2009 erschien dieses Buch der ehemaligen ARD-Hörfunk-Korrespondentin für Israel und die besetzten Gebiete und es hat auch ein Jahr nach seinem Erscheinen nichts an Aktualität eingebüßt. Es ist genau das, was der Titel sagt, ein Bericht über einen Streifen Land und seine BewohnerInnen, die die Autorin bei vielen Reisen und Aufenthalten dort kennengelernt hat. Es ist ein Bericht von Grausamkeiten, von Not und Elend, Willkür und Wahnwitz, von Hunger und Tod aus den Augen der Betroffenen und geschildert in ihren Worten.
Es ist zugleich der Bericht einer überaus engagierten deutschen Journalistin, die es wagt, Partei zu ergreifen und zwar, indem sie einfach von Gaza erzählt. Von heute, von gestern, seine ganze tragische Geschichte. Es gibt Kurzabrisse ab der Antike, dann langsam ausführlicher werdende Abschnitte ab der Mandatszeit Palästinas bis zum letzten Überfall Israels 2008, unter einer Bezeichnung, für die sich das israelische Militär nicht schämte, eine religiös-kulturelle Tradition zu vulgarisieren und eine halbe Zeile ausgerechnet aus einem Kinderlied zu mißbrauchen.
In neun Kapiteln werden Gaza, seine BewohnerInnen und die Situation, in der sie leben, vorgestellt. Ganz klar herausgearbeitet wird die aktuelle politische Lage und vor allem die Entwicklungen, die dahin geführt haben. Der Schwerpunkt liegt auf den Entwicklungen seit dem Scheitern der Verhandlungen nach Oslo. Das alles wird kenntnisreich, detailliert und mit einer im deutschen Sprachraum beispiellosen Materialfülle vorgeführt, ohne daß die Darstellung auch nur einmal an Übersichtlichkeit verliert. Was das Lesen dieses Buchs so hart macht, ist nicht die Fülle an Fakten, die verarbeitet werden müssen, sondern das schiere Entsetzen, das aus diesen Seiten steigt, wenn man die Lebensbedingungen in Gaza gezeigt bekommt. Daß diese Lebensbedingungen von der israelischen Regierung gewollt sind - es gibt z.B. den offiziellen Leitsatz ‚Die Palästinenser sollen hungern, aber nicht verhungern - , den Menschen in Gaza wird seit Generationen im Wortsinn das Wasser abgegraben, ihr Leitungswasser ist inzwischen versalzen, die eigene Wirtschaft, die den Landstrich immer ernähren konnte, fast völlig abgetötet, 80% der Bevölkerung sind auf Lebensmittelhilfe der UNWRA angewiesen, - und daß die vielzitierte internationale Staatengemeinschaft eher wegsieht, ist zwar bekannt, wurde aber in einem deutschsprachigen Buch noch nie in solcher Deutlichkeit vorgebracht. Und belegt.
Ein zehntes Kapitel beschreibt die Schwierigkeiten der journalistischen Berichterstattung über die Palästinenser seit der Frontstellung zwischen Fatah und Hamas und vor allem durch das israelische Regierungspresseamt, das auch die Arbeit kritischer israelischer JournalistInnen ernsthaft beeinträchtigt.
Die Autorin urteilt nicht, sie berichtet und beschreibt. Man hat einen höheren Gewinn von der Lektüre, wenn man zumindest ein Minimum an Wissen über den palästinensisch-israelischen Konflikt mitbringt, da eine Fülle von Personennamen, Ortsnamen und Ereignissen auf einen hereinprasseln. Das bringt das Thema mit sich. Aber wenn man aufmerksam liest, kann man sich auch ohne Vorkenntnisse hineinfinden, weil Bettina Marx sehr klar und immer verständlich schreibt. Vor allem schreibt sie ohne Scheu.
Was das Buch letztlich endgültig bedrückend macht, ist die allumfassende Hoffnungslosigkeit. Die Autorin gibt keine Lösung, der Untertitel Land ohne Hoffnung ist bewußt gewählt.
Marx' Bericht ist das wichtigste deutschsprachige Buch zu Gaza, das zur Zeit auf dem Markt ist und nicht nur deshalb, weil es kein zweites gibt. Es ist so wichtig, weil alles mit einem so hohen Anspruch an Qualität recherchiert und dargeboten wird. Und mit einem solchen Mut, Partei zu ergreifen. Das macht Bettina Marx so schnell keine Zweite nach.