Das Einsteinmädchen - Philip Sington

  • Titel: Das Einsteinmädchen
    Autor: Philip Sington


    Deutsche Erstausgabe 2010 bei DTV
    Originaltitel: The Einstein Girl erschienen 2009 bei Harvill Secker, London
    Deutsch von Sophie Zeitz



    Inhalt: ( Umschlag)


    Berlin 1932. Eine junge Frau wird im Wald bei Caputh bewusstlos aufgefunden. In der Nähe entdeckt man den Programmzettel eines Vortrags von Albert Einstein: "Der gegenwärtige Stand der Quantentheorie". Die Presse tauft sie daraufhin "das Einstein-Mädchen". Als sie aus dem Koma erwacht, hat sie keine Erinnerung an ihr früheres Leben, weiß nicht einmal mehr ihren Namen. Martin Kirssch, Psychiater an der Charité, iast fasziniert von diesem ungewöhnliche Fall. Im Lauf der Zeit fühlt er sich immer mehr zu seiner Patientin hingezogen. Bei seinen eigenen heimlichen Nachforschungen zur Identität der "Patientin E." stößt er auf ein Notizbuch mit mathematischen Formeln und einen Brief, adressiert an Mileva Einstein-Maric, die erste Frau Albert Einsteins. Um Milena aufzusuchen reist er nach Zürich und lernt dort ihren und Einsteins Sohn Eduard kennen, der sich im Burghölzli, einer Nervenheilanstalt befindet. Weiß Eduard wer das geheimnisvolle Einsteinmädchen ist? Kirsch ahnt noch nicht, dass die "Patientin E." sein letzter Fall sein wird - denn während er sich in Zürich aufhält, ergreifen die nationalsozialisten in Deutschland die Macht...



    Meine Meinung:


    Ein spannender, intelligenter Krimi mit historisch brisantem Hintergrund.
    Für mich stand jetzt weniger die kriminalistische Aufklärung des Falles im Vordergrund. Bedrückend und aufwühlend waren eher die Einblicke in die damaligen psychiatrischen Behandlungsmethoden, die Experimente, die ohne Rücksicht auf die Patienten an ihnen vorgenommen wurden und die der Geist des Nationalsozialismus zu einem grauenvollen Ende kommen ließ. Kirsch, der mit den Methoden keinesfalls einverstanden war, sich zu seinem Nachteil dagegen wehrte, geht mit seinen Patienten unter.
    Kirsch wendet sich der Ursache der psychischen Krankheiten zu, sucht sie in Ereignissen die den Patienten zugestoßen sind, während die damalige Auslegung, was Wasser auf die Mühle der Nazis war, die Vererbung von Geisteskrankheiten in der Familie dogmatisiert wurde. So sollte er die Patienten der Charité auflisten und den Nazis übergeben.
    Einsteins Leben, ob Wahrheit oder Fiktion werden mit dem Fall auf spannende Art verwoben. Ob er jetzt ein Schwerenöter war, wie er in der Geschichte dargestellt wird oder nicht, die Ausflüge in die Quantenphysik, die auf sehr verständlich Art erklärt wird, (das erste Mal, dass ich begriffen habe worum es dabei geht) geben dem Buch etwas von einer wissenschaftlichen Abhandlung, ebenso die Ausführungen in die Geschichte der Psychiatrie.
    Das ganze hat Sington sehr gut recherchiert, die bildhafte, oftmals poetische Sprache, die wunderbaren Ortsbeschreibungen, der Gewissenskonflikt Martin Kirschs, die Zusammenhänge die erst nach und nach zu TAge kommen und aus der Sicht verschiedener Personen erzählt wird, geben diesem buch einen ganz besonderen Reiz.
    Kein Durchschnittskrimi, nicht ganz leicht zu lesen, aber lohnenswert.
    Könnte glatt 10 Punkte geben.


    edit sagt der Autor ist auch wichtig


    Philip Sington studierte Geschichte in Cambridge und arbeitete als Journalist und Herausgeber, Drehbuch- und Theaterautor. Er lebt mit seiner Fau und seinem Sohn in London. Unter dem Pseudonym Patrick Lynch (hinter dem sich das Autorenduo Philip Sington und Gary Humphreys verbirgt) hat er mehrere Wissenschaftsthriller veröffentlicht.

    "Leute die Bücher lesen, sind einfach unberechenbar." Spruch aus "Wilsberg "
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  • Zitat

    Original von Eskalina
    Ist das dein vorablesen Exemplar? Ich bin erst in der Mitte und mir gefällt es bis jetzt auch sehr gut. Erstaunlich, wie gut der Autor recherchiert hat und wie gut man sich das Berlin der 30er Jahre vorstellen kann. :-)


    Ja genau. Bei mir hat es oft Gänsehaut ausgelöst. die Recherche fand ich auch unwahrscheinlich gut, egal ob es die Geschichte der Psychiatrie bzw. die Behandlungsmethoden oder die Ausflüge in die Quantenphysik betrifft.
    Die besonderen Umstände der Anfänge des dritten Reiches in diese Kriminalgeschichte einzubetten ist ihm gelungen.

  • Inhalt:


    1932 kurz vor der Machtergreifung Hitlers wird in einem Waldstück bei Caputh eine bewusstlose Frau aufgefunden. In der Nähe befindet sich Albert Einsteins Sommerresidenz. Die junge Frau hat ihre Erinnerung verloren. Dr. Martin Kirsch wird ihr behandelnder Arzt. Er forscht ihrer Vergangenheit nach und stösst aufgrund eines bei der Verunfallten gefundenen Programmzettels rasch auf Albert Einstein. Kirsch, selbst krank, schützt die Unbekannte vor den Experimenten eines Kollegen und gerät in den Sog der Nazis. Eine Episode die allerdings nicht ausführlich ausgefûhrt wird. Überhaupt bleibt der zeitliche Hintergrund ein Schatten, was nicht unbedingt ein Übel sein muss. Ebenso gerät Martin Kirsch zwischen seine Verlobte Alma und seine Patienten. Eine ganz und gar unmögliche Liebe. Seine Nachforschungen fûhren ihn nach Zürich.


    Meinung:


    Was mir sehr gut an diesem Roman gefallen hat, sind die fein aufeinander abgestimmten Handlungsabläufe, die Grundidee, auch die Rückblicke in die Vergangenheit, der Verlust des Bruders, der so viel von Albert Einstein hielt, die Kindgheitsgeschichte der Protagonistin fand ich anschaulich geschrieben. Der Ärztepfusch an der Berliner Charité, die Brutalität mit der psychisch Kranke traktiert werden kommt ans Tageslicht, ohne dass man das Buch aus Ekelgründen weglegen möchte. Schwächer fand ich vor allem die Darstellung Albert Einsteins, überhaupt fand ich die Figuren oft zu konturlos und schwammig. Mir leuchtet auch nicht ein, warum die Arbeiten Einsteins derart ausführlich beschrieben werden. Es gibt da diese Verquickung zu Martin Kirschs Bruder, die am Schluss allerdings nicht weiter ausgeführt wird. Welchen Nutzen, welche Veränderung in Kirschs Wesen hat die Arbeit Einsteins? Und wenn es keinen Einfluss auf sein Leben hat, wieso wird dann derart viel davon erzählt? Die Stärken des Autoren liegen in der Konstruktion dieses Romans. Das ist alles sauber ausgedacht und flüssig geschrieben, aber inhaltlich hapert es es oft mit den Gefühlen, der Tiefe und der Spannung. Wer zum Teufel hat diesem Roman das Etikett Thriller aufgedrückt? Das ist ein durchaus interessanter Roman vor historischem Hintergrund, aber nie im Leben ein Thriller. Insgesamt habe ich "Das Einstein Mädchen" gerne gelesen. Kein Buch das man haben muss, aber lesenswert. Ich gebe 7 von 10 Punkten.

  • Dr. Kirsch und das Einstein-Mädchen


    Meine Meinung: Ein Zettel mit einem Hinweis auf eine Vorlesung von Albert Einstein, das ist das Einzige, was die junge Frau bei sich hat, als sie bewusstlos in einem Wald bei Caputh gefunden wird. Auch nach ihrem Erwachen kann sie sich an nichts erinnern und ihre Herkunft bleibt vorerst im Dunkeln. Von Anfang an fühlt sich der Psychiater Dr. Martin Kirsch zu seiner Patientin hingezogen und beginnt auf eigene Faust zu recherchieren. Dass er damit nicht nur seine Anstellung an der renommierten Charité gefährdet, sondern auch seine Verlobte Alma Siegel vor den Kopf stößt, wird ihm erst sehr viel später bewusst. Aus vielen kleinen Bruchstücken setzt er nach und nach das Leben seiner geheimnisvollen Patientin zusammen und gerät dabei in gefährliche Gewässer.


    Bei diesem Roman fällt immer wieder die gute Recherche des Autors auf. Er beschreibt nicht nur die zu der Zeit der Handlung üblichen psychiatrischen Behandlungsansätze, sondern schildert auch (in Ansätzen) verständlich und schnörkellos die Relativitätstheorie Einsteins. In Rückblenden erlebt Dr. Kirsch seine traumatische Zeit in einem Feldlazarett während des 1. Weltkrieges, und auch der Alltag in dem der politische Einfluss der Nationalsozialisten immer tiefer in alle Lebensbereiche drängt, wird sehr plastisch beschrieben. Viele kleine Szenen aus dem Berliner Alltagsleben der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zeigen die Stimmung der damaligen Zeit auf und geben ein Gefühl für die Lebensumstände der Menschen. Kirsch steht stellvertretend für eine Generation, die durch den Krieg um ihre Jugend betrogen wurde, und die schon die nächsten dunklen Schatten heraufziehen sieht. Aufgrund eines veröffentlichten Artikels über Geisteskrankheiten gerät er in das Visier der neuen Machthaber und soll für sie alle Patientenakten bzw. Namen der Patienten herausgeben, damit in Zukunft solchen Krankheiten „vorgebeugt“ werden kann…


    Die Handlung ist dicht und sehr gut eingebettet in ihre Zeit. Die tatsächlich existierenden Handlungsorte und die realen Namen von Einstein und seiner Familie lassen fast vergessen, dass das Geschehen um Martin Kisch rein fiktiver Natur ist, wenngleich sich damals alles so oder so ähnlich in deutschen Kliniken abgespielt haben kann.


    Fazit: Für mich ein sehr gut recherchierter Roman (als Krimi würde ich ihn eher nicht bezeichnen) mit teilweise realem Hintergrund und intelligenter, anspruchsvoller Handlung. 7 von 10 Punkten.

  • Ich habe das Buch jetzt heute fertig gelesen und knabbere da an einer Sache:



    Oder bring ich da jetzt was durcheinander? *aufdemschlauchsteh*

    Liebe Grüße :wave


    Waldmeisterin


    Every day I give my family two choices for dinner: take it or leave it!


    Nulla unda tam profunda quam vis amoris furibunda

  • Wer einen spannenden Thriller lesen will ist hier eindeutig falsch. Ich habe nämlich gedacht das es eins ist um mich dann später durch das Buch zu quälen.
    Für mich ist "Das Einstein-Mädchen" zu langatmig und nicht spannend.


    Aber für Leute, die ein gut recherchiertes Buch mit wissenschaftlichem Touch lesen möchten, könnte es vielleicht interessant sein. Ich gehöre da aber nicht dazu.

  • Philip Sington wählt für seinen Roman eine Zeit des Umbruchs in Deutschland. Protagonist in dieser Geschichte ist der Psychologe Dr. Martin Kirsch. Er gilt als zielstrebig und verwendet auch die Beziehungen der höheren Gesellschaft durch seine Verlobte Alma zu seinen Gunsten. Als er den Fall um das Einstein-Mädchen Marija übernimmt, gerät seine Weltanschauung nicht nur durch die romantischen Gefühle ins Wanken. Er macht sich auf die Suche nach Marijas Vergangenheit und findet auch die von Albert Einstein.


    Ein zweiter Handlungsstrang erzählt in Briefform das Leben einer jungen Frau, deren Identität erst nach und nach deutlich wird. Die Korrespondenz wird offensichtlich mit Einsteins Sohn geführt, der unter Schizophrenie litt. Die wechselnde Perspektive verleiht dem Handlungsverlauf Geschwindigkeit, die durch manche ausführlichen Beschreibungen, speziell Einsteins Überlegungen zur Quantentheorie, wieder herausgenommen wird. Die exakte Recherche verleiht dem Roman fast schon etwas Biografisches. Politische Meilensteine sind genauso verarbeitet, wie der damalige Stand der Psychiatrie. Zeitweise ist es wirklich schwer, Fiktion und Wirklichkeit auseinander zu halten.


    Mit dem Roman um das Einstein-Mädchen ist dem Autor die Mischung aus historischem Roman und Krimi gelungen. Er zeichnet die historische Kulisse mit dem entsprechenden Sittengemälde plastisch nach. Die Charaktere bleiben allerdings oftmals nebulös verschwommen, was die Absicht ihrer Handlungen nicht immer eindeutig erkennen lässt. Dieses Buch fordert dem Leser einiges an Konzentration ab. Zu den unterschiedlichen Taten werden fast wie nebenher Informationen eingestreut, die sich erst im Nachhinein als wichtig erweisen. Vielleicht ist das Buch aber gerade deshalb so bemerkenswert. Die Geschichte um Marija wirkt noch lange nach.


    10 von 10 Punkte

  • eine sehr bewegende, mitreißende Geschichte


    Eine junge Frau wird bewusstlos in Caputh bei Berlin von zwei kleinen Jungs aufgefunden und dann in die Charité nach Berlin gebracht. Sie erwacht aus dem Koma, kann sich aber an rein gar nichts erinnern. Wer ist sie und welche geheimnisvolle Geschichte verbirgt sich hinter ihr? Als einziger Hinweis trug sie einen Programmzettel für einen Vortrag Albert Einsteins bei sich. Dies führt zu ihrem Namen: Einstein-Mädchen. Der Psychiater Dr. Martin Kirsch, der das Mädchen zuvor zufällig bereits kennengelernt hatte, ist fasziniert sowohl von ihr als Person als auch von dem Fall und beginnt mit der Recherche.


    Es ist ein fasznierendes Buch. Dem Autor gelingt es, den Leser durch eingestreute Gedanken- und Briefauszüge immer mehr in die Hintergründe einzuführen, ohne gleich zu viel zu verraten. Man ist gefesselt von den Entwicklungen, den Aufdeckungen, die Kirsch gelingen. Gleichzeitig fesselt aber auch die Zeitgeschichte. Berlin in den 30-er Jahren, die Situation nach dem 1. Weltkrieg, die Bücherverbrennungen, Hitlers Wahl zum Kanzler, das polititsche Programm der Nazis und die damit verbundenen Bedrohungen.


    In meinen Augen ein sehr gelungener Roman mit sehr präziser Schilderung der historischen Hintergründe. Die Geschichte des Einstein-Mädchens wird spannend und sehr tiefgründig aufgedeckt. Am Ende bleibt für mich die wirklich interessante Frage, wieviel an den geschilderten Charakteren Fiktion und was tatsächlich Realität, Historie war. Es bleibt der Wunsch, mehr über diese Zeit und auch die Hauptfiguren, insbesondere der Familie Einstein, zu erfahren.


    Das Buch kann ich jedem nur empfehlen, der neben einer sehr spannenden und aufreibenden Geschichte auch die Einbettung in die reale, historische Zeit liebt.


    Ich gebe 9 von 10 Punkten.

  • Titel: Das Einstein-Mädchen
    OT: The Einstein Girl
    Autor: Philip Sington
    Übersetzt von: Sophie Zeitz
    Verlag: DTV Premium
    Erschienen: Juli 2010
    Seitenzahl: 457
    ISBN-10: 3423247835
    ISBN-13: 978-3423247832
    Preis: 14.90 EUR


    Zum Inhalt sagt der Klappentext:
    Berlin 1932. Eine junge Frau wird im Wald bei Caputh bewusstlos aufgefunden und in die Charit‚ eingeliefert. Als sie aus dem Koma erwacht, kann sie sich an nichts erinnern, nicht einmal an ihren Namen. Bei ihr findet man nur einen Programmzettel von einem Vortrag Albert Einsteins. Martin Kirsch, der zuständige Psychiater, ist fasziniert von diesem ungewöhnlichen Fall; und von seiner Patientin. Wer ist diese Frau? Gibt es eine Verbindung zu Einstein? Seine Nachforschungen führen ihn nach Zürich und bis nach Serbien. Währenddessen ergreifen in Deutschland die Nazis die Macht ...


    Der Autor:
    Philip Sington studierte Geschichte in Cambridge und arbeitete als Journalist und Magazinherausgeber, Drehbuch- und Theaterautor. Er lebt mit seiner deutschen Frau und seinem Sohn in London.


    Meine Meinung:
    Im GUARDIAN wurde dieses Buch als „erstklassiger historischer Thriller“ bezeichnet. Als Thriller allerdings würde ich es nicht unbedingt bezeichnen. Es ist ein Roman mit einigen Spannungselementen, ein Roman über einen Psychiater, der versucht einer jungen Frau, die von einer Amnesie befallen ist, zu helfen. Leider bleibt dieser Roman an einigen Stellen nur an der Oberfläche. Gerade dort wo es um die drohende Zwangssterilisation und Euthanasie geht, bleibt das Buch in Andeutungen stecken. Die politischen Ereignisse zu Beginn des Jahres 1933 werden auch nur mehr als beiläufig erwähnt, dabei wäre es für diese Geschichte sicher nicht schlecht gewesen, der Autor hätte sich ihnen mit ein wenig mehr Intensität gewidmet. Die handelnden Personen bewegen sich stereotyp in klischeehaftem Verhalten, ihnen fehlt ein wenig eine eigene Identität. So bleibt in diesem Buch auch sehr vieles vorhersehbar. Die Person des Dr. Martin Kirsch hätte auch einem Arztromanheft entliehen sein können, ein Gutmensch ohne Fehl und Tadel, dazu geschlagen mit einer traurigen persönlichen Last. Als Leser bleibt man nach der Lektüre dieses Buches schon ein wenig enttäuscht zurück, wenigstens ging es mir so. Vom Klappentext ausgehend hatte ich schon mehr erwartet. Sicher nicht schlecht, aber auch nicht so, dass ich mich im Begeisterungstaumel auf dem Boden gewälzt hätte. Ganz nett – mehr aber auch nicht. Solide Unterhaltung, geeignet für „einfach so mal zwischendurch“. 6 Punkte - mehr ist mir dieses Buch nicht wert.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Waldmeisterin
    Ich habe das Buch jetzt heute fertig gelesen und knabbere da an einer Sache:



    Oder bring ich da jetzt was durcheinander? *aufdemschlauchsteh*


    Auf dem Schlauch steh ich auch. :wave

    Zwei Handlungsebenen hätten doch vollkommen gereicht: Dr. Kirsch spürt der Identität seiner Amnesie-Patientin nach, während sich in Briefen dem Leser peu a peu enthüllt, was bisher geschah.


    Aber, okay, ich bin noch nicht durch mit dem Buch. Vielleicht ergibt das ja doch noch einen Sinn.


    Bis jetzt lautet meine persönliche Relativitätstheorie, dass das eine relativ bescheuerte Idee war.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Vandam ()

  • Dann hätt er sich die Rahmenhandlung auch schenken können. Originalitätskrampf. Das ist wie neulich in der Fernsehserie "Lindenstraße",

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Zitat

    Original von Vandam
    Dann hätt er sich die Rahmenhandlung auch schenken können. Originalitätskrampf. Das ist wie neulich in der Fernsehserie "Lindenstraße",


    Das stimmt.
    Aber sicher bin ich auch nicht, der Autor hat aber wohl erreicht was er wollte - große Verwirrung stiften :rofl und uns zweifeln lassen, was real ist und was nicht.

    "Show me a girl with her feet planted firmly on the ground and I'll show you a girl who can't put her pants on." (Annik Marchand)

  • So ... hier kommt nun meine Buchvorstellung. Das Spoilermarkierte kann man getrost mitlesen, muss man aber nicht. Dort erfolgt kein Geheimnisverrat, dort gibt's nur nähere Infos zu Handlungsverlauf und Nebenfiguren.


    ***


    Philip Sington: Das Einstein-Mädchen, OT: The Einstein Girl, aus dem Englischen übersetzt von Sophie Zeitz, München 2010, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-24783-2, Softcover, 457 Seiten, Format: 13,5 x 21 x 3,5 cm, EUR 14,90 (D), EUR 15,40 (A)


    Berlin 1932: Eigentlich hat Psychiater Dr. Martin Kirsch gerade genug am Hals: Geplagt von traumatischen Erinnerungen an seinen Einsatz im Ersten Weltkrieg, erschüttert vom Tod seines Bruders Max, gezeichnet von einer schweren Krankheit und gestresst von der bevorstehenden Hochzeit mit der Industriellentochter Alma Siegel, hat er sich zu allem Überfluss noch mit einem kritischen Artikel in der Fachpresse in die Nesseln gesetzt. Und nun erwartet sein Chef an der Charité, Professor Bonhoeffer, Kirschs Kündigung. Nestbeschmutzer, die sich dazu noch fachlich mit Kollegen anlegen, die will er in seiner Abteilung nicht haben.


    Da müsste es Dr. Kirsch ja sehr gelegen kommen, dass ihm Professor Eugen Fischer, der Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, ein lukratives Angebot macht. Er hat Kirschs Artikel gelesen, für gut befunden, und beauftragt ihn nun, genau in dieser Richtung weiterzuforschen.


    Doch im Augenblick kommt Martin Kirsch der Wechsel von der Klinik in die Forschung sehr ungelegen. Das hat mit einer Patientin zu tun, die gerade in die Charité eingeliefert wurde. Die junge Frau wurde im Wald bei Caputh aufgefunden, halbnackt, bewusstlos, verletzt – und ohne Erinnerung an ihr bisheriges Leben. Weil sie ein Flugblatt mit der Ankündigung eines Vortrags von Albert Einstein bei sich hatte, nennt man sie „das Einstein-Mädchen“. Sie selbst hat sich für den Namen „Maria“ entschieden.


    Nichts weiß man von ihr, keinen Namen, keine Adresse. Sie spricht mit slawischen Akzent. Und Dr. Brenner stellt fest: „Wir können mit Sicherheit sagen, dass sie irgendwann ein Kind geboren hat. Und sie trägt keinen Ehering am Finger.“ (Seite 71/72). Verwitwet, geschieden, eine unverheiratete Mutter? Welches Schicksal steht dahinter?


    Kirsch hat nicht nur ein professionelles Interesse an dem ungewöhnlichen Fall, ihn interessiert auch die junge Frau selbst ... aus ganz privaten Gründen. Das dürfte seiner Verlobten Alma ganz und gar nicht gefallen, und deshalb behält er auch für sich, dass er die junge Dame flüchtig kennt. In einem Tanzlokal hatte sie sich ihm vor kurzem als „Elisabeth“ vorgestellt. Und er weiß, wo sie wohnt.


    In den kommenden Wochen fährt Kirsch in jeder Hinsicht zweigleisig. Er arbeitet weiter an der Charité und gleichzeitig an der Studie für Professor Fischer vom Institut für Anthropologie. Und er lässt seine Verlobte Alma weiterhin Hochzeitsvorbereitungen treffen, während er sich mehr und mehr in Maria verliebt.


    Klammheimlich sucht er Marias Vermieter auf und besticht ihn, um ihr Zimmer durchsuchen zu dürfen. Er findet ein lückenhaftes Fotoalbum, Unterlagen von einem Physikstudium und einen Brief, dem er entnimmt, dass Maria zum Bekanntenkreis, wenn nicht gar zur Verwandtschaft der Familie Einstein gehört. Ihren vollständigen Namen kennt er jetzt auch. Von wegen „Elisabeth“! Marija Draganovic heißt sie und ist eine Serbin, die in Zürich Physik studiert. Die Berechnungen in ihrem Notizbuch sind brillant, wie ihm Professor Max Laue von der Akademie der Wissenschaft versichert.


    Kirsch will jetzt ganz genau wissen, wer Marija ist und was mit ihr geschah. Er nimmt Urlaub und fährt nach Zürich zu Mileva Maric-Einstein, der Ex-Gattin des weltberühmten Wissenschaftlers, erfährt aber nichts weiter, als dass Marija Draganovic eine Studentin der Professorin war. Dass die junge Frau ein Kind gehabt haben soll, davon weiß Frau Maric-Einstein nichts.



    Erst Dr. Zimmermann, Edmund Einsteins Psychiater, bringt ihn einen kleinen Schritt weiter. Hat der manipulative Einstein-Sohn der jungen Frau eingeredet, dass sie zu seiner Familie gehört? Gründe dafür hätte er. Hat sie Edmunds Geschichte leichtfertig geglaubt oder ist sie eine Hochstaplerin, Betrügerin und Erpresserin, die aus der Geschichte Kapital schlagen wollte? Je weiter Kirschs Nachforschungen gedeihen, desto weniger weiß er ,was er von alledem halten soll. Dass er aufgrund seiner Erkrankung von Halluzinationen heimgesucht wird, trägt auch nicht unbedingt dazu bei, dass er den Überblick behält. Für Dr. Kirsch und auch für den Leser verschwimmen Realität und Fiktion immer mehr.


    Im Frühjahr 1933 kehrt Kirsch nach Berlin zurück. Inzwischen haben die Nazis die Macht übernommen. Martin Kirsch ist klar: Ob Marija nun zur jüdischen Familie Einstein gehört oder nicht – sie muss fliehen. Allein schon ihre psychische Erkrankung kann ihr Todesurteil sein.


    Wird Martin Kirsch jemals erfahren, wer Marija wirklich ist und wie sie in hilflosem Zustand in den Wald kam? Und ... erfährt es eigentlich Marija?


    Eingestreut in die Geschichte des Psychiaters Martin Kirsch sind Briefe, die uns nach und nach die tragische Lebensgeschichte der Marija Draganovic enthüllen. Nicht alles wird ausgesprochen, aber man kann es sich denken. Was ihre Schwester alles durchgemacht hat, zum Beispiel. Oder wer der Vater von Marijas Kind ist.


    „Das Einstein-Mädchen“ ist ein sorgfältig recherchierter Roman, der manchmal schon zu viel will: uns die Geschichte der Psychiatrie nahe bringen, Einsteins Gedankengänge erklären, eine spannende Geschichte erzählen und das Leben im Berlin der 30-er Jahre schildern. Vor allem mit den Einsteinschen Überlegungen und Theorien ist man als Leser schnell ein bisschen überfordert.


    Kirschs Suche nach der Identität seiner Amnesie-Patientin ist spannend und interessant, gerade weil sie ihn in so illustre Kreise führt und weil Marijas Geschichte möglicherweise mit skandalösen Familiengeheimnissen in Verbindung steht. Es stimmt, was Kate Saunders in der „Times“ schrieb: „(...) Historisches und Erfundenes sind hier wunderschön miteinander verwoben.“


    Nur die krause Rahmenhandlung hätte Philip Sington sich wohl besser verkneifen sollen. Möglicherweise wollte er eine Art literarischer Relativitätstheorie aufstellen und zeigen, dass Zeit und Handlung in einer Geschichte nicht unbedingt linear verlaufen müssen. Doch mit der Konstruktion, dass das ganze Buch nur ein Romanmanuskript über das Leben einer der Hauptfiguren sei, das diese gerade liest, schafft er hauptsächlich Verwirrung. Vor allem wenn er diese Romanfigur zu anderen Romanfiguren Dinge sagen lässt wie: „Ich habe Sie mir anders vorgestellt“ (...) „Sie stehen im Buch. Ich dachte, Sie wären älter.“ (Seite 68)


    Wie jetzt? Liest sie oder erlebt sie? Widerfährt ihr gerade etwas, von dem sie kurz zuvor in dem Manuskript gelesen hat? Sind die geschilderten Ereignisse nun doch nicht das Buch über ihr Leben, sondern diesem nur sehr ähnlich? Dann müsste der Schriftsteller sehr exakt in die Zukunft blicken können. Wie genau das mit dem Romanmanuskript gemeint ist, wird nie so recht klar.


    Solche Extravaganzen haben oft den Effekt, dass der Leser sich begriffsstutzig und veralbert vorkommt, und das kann ja eigentlich nicht im Sinne eines Autors sein. Hätte Sington es dabei belassen, die Geschichte einer skandalträchtigen Spurensuche zu erzählen, wäre es für den Leser erfreulicher gewesen. Er bliebe dann nicht so verwirrt und ratlos zurück.


    Der Autor:
    Philip Sington studierte Geschichte in Cambridge und arbeitete als Journalist und Magazinherausgeber, Drehbuch- und Theaterautor. Er lebt mit Frau und Kind in London. Unter dem Pseudonym Patrick Lynch ( hinter dem sich das Autorenduo Philip Sington und Gary Humphreys verbirgt, hat er mehrere erfolgreiche Wissenschaftsthriller geschrieben.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

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  • Zitat

    Original von Zimööönchen
    Meiner Meinung nach



    Aber



    very strange...

    Liebe Grüße :wave


    Waldmeisterin


    Every day I give my family two choices for dinner: take it or leave it!


    Nulla unda tam profunda quam vis amoris furibunda


  • Und warum hat de Vries eigentlich


    Okay ... wenn er Einstein erschossen hätte, hätte er auch Marija und Kirsch als Zeugen beseitigen müssen. Das war ihm vielleicht ein bisschen zu viel Gedöns.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Zitat

    Original von Vandam


    Ja, eben, aber das ist doch reelle Geschichte und nix aus diesm Buch, oder?


    Zitat

    Original von Vandam
    Und warum hat de Vries eigentlich


    Okay ... wenn er Einstein erschossen hätte, hätte er auch Marija und Kirsch als Zeugen beseitigen müssen. Das war ihm vielleicht ein bisschen zu viel Gedöns.


    Ich habe das so verstanden, dass de Vries im Moment Einsteins Chauffeur und generell so eine Art "Laufburcsche" war.


    Trotzdem kapiere ich das mir dem Buch immer noch nicht so ganz. Ich kann es mir irgendwie nicht so recht zusammenreimen, wie das alles passen soll...

    Liebe Grüße :wave


    Waldmeisterin


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    Nulla unda tam profunda quam vis amoris furibunda

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  • Ich glaube, dieser Beitrag wird für einige zum Spoiler-Ignorieren-Härtetest ;-)


    Ich habe nun fast die Hälfte gelesen und bin begeistert und gespannt, wie es weitergeht. Bis jetzt kann ich mich den positiven Meinungen also nur anschließen. Aber ich bin ja noch nicht fertig...