literarische Weltreise: Slowakei
Mit dem Beitritt der Slowakei zur EU hat Europa nicht nur ein neues Mitglied bekommen, sondern auch ein Problem, vor dem die alten Mitgliedsstaaten am liebsten die Augen verschlössen: die große Gruppe der Roma, die in Osteuropa unter elendsten Bedingungen hausen.
Das fahrende Volk, in meiner Kindheit waren sie noch ein vertrauter Anblick, wurde überall in Europa durch mehr oder weniger drastische Methoden zur Sesshaftigkeit genötigt. So auch in der Slowakei, mit verheerenden Folgen für das Sozialgefüge. Wurden sie zu sozialistischen Zeiten noch als genügsame Arbeitskräfte in Industrie und Landwirtschaft gebraucht, blieben sie nach der Wende ohne Einkommen und ohne Bleibe zurück, da sie mit dem Verlust des Arbeitsplatzes auch die zugehörigen Betriebswohnungen verloren.
Karl-Markus Gauß unternimmt nun eine Reise durch die Ostslowakei, und dokumentiert die Umstände, unter denen die Roma heute dort leben. Dabei wird deutlich, dass die Roma in erster Linie ihre Stellung ganz am Rande der slowakischen Gesellschaft gemeinsam haben, sowohl was den sozialen Status, als auch ihre räumliche Verortung betrifft, in verrotteten Plattenbauten in den Vorstädten oder in Blechhütten am Rande der Dörfer. Ansonsten ist die Romagessellschaft durch eine strenge Hierarchie geprägt, innerhalb eines Clans mit dem Patriarchen als unangefochtenem Oberhaupt, aber auch zwischen den verschiedenen Gruppen. Die Paria dabei sind die namensgebenden Hundeesser, Abschaum, der selbst für andere Roma unberührbar ist.
Obwohl Gauß viele interessante Themen anspricht und sehr engagiert über das Elend der Roma, aber auch ihre für uns teilweise nur schwer nachvollziehbare Verhaltensmuster berichtet, fehlte mir teilweise doch die Tiefe. So geht er zwar kurz auf die Situation der anderen Minderheiten in der Slowakei ein, stellt sie aber nicht in den Kontext mit der Stellung der Roma. Auch Ethnologie der Roma, woher sie kamen und warum sie so anders sind als die sesshaften Europäer, wird lediglich angerissen. Da das Buch nicht sonderlich dick ist, hätten es durchaus hundert Seiten mehr sein dürfen, um tiefere Zusammenhänge aufzuzeigen und weitergehende Lösungsvorschläge zu diskutieren, anstatt lediglich an die Toleranz zu appellieren. So aber bleibt es ein recht oberflächlicher Blick auf eine Bevölkerungsgruppe im Elend, das einen zwar neugierig macht, aber auch viele Fragen unbeantwortet lässt.
Aber wahrscheinlich bin ich zu streng, schließlich firmiert das Buch unter "Reisereportage" und für eine solche finde ich es durchaus gelungen