Literarische Weltreise: Armenien
Eine armenische Kindheit in Amerika
Kurzbeschreibung
Eine eindringlich erzählte Familiensaga, die einen weiten Bogen spannt von einer behüteten amerikanischen Kindheit bis in die verlorene Heimat der Armenier in der Türkei. Peter Balakian entwickelt aus der sorglosen Gegenwart eines Heranwachsenden die Geschichte seiner Vorfahren, einer reichen und kultivierten Seidenhändlerfamilie, und erinnert an den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts.
Dieses Buch würde ich nur sehr bedingt als Familiensaga einstufen, eher ist es die Geschichte einer Selbstfindung, weshalb es wohl in der Rubrik „Autobiographie“ ganz gut aufgehoben ist.
Die Geschichte fängt eigentlich ganz harmlos an: Peter wächst in den 50er Jahren in einer Familie auf, wie sie amerikanischer nicht sein könnte: ein Haus im berühmt-berüchtigten Suburbia, zwei Autos vorm Haus, Geschirrspüler und Tiefkühlschrank in der Küche. Doch obwohl sie nach außen perfekte Amerikaner sind, gibt es doch einen bedeutenden Unterschied: sie sind Armenier. Sonntägliche Treffen mit der Großfamilie, bei denen sich die Tische unter aufwendig zubereiteten Köstlichkeiten biegen, sind Pflichtprogramm und eine leise Verachtung für die amerikanische Kultur bricht sich immer mal wieder die Bahn.
Doch seltsamerweise bleibt dieses „Armenier sein“ für Peter lange Zeit verschwommen, zu Hause wird kaum über Armenien gesprochen, und alle Verwandten leben seltsam vergangenheitslos. Erst als Erwachsener beginnt er, sich für diese Vergangenheit zu interessieren und erfährt von der Tragödie, die seine Vorfahren erdulden mussten.
Ähnlich, wie Peter im Laufe seines Lebens mehr und mehr begreift, wo er herkommt und was es mit dieser unerträglichen Sprachlosigkeit seiner Familie auf sich hat, erfährt auch der Leser häppchenweise von der armenischen Tragödie. Und was in diesem Buch so friedlich begann, wird im Laufe der Geschichte zum puren Horror, um so schrecklicher, als uns doch viele Opfer des Horrors über weite Strecken des Buches als ganz normale Menschen von nebenan begegnet sind.
Für mich, die ich bisher vom Völkermord an den Armeniern nur ganz am Rande etwas gehört hatte, war dieses ein interessanter und gut zu lesender Einstieg in diese schwierige Thematik, denn es geht nicht so sehr darum, die damaligen Gräueltaten anzuprangern, sondern den Untergang einer Nation zu betrauern.
Nur manchmal, wenn Balakian ausgiebig über Baseball philosophiert oder wenn er sich seitenweise mit dem literarischen Werk seiner Tante auseinandersetzt, hatte ich so meine Schwierigkeiten, aber glücklicherweise hat Balakian immer wieder in die Geschichte zurückgefunden.