch, ich habe EXODUS gelesen. Ist aber schon 45 Jahre her. Es hat mich sehr beeindruckt. Aber Details :rolleyes? an die kann ich mich nicht mehr erinnern.


    Ich weiß nur, dass ich als Journalist in Israel begeistert von der Detailgetreue von URIS war.
    Mal abgesehen von der Liebesgeschichte birgt der Roman mehr Wahrheit als Dichtung. Kleine Mogeleien seien erlaubt um die Handlung vorwärts zu bringen.


    euer hef

  • achja, stimmt. ich glaube, du schriebst auch irgendwo, dass die lektüre dieses buches dich zu deiner ersten reise nach israel inspirierte....
    ging mir ja damals genauso, wenn auch ein paar jahre später.
    :-) :wave

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • ...wenn es auch schon fast ein Leben her, dass ich EXODUS gelesen habe, finde ich, dass es auch heute, und gerade heute, zur Allgemeinbildung gehört, es zu lesen.


    Es gibt im Leben eines Menschen immer wieder mal zeitlose Bücher, die einen für eine bestimmte Periode prägen.
    Bei mir war es der Übergang von der Jugend zum "Erwachsenwerden" :gruebel


    Genauso wie der Schinken "Krieg und Frieden".


    Diese beiden Bücher haben derart viel Saat in mir hinterlassen, dass ich mich mit der Geschichte beschäftigt habe, dass ich als Journalist in diese Länder musste. Ich wollte wissen, ob die Israelis so sind, wie sie Uris beschrieben hatte.
    Ich traf viele Deutsche, die noch die KZ No. auf dem linken Arm trugen.
    Und, sie waren stolz darauf.


    Sie lebten nach dem hintergründigen Motto: wir haben vergeben, aber nicht vergessen.


    Das Buch ist immer noch hochaktuell und sollte gerade Jüngeren ans Herz gelegt werden.


    Also, keine Angst. Das ist kein verstaubter Schinken. Bildung kann nicht schaden. Sie hilft Vorurteile abzubauen... :chen


    euer hef

  • Obwohl ich mich für die Leserunde angemeldet hatte, muss ich das Buch leider noch etwas aufschieben. Ich werde das aber später nachholen.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)


  • "krieg und frieden" kenne ich bisher leider nur aus der verfilmung mit audrey hepburn, henry fonda und mel ferrer - an den dicken wälzer voller russischer namen habe ich mich - auch wegen des riesigen stapels mir noch vollkommen unbekannter geschichten - noch nicht rangewagt.


    dem, was du zu exodus geschrieben hast, kann ich nur zustimmen.
    noch wichtiger als die eigenschaft, eben kein verstaubter schinken zu sein, finde ich aber eigentlich, dass das buch an sich zwar - neben seiner schilderung der anfänge und dem aufzeigen, wie die heute noch andauernden konflikte entstanden - deutlich zeugnis über das geschehen um den holocaust herum ablegt, aber im leser kein schlechtes gewissen, keinen erhobenen zeigefinger-frust auslöst. jedenfalls ging es mir so.
    hoffentlich kann ich das jetzt richtig "rüberbringen", es ist mir wichtig!
    natürlich macht das buch betroffen. sehr betroffen. es kann einem schlecht werden beim gang des kleinen dov, als er die leichen seiner verwandten zu identifizieren versucht, man kann in tränen ausbrechen, als karen dem alten mann, der ihr vater gewesen sein könnte, gegenübertritt! und doch:
    ich fühle mich nicht schuldig. möglicherweise wäre ich schuldig geworden, wenn ich damals gelebt hätte, ich weiß es nicht. und ich fühle mich auch ein wenig angeregt, alles zu tun, damit so etwas ja nicht noch einmal geschehen kann (mit ein grund dafür, dass ich das buch gern jüngeren menschen ans herz lege). aber ich empfinde keine schuldzuweisung.
    und das ist mE wichtig. denn ich denke, dass mit der art des umgangs mit dem damaligen geschehen viel verdorben wird: erst wurde es in den schulen totgeschwiegen, dann wiederum folgte eine überdosierung - welche mE bei vielen jungen menschen in eine trotzige verweigerungshaltung geführt hat - nicht unverständlich, aber traurig.


    "Obwohl ich mich für die Leserunde angemeldet hatte, muss ich das Buch leider noch etwas aufschieben. Ich werde das aber später nachholen." (maikäfer)


    danke fürs bescheidsagen!
    wir können die leserunde jederzeit weiterführen - sobald irgendwer irgendwas hier schreibt. außerdem denke ich, dass beri bald auftaucht.
    mit meinem zweiten teil-posting warte ich jedenfalls erst einmal.
    allen einen schönen sonntag (die temperaturen passen ja zum buch :grin)
    :wave

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Zitat

    Original von hef
    Ich traf viele Deutsche, die noch die KZ No. auf dem linken Arm trugen. Und, sie waren stolz darauf. Sie lebten nach dem hintergründigen Motto: wir haben vergeben, aber nicht vergessen.


    Viele Deutsche? Viele deutsche Juden, meinst du, nicht wahr? Und polnische und russische und...


    Und... Stolz auf die Häftlingsnummer? Kaum vorstellbar. Wäre sie nicht eintätowiert, hätten sie sicher viele gerne entfernt. Schon um nicht immerzu erinnert zu werden.


    Nein, vergessen kann man das Geschehene sicher nicht, und auch beim Vergeben habe ich meine Zweifel - Vergeben? Verzeihen? Das setzt doch voraus, dass man zumindest einen Hauch von Verständnis für die Täter aufbringt, oder? Allerdings denke ich, man muss unterscheiden zwischen den Überlebenden und deren Nachkommen. Genauso wie zwischen den Tätern (und Mitläufern und Ich-habe-nichts-gesehen-Leuten) und den Nachgeborenen.


    Zitat

    Original von krokus
    und das ist mE wichtig. denn ich denke, dass mit der art des umgangs mit dem damaligen geschehen viel verdorben wird: erst wurde es in den schulen totgeschwiegen, dann wiederum folgte eine überdosierung - welche mE bei vielen jungen menschen in eine trotzige verweigerungshaltung geführt hat - nicht unverständlich, aber traurig.


    Leon Uris hat die Lager nicht persönlich kennengelernt. Er ist in den USA geboren und aufgewachsen und war während des 2. Weltkrieges im Südpazifik. Außerdem hat er das Buch sicher nicht mit Blick speziell auf das deutsche Nachkriegspublikum geschrieben. Von daher stimme ich dir zu, dass es kein schlechtes Gewissen auslöst.


    Ja, zuerst wurde das Thema 3. Reich (nicht nur) in den Schulen totgeschwiegen. Zu viele waren selbst mehr oder weniger aktiv beteiligt, als dass sie objektiv hätten unterrichten können. Ich erinnere mich da an einen Geschichtslehrer...
    Aber Überdosierung? Die findet heutzutage bestimmt nicht in den Schulen statt... Und auch außerhalb kann man das Gebiet weiträumig umgehen und sich in Unkenntnis hüllen, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Außer ein paar Schlagwörtern zu bestimmten Gedenktagen bekommt man dann nichts mit. (Allerdings wurde der 9. November bereits völlig ins Gegenteil verkehrt - statt Erinnerung an die Reichspogromnacht jetzt Jubel, Trubel, Heiterkeit anläßlich des Mauerfalls - obwohl die Mauer eine direkte Folge der Pogromnacht war).
    Nein, Überdosierung bestimmt nicht. Die Unkenntnis ist immer noch groß. Erst vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit zwei Jungs, 16 und 22 Jahre alt, die mehr zufällig "Der Junge im gestreiften Pyjama" gesehen haben - und vor lauter Mitleid über Brunos Schicksal beinahe zerflossen. Wohlgemerkt über Brunos Schicksal, nicht über das von Schmuel und allen anderen Lagerinsassen. Die Unkenntnis verwandelte sich im Laufe unseres Gesprächs rasch in Betroffenheit. Und einer der beiden stellte fest, dass diese dunkle Zeit eben nicht Thema in der Schule war.
    Die trotzige Verweigerungshaltung möchte ich lieber den Unbelehrbaren zuordnen. All dem braunen Gesindel, das immer dabei ist, wenn's mal wieder gegen Israel geht. Und denen, die meinen, jetzt - nach 65 Jahren - könnte endlich mal gut sein mit den alten Geschichten. Und die dabei vergessen, dass man aus dem Vergangenen nur lernen kann, wenn man es kennt.



    Sorry, jetzt ist's schon wieder so lang geworden. Und das trotz israelischer Temperaturen (dort ist es zur Zeit sogar etwas "kühler" als hier :wow).

    ToniO



    Betrachte nicht den Krug, sondern dessen Inhalt.
    Rabbi Me'ir


    Coincidence is God's way of remaining anonymous.
    Albert Einstein

  • Viele Deutsche? Viele deutsche Juden, meinst du, nicht wahr? Und polnische und russische und...


    ...natürlich Deutsche...jüdischen Glaubens!!! Ist da ein Unterschied, ob jüdisch oder katholisch?


    Da hat im Kaiserreich kein Mensch nach gefragt, wer in den Gräben an der Westfront verreckt ist.


    Mich erstaunte nur immer wieder, dass diese Menschen sich eben die Nummer NICHT haben entfernen lassen. Ich bezeichne es als stolz...aber vielleicht war es auch Trotz. Kann sie leider nicht mehr fragen. Die meisten sind inzwischen gestorben und haben sehr kritische Nachkommen hinterlassen.


    "Vergeben, aber nicht vergessen" steht übrigens als Leitspruch über der Gedenkstätte in Jerusalem.


    euer hef

  • Zitat

    ...natürlich Deutsche...jüdischen Glaubens!!! Ist da ein Unterschied, ob jüdisch oder katholisch?


    Da hat im Kaiserreich kein Mensch nach gefragt, wer in den Gräben an der Westfront verreckt ist.


    Wenn du aufgrund deines Glaubens verfolgt wirst, ist es sehr wohl ein Unterschied, ob du jüdisch oder katholisch bist. Die Menschen, die du in Israel getroffen hast, haben ihre Heimat verlassen müssen, weil ihre Mitmenschen sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt und verschleppt haben und töten wollten.


    Du hast Recht, im Kaiserreich hat (fast) niemand danach gefragt Zu dieser Zeit hatten die deutschen Juden die Hoffnung, als Deutsche jüdischen Glaubens akzeptiert zu werden. Auch in der Weimarer Republik gab es diese Hoffnung noch. Aber es war weder von Kaiserreich noch von Weimarer Republik die Rede.


    Und, um mal wieder auf das Buch zurückzukommen, in der Lebensgeschichte von Karens Familie wird das auch so geschildert, wenn ich mich nicht irre.

    ToniO



    Betrachte nicht den Krug, sondern dessen Inhalt.
    Rabbi Me'ir


    Coincidence is God's way of remaining anonymous.
    Albert Einstein

  • ...nicht falsch verstehen, aber ich kriege Zustände, wenn man den Zusatz
    einer Glaubensrichtung als eine eigene Rasse definiert. Genauso, wie immernoch zwischen Hautfarben definiert wird.


    Wenn sich jemand einer Richtung verbunden fühlt, und sei es einem Land, dann interessiert es mich nicht, welchen Glaubens oder Hautfarbe er ist.


    Solange man mich nicht versucht zu missionieren hat er zumindest keinen Gegner in mir. Und Schwarz färbt nicht ab.... :nono


    euer hef

  • Zitat

    Original von hef
    "Vergeben, aber nicht vergessen" steht übrigens als Leitspruch über der Gedenkstätte in Jerusalem.


    meinst du yad vashem?



    Zitat

    Original von tonio_treschi
    Und, um mal wieder auf das Buch zurückzukommen, in der Lebensgeschichte von Karens Familie wird das auch so geschildert, wenn ich mich nicht irre.


    so habe ich das auch verstanden.


    äh, "jungs", ihr streitet euch hier aber nicht, oder? naja, vielleicht kommt mir das bei diesen israelischen temperaturen ja auch nur so hitzig vor.
    ich hoffe jedenfalls, dass hier niemand zustände bekommt
    ich denke, im grundsatz seid ihr euch eh einig...
    schön, dass der thread doch noch etwas leben erhält.
    jetzt fehlt uns nur noch beri...
    aber auch andere sind herzlich eingeladen!

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Zitat

    äh, "jungs", ihr streitet euch hier aber nicht, oder? naja, vielleicht kommt mir das bei diesen israelischen temperaturen ja auch nur so hitzig vor.


    Streiten? Na, ich hoffe doch, nicht. Allerdings verstehe ich nicht so recht, warum du, hef, Zustände bekommst... Gerade du als Ex-Journalist und Schriftsteller solltest wissen, wie wichtig eine korrekte Ausdrucksweise ist. Ich habe den Begriff "Rasse" nicht mal angedeutet. Mal ganz davon abgesehen, dass es nur eine menschliche Rasse gibt, hat der Begriff für mich immer noch einen üblen Beigeschmack.


    Ich habe lediglich versucht, deutlich zu machen, dass die von den braunen Horden Verfolgten dieses Schicksal nicht erleiden mussten, weil sie Deutsche (oder Polen oder Russen oder Niederländer oder Franzosen oder...) waren (Deutsche waren sie nach Nazi-Auffassung eben gerade nicht - Reichsbürgergesetz vom 15.09.1935), sondern weil sie jüdisch waren oder jüdische Vorfahren hatten. Die Definition der Juden als eigener Rasse ist keine jüdische Idee. Eher erfolgt die über den gemeinsamen Glauben, die gemeinsame (Gebets-)Sprache, gemeinsame Traditionen und Bräuche, ein gemeinsames Schicksal. Schicksalsgemeinschaft, habe ich mal irgendwo gelesen.


    Deinen zweiten Absatz verstehe ich leider nicht.


    Schwarz färbt nicht ab... jüdisch sein auch nicht.


    Und keine Sorge... wir missionieren nicht. :zwinker

    ToniO



    Betrachte nicht den Krug, sondern dessen Inhalt.
    Rabbi Me'ir


    Coincidence is God's way of remaining anonymous.
    Albert Einstein