Narziß und Goldmund - Hermann Hesse

  • Ich dachte gerade, ich sehe nicht richtig - noch keine Rezi zu "Narziß und Goldmund" im Forum? - Ich frage mich, woran das liegt (und hoffe, es liegt nicht an meiner Unfähigkeit, die Rezension zu finden...), jedenfalls ist es ein Zustand, der so nicht weiter bestehen darf! ;-)


    Inhalt
    Im Mittelpunkt des Romanes stehen zwei Charaktere, die einander sehr unterschiedlich sind: auf der einen Seite Narziß, ein Mensch, den ich als sehr kopflastig und rational bezeichnen würde - auf der anderen Seite Goldmund, ein Gefühlsmensch und Künstler.
    Beide lernen sich in einem Kloster kennen, das Goldmund aber bald wieder verlässt. Die Handlung folgt von nun an hauptsächlich Goldmunds Leben, einem Leben auf Wanderschaft, das für Goldmund viele Entbehrungen, aber auch Freundschaft, Liebe und die Verwirklichung seiner künstlerischen Begabung bedeutet. Erst zum Schluss begegnen sich die ungleichen Freunde, die trotz der räumlichen Trennung auf besondere Art miteinander verbunden sind, wieder.


    Meinung
    Es fällt mir relativ schwer, meine Meinung zu diesem Buch darzustellen, ohne sehr persönlich zu werden - "Narziß und Goldmund" kam für mich genau zum richtigen Zeitpunkt, es passt zu so vielem, was ich in den letzen Monaten "gelernt" habe (oder glaube, gelernt zu haben), und das zu erklären, wäre mir erstens ein bisschen zu persönlich und würde zweitens wohl auch den Rahmen einer Rezi sprengen.


    Deswegen fasse ich mich möglichst kurz: Ich finde dieses Buch wundervoll und bin sehr froh, es gelesen zu haben. Hesses Schreibstil ist sehr angenehm, seine Beschreibungen der Orte, die Goldmund sieht, lassen mich die Natur, kräftige Farben und wunderschöne Landschaften sehen. Und Narziß und Goldmund, diese zwei wahnsinnig unterschiedlichen Charaktere und die Freundschaft zwischen ihnen, haben mich dazu bewegt, mir Fragen über mich selbst zu stellen und über mich in einer Weise nachzudenken, wie ich es vorher noch nicht getan habe.


    Und ein neues Lieblingszitat habe ich auch gefunden - ich poste es, auch auf die Gefahr hin, dass man, ohne das Buch gelesen zu haben, nicht ganz versteht, was es soll:
    Es ist nicht unsere Aufgabe, einander näherzukommen, sowenig wie Sonne und Mond zueinander kommen oder Meer und Land. Wir zwei, lieber Freund, sind Sonne und Mond, sind Meer und Land. Unser Ziel ist nicht, ineinander überzugehen, sondern einander zu erkennen und einer im andern das sehen und ehren zu lernen, was er ist: des anderen Gegenstück und Ergänzung.

  • Mit Deiner Einleitung hast Du ganz recht! Bei mir ist die Lektüre schon länger her, aber ich weiß, dass ich ähnlich begeistert war wie Du, vor allem habe ich mit Narziß gelitten, der Goldmund ziehen lassen musste. Das Zitat ist übrigens auch sehr schön :-)

  • Ich habe das Buch auch in sehr liebevoller Erinnerung, nicht zuletzt weil es mein allererster freiwillig gelesener Klassiker als Teenager war. Es hat mir damals sehr gut gefallen. Für immer eingeprägt haben sich mir die letzten Worte, die Goldmund zu Narziß spricht:



    Nicht wortwörtlich, aber sinngemäß konnte ich die nie vergessen, obwohl ich heute nicht mehr sagen könnte, was er damit meinte. Ich habe mir das Buch vor einiger Zeit gekauft, weil ich es irgendwann noch mal lesen sollte. Aber, ich habe es damit nicht eilig, irgendwann wird die richtige Zeit dafür sein.


    Gute Idee mit der Rezension auf jeden Fall, Bell!

  • Als wie esoterisch würdet ihr denn das Buch einschätzen?


    Ich habe bisher drei Romane von Hesse gelesen: Steppenwolf, Demian und Die Morgenlandfahrt. Während ich den Steppenwolf richtig geliebt habe, war mir insbesondere die Symbolik und Weltsicht von der Morgenlandfahrt ziemlich zuwider. Dauernd ging es da um die "Einheit" jeglichen Lebens oder Charaktere, die das "wahre" Wesen ihrer Mitmenschen erkennen. Wenn einem solche Bilder permanent und völlig unironisch entgegenschleudert werden, finde ich das schon recht problematisch. Das ist auch der Grund warum ich recht wenig Lust auf "Siddharta" habe, weil ich da genau soetwas vorzufinden befürchte.


    Aber vielleicht ist das bei "Narziß und Goldmund" ja anders? Lohnt es sich denn auch wegen der Sprache? Die habe ich beim Hesse ja immer sehr geschätzt.

  • Mh, esoterisch...ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstanden habe, was du damit meinst, aber ich denke ich würde "Narziß und Goldmund" eher als weniger esoterisch einstufen. Kenne zwar die "Morgenlandfahrt" nicht, aber "Siddharta" schon, und in diese Richtung geht "Narziß und Goldmund" jedenfalls nicht.


    Darum, das wahre Wesen der Mitmenschen zu erkennen, aber vielleicht schon - zumindest bemüht sich Narziß vor allem am Anfang des Buches darum, Goldmunds wahres Wesen zu erkennen - aber finde ich nicht esoterisch bzw. ist dieser Einheitsgedanke, von dem du sprichst, da nicht drin.

  • Glass, vielen Dank für die Rezi, die mir ein Anstoß war. Ich habe dieses Buch vor JAHREN gelesen und war sehr bewegt davon. Ich denke jetzt, dass der Zeitpunkt da ist, es mal wieder zu lesen. Danke!

  • Zitat

    Original von solea
    Als wie esoterisch würdet ihr denn das Buch einschätzen?


    Ich habe bisher drei Romane von Hesse gelesen: Steppenwolf, Demian und Die Morgenlandfahrt. Während ich den Steppenwolf richtig geliebt habe, war mir insbesondere die Symbolik und Weltsicht von der Morgenlandfahrt ziemlich zuwider. Dauernd ging es da um die "Einheit" jeglichen Lebens oder Charaktere, die das "wahre" Wesen ihrer Mitmenschen erkennen. Wenn einem solche Bilder permanent und völlig unironisch entgegenschleudert werden, finde ich das schon recht problematisch. Das ist auch der Grund warum ich recht wenig Lust auf "Siddharta" habe, weil ich da genau soetwas vorzufinden befürchte.


    Aber vielleicht ist das bei "Narziß und Goldmund" ja anders? Lohnt es sich denn auch wegen der Sprache? Die habe ich beim Hesse ja immer sehr geschätzt.



    Genau diese Befürchtung teile ich auch! Wobei ich allerdings sagen muss, dass mir "Siddharta" sehr gut gefällt. Man mag es als esoterisch bezeichnen, doch eigentlich spiegelt es ja nur die Lehre Buddhas wider, was mir - als Buddhismus-Interessierten - durchaus zusagt.
    Doch hat sich Hesse nunmal dem neuen Mystizismus zugewandt, was mir persönlich zwar suspekt, jedoch rein geistesgeschichtlich verständlich ist. Die einen wandten sich nach dem 2. WK dem Nihilismus und Atheismus zu, die anderen der Religion und wieder andere suchten ihren Sinn in der Mystik. Hesse ist dafür wohl das Paradebeispiel...

  • Hesse ist weder Mystiker noch Esotheriker. In keinem seiner Werke ist Esotherik oder Mystik im Spiel. Er ist einfach auf der Suche nach dem idealen Zusammenspiel von Natur und Mensch, Physis und Psyche. So wie die Wissenschaft auf der Suche nach der Weltformel ist, die der Ursprung allen Seins ist, ist Hesse auf der Suche nach der Geistes- oder Seelenformel, in der alle Menschen in ihrer Verschiedenheit eine Einheit bilden und die den Sinn des Seins beinhaltet. Das bringt ja dieses wunderbare Zitat von Narziss auch zum Ausdruck. Hesses Wanderungen in die menschliche Psyche sind sehr real. Seine wunderbare Sprache und die feinfühlige Zeichnung seiner Figuren und ihrer Gedanken sind weit von Esotherik oder Mystik entfernt. Er braucht niemand, der ihm die Welt erklärt.
    "Unterm Rad" solltet ihr unbedingt lesen. Reich Ranicki lässt Hesse übrigens nicht als Klassiker gelten. Man kann dieses Buch nicht ein zweites Mal lesen, sagte er über Siddharta. So jemand wie Sie nicht, Herr Ranicki, kann ich dazu nur sagen.

  • Wir haben dieses Buch als Wahlpflichtlektüre in der Schule ausführlich durchgenommen und es fällt mir schwer mich der Begeisterung der Poster/innen vor mir anzuschließen.


    Zwar ließ es sich vom Schreibstil Hesses her leichter als befürchtet lesen, aber wirklich anfangen konnte ich mit dem Stoff nichts. Mich haben diese ausschweifenden Beschreibungen genervt, die sich teilweise scheinbar endlos hinzogen, und insbesondere diese Art von "Liebe", die Narziß empfand, hat mich eher abgeschreckt.


    Zwar werde ich mir das Buch aufheben, mir gefällt meine Ausgabe in schwarzem Einband mit blaumetallic-Prägung ;-) , doch die Empfehlung meiner Lehrerin, "Siddharta" wäre ein deutlich besseres Werk, wird mich nicht animieren es zu versuchen, sorry.

  • Ich bin gerade über das hier gestolpert, die Erwähnung, dass "Narziss und Goldmund" verfilmt werden soll. Der erste Gedanke war "Huh? Kann das funktionieren?" Der zweite, dass ich es doch endlich irgendwann mal ein zweites Mal lesen sollte. Jetzt ist es tatsächlich an die 20 :wow Jahre her.

  • Zitat

    Original von Grisel
    Ich bin gerade über das hier gestolpert, die Erwähnung, dass "Narziss und Goldmund" verfilmt werden soll.


    Erst mal vielen Dank für den Hinweis. Auch mich versetzt diese Nachricht allerdings nicht gerade in einen vorfreudigen Glückstaumel.


    Warum ausgerechnet "Narziss und Goldmund"? Was prädestiniert diesen Stoff für eine Verfilmung?


    Keine Ahnung. Mir erschließt sich das nicht. Für mich war das Wesentliche an dem Buch jedenfalls die innere Entwicklung der Figuren, nicht so sehr die äußere Handlung. Natürlich kann man diese innere Entwicklung mit sehr guten Darstellern auch irgendwie auf die Leinwand bringen, aber mir schwant nichts Gutes, weil die Geschichte meiner Meinung nach für das Medium Film eher ungeeignet ist. Ich befürchte, selbst bei guten Absichten der Macher, eine arge Verflachung.


    Warten wir's ab; vielleicht gelingt ja tatsächlich eine kongeniale Adaption. Ich bin skeptisch, lasse mich aber gerne positiv überraschen ...

  • Zitat

    Original von Grisel
    Ist denn eigentlich jemals ein Hesse verfilmt worden? Ich glaube, es gibt nur ein Theaterstück basierend auf dem "Steppenwolf", oder?


    Zumindest "Siddhartha" ist verfilmt worden. Hab ich mir allerdings nie angesehen. Das Buch habe ich dafür mindestens drei Mal gelesen; und das ist auch gut so! :-]


    http://www.hhesse.de/artikel.php?print=38



    :wave

  • Rezension zu „Narziß und Goldmund“ im Rahmen der Leserunde vom 9. April 2018

    ISBN-10: 3518367749

    Link: https://www.amazon.de/Narzi%C3…nd+goldmund+hermann+hesse



    zum Autor:

    Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.


    Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin.


    Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.



    zum Inhalt:

    (in Überarbeitung) :gruebel



    meine Meinung:

    Ein Leben für die Kunst! Ein Leben für die Kunst? Braucht es wirklich ein solch sinnenfrohes Leben um beseelte Kunst zu schaffen?

    Es heißt ja, man sollte möglichst das Schaffen, von dem man etwas versteht. Hat Goldmund die Frauen wirklich verstanden? So kommt es mir eigentlich nicht vor. Er lebt größtenteils nur seine eigene Begierde aus. Die Wünsche der Frauen beachtet er nur so weit, wie sie seiner eigenen Empfindung dienen.

    Im Gegensatz dazu verleugnet Narziß seine körperlichen Bedürfnisse. Er will ganz Geist sein. Seine Denkfähigkeit ist ihm das Höchste, weil er Gott als reines Geistwesen sieht. Die Schöpfung ist eher mangelhaft – die Menschheit dumm und lasterhaft.

    Erst der aus der Welt wiedergekehrte Goldmund erschließt Narziß die Qualität der menschlichen Schaffenskraft und in der göttlichen Schöpfung.

    Die Motivation zur Kunsterschaffung scheint mir eher widersprüchlich. Goldmund will etwas Bleibendes aus sich heraus schaffen, das von Alter, Krankheit und Tod unbeeiflusst existiert. Am Ende bildet er aber nicht seine Lebenserfahrung der Üppigkeit ab sondern die überhöhten Ideale geistiger Prägung, die ja eher Narziß‘ Metier wären.


    Als Jugendliche hat mich dieser Roman wahrscheinlich deshalb so fasziniert, weil darin erstmals von tiefen Empfindungen der Männer die deutliche Rede war.

    Heute sehe ich deren Verhalten sehr viel kritischer. Deren Frauenbild, das hier gezeichnet wird, gefällt mir gar nicht.


    Die Sprache Hesses entspricht der damals üblichen Schreibweise. Seine Naturbeschreibungen und philosophischen Gedanken scheinen mir etwas schwerfällig. Das Reduzieren auf rein weibliche und rein männliche Eigenschaften ist nicht mehr zeitgemäß und stört die Überlegungen über das Wesen der Menschen.

    :gruebel

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

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