Memoiren einer Geihsa - Kiharu Nakamura

  • Es ist eine sehr bewegte Lebensgeschichte, die vor dem zweiten Weltkrieg beginnt. Kiharu, noch eine Maiko, macht sich jeden Morgen auf, um in einer Schule Englisch zu lernen. Sie möchte die englisch sprachige Kundschaft verstehen, ohne auf unhöfliche und unfähige Übersetzer angewiesen zu sein.
    Ihre Erzählung, wie sie Jahrelang den Spagat zwischen ihrer Geisha-Ausbildung und der normalen Schule hinbekommt und sich nur wenige Stunden Schlaf gönnt, ist bezeichnend für den Grundton des Buches. Frau Nakamura wird nicht müde zu betonen, welche Anstrengungen sie unternommen hat, anderen zum Wohl und wie sie sich verausgabt hat, um ihre Pflichten zu erfüllen.


    Um nicht als Spionin ausländische Gäste belauschen zu müssen, entflieht sie schließlich ihrem Geisha-Dasein und heiratet einen ihrer Verehrer mit dem sie nach Indien zieht. Seine Familie ist nicht gerade glücklich über die Wahl der Schwiegertochter, das merkt Frau Nakamura nur zu deutlich, als sie nach einem Aufenthalt im Internierungslager nach Japan zurückkehrt um ihren Sohn ohne Ehemann großzuziehen. Als ihr Ehemann endlich ebenfalls nach Japan zurückkehrt hat er eine zweite, jüngere Frau und zwei neue Kinder im Gepäck. Seine erste Frau schweigt zu seiner Bigamie und lässt sich scheiden. Sie nimmt ihren Sohn zu sich und versucht aus eigener Kraft, sich selbst, das Kind, ihre Mutter und ihre Großmutter zu erhalten.


    Bis jetzt ist Frau Nakamura das Mitleid und die Sympathie der Leser sicher. Das Schicksal hat ihr übel mitgespielt und sie ist das Opfer. Doch dann beginnt sie eine Liebschaft mit einem verheirateten Mann, heiratet selbst zum zweiten Mal einen zehn Jahre jüngeren Fotografen, der dem Druck der Umgebung und den Gerüchten nicht gewachsen ist und sich in den Alkohol zu flüchten beginnt.
    Frau Nakamura beschließt im Stillen, Japan den Rücken zu kehren. Ihre erste Reise in die USA als Kulturbotschafterin an der Seite einer Puppenmacherin ist ihre Gelegenheit.
    Zwar macht sie sich Sorgen um ihren Noch-Ehemann, aber wenige um ihren Sohn, den sie bei den beiden alten Frauen zurücklässt.


    In den USA arbeitet sie als Model für Kunstschüler und präsentiert auf Ausstellungen, sie unterrichtet Shamisen-Spiel, immer korrekt im Kimono. Am Ende heiratet sie zum dritten Mal (von ihrem Mann in Japan hat sie sich getrennt) und zwar geht sie eine Scheinehe mit einem impotenten Amerikaner ein, um ein Geschäft für Geschenkartikel eröffnen zu können.
    Als sie nach Jahren endlich ihren herangewachsenen Sohn in die USA holt, ist dieser über seinen neuen Stiefvater nicht grad glücklich und lässt seine Mutter deutlich fühlen, dass er sie hasst und verachtet, weil sie ihn im Stich gelassen hat.
    Immer wieder rechtfertigt sie sich, aber als es zu anstrengend wird, den quengelnden Sohn bei sich zu haben, schickt sie ihn mit einem befreundeten japanischen Ehepaar wieder nach Japan zurück, sodass er dort studieren kann.
    Immer noch mit dem Amerikaner Robert verheiratet (die Japaner werden höflicherweise nur mit Anfangsbuchstaben benannt, die westlichen Beziehungspartner mit dem vollen Vornamen) verlässt sie aus Langeweile ihren Laden und zieht in den Süden der USA, wo sie an Theatern auftritt und schließlich ihre zweite große Liebe, Andrew , trifft. Es trennt sie ein Altersunterschied von zwanzig Jahren, aber sie verheimlicht ihr wahres Alter. Zehn Jahre hat sie ein offenes Verhältnis mit ihm, grollt aber jedem, der es wagt, nach der Art ihrer Beziehung zu fragen.
    Als Andrew schließlich bei einem Autounfall ums Leben kommt, lässt sie sich von dem gehörnten Ehemann Robert trösten.


    ..............................


    Damit endet der dritte Abschnitt ihrer Lebensgeschichte und ich kann mir nicht helfen, über die 489 Seiten Text und Fotos hinweg bin ich mit Frau Nakamura nicht warm geworden.
    Das ganze Buch hindurch beklagt sie sich über Japaner, ihre Neugier, ihre Klatschsucht, ihre Vorurteile und ihre Gemeinheiten. Nach der Hochzeit mit ihrem zweiten Mann gibt sie auch den Vorwürfen ihrer Mutter und ihrer Großmutter Schuld an der Trennung und ihrer Flucht nach Amerika. Frau Nakamura, die Japan in Amerika präsentiert, mag ihr erstes Heimatland überhaupt nicht. Sie grollt auch ihrem Sohn und seinem mangelnden Verständnis für ihre dritte Ehe.
    Viele Seiten widmet sie einer hochrangigen Japanerin, die in den USA gegen sie gestichelt hat, aus Eifersucht.
    Keine Frage, die Bigamie ihres ersten Mannes hat in ihr den Glauben an Ehre und Ehrlichkeit angekratzt und sie vielleicht unbewusst angestachelt es ihm gleich zu tun und ihm zu zeigen, dass sie als gebildete Geisha auch jüngere Männer in ihren Bann ziehen kann.


    Das Buch ist ohne Frage sehr interessant zu lesen, aber keine Lektüre, die auf Dauer einen Platz in meinem Bücherregal einnehmen wird.

  • Danke für die ausgewogene, informative Rezi, Mariangela.


    Ich kenne auch einige solcher autobiografischer Bücher, die irgendwann abdriften in Anklagen gegen Gott, die Welt und die Mitmenschen.
    Sowas finde ich dann enorm schade, denn eigentlich hätten diese Menschen genug anderes zu erzählen, aber diese Larmoyanz ist langweilig und lässt den Leser letztlich unbefriedigt im Regen stehen....


    Ein solches Buch war für mich DUMM UND DICK. Es wurde ein Bestseller in der Schweiz damals, als es herauskam....eines jener Bücher, die einem von sämlichen Bekannten als MUSST-DU-LESEN-BÜCHER empfohlen wurde.
    Es schien, als stünde ich weit und breit alleine auf der Welt mit meiner negativen Einschätzung.... :grin

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)