Brigitte Hamann - Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth

  • Klappentext:
    Ab 1933 wird Bayreuth während der Festspiele zum Zentrum europäischer Politik. Winifred nützt die Macht, die sich durch ihren Freund Hitler erhält, für die Festspiele, aber auch für Verfolgte des Regimes. Zwei ihrer Kinder gehen sehr unterschiedliche Wege: Friedelind bekämpft die Nazis, Wieland bleibt Hitler bis 1945 treu. Seine Mutter verehrt „Wolf“ bis zu ihrem Tod 1980.


    Inhalt & eigene Meinung:
    Die Engländerin Winifred Wagner ist die erste Ehefrau des Wagnersohns Siegfried und bringt ihm insgesamt vier Kinder zur Welt. Sie ist von Beginn an eine große Anhängerin der Person Adolf Hitler und lädt ihn ab 1923 regelmäßig nach Bayreuth in die Villa Wahnfried, aber auch ins Festspielhaus ein. Nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahr 1930 geht die Leitung der Bayreuther Festspiele auf sie über und nach ihr sollen laut Siegfrieds Testament alle vier Kinder gleiche Chancen auf das Erbe haben. Winifred versucht dies jedoch von Anfang an zu verhindern, da sie die Leitung eigentlich an ihren ältesten Sohn Wieland übergeben möchte.


    Winifreds größte Aufgabe ist es aber nun erst einmal, sich als Festspielleiterin zu beweisen, was ihr vor allem auch mit der Hilfe Heinz Tietjens (künstlerischer Leiter und enger Freund) gelingt. Die finanzielle Sanierung läuft allerdings sehr schleppend, denn die Juden werden langsam aber sicher aus Deutschland vertrieben, bzw. trauen sich nicht mehr hinein und so sind die Wagners auf Hilfe von Hitler, der NSDAP und der nationalsozialistischen Vereinigung „Kraft durch Freude“ (KdF), die viele Karten kaufen, angewiesen. Während des 2. Weltkrieges werden die Festspiele ausschließlich von Hitler finanziert und am Leben erhalten. Die Gäste sind nun Kriegsveteranen, Offiziere, Verwundete, etc.


    Winifred steht stets treu zu ihrem Freund Hitler, der in Bayreuth nur „Wolf“ genannt wird. Sie kann nicht glauben, dass die schrecklichen Judenverfolgungen oder Erschießungen auf sein Konto gehen und lastet diese Vergehen seinen Untermännern an. Der Führer habe ihrer Meinung nach nie etwas von solchen Dingen gewusst. Obwohl Winifred überzeugte Anhängerin Hitlers ist, versucht sie während des gesamten Krieges befreundeten und bekannten Juden zu helfen. Jeder Bittbrief, der an sie geschrieben wird, wird von ihr bearbeitet. Durch ihre enge Freundschaft zu Hitler selbst hat sie Anfangs auch noch gute Möglichkeiten, aber sie muss mit ansehen, wie ihr Einfluss auf ihn immer schwächer wird. 1940 besucht Hitler zum letzten mal die Festspiele. Danach hält er den persönlichen Kontakt nur noch zu ihren Kindern Wieland, Wolfgang und Verena aufrecht. Friedelind ist inzwischen vor den Nationalsozialisten ins Ausland geflohen und versucht die Nazis von dort zu bekämpfen.


    1945 fallen Bomben auf Bayreuth. Das Festspielhaus bleibt unversehrt, da es von den Alliierten für einen Bauernhof gehalten wurde, aber Wahnfried wird getroffen. Richard Wagners Musik wird nach dem 2. Weltkrieg boykottiert, doch die Festspiele sollen wenn möglich erhalten werden, da sie für die Stadt Bayreuth überaus wichtig sind. Der Bürgermeister der Stadt möchte der unbelasteten Friedelind deren Leitung anbieten, doch sie lehnt ab, da sie sich zur selben Zeit um eine amerikanische Staatsbürgerschaft bemüht und sie vermutlich auch die Streitigkeiten in der Familie fürchtet. Winifred muss aufgrund ihrer engen Freundschaft zu Hitler, die sie auch nach dem Krieg immer wieder bestätigt, die Festspielleitung abgeben und so kommen ihre Söhne Wieland und Wolfgang an die Macht. Winifred selbst muss zur Entnazifizierung und wird erst als Aktivistin (Stufe 2), nach einer Berufung und aufgrund ihrer vielen Hilfsmaßnahmen für die Juden aber als „vermindert Schuldfähige“ (Stufe 3) eingestuft. Sie stirbt am 5. März 1980 im Alter von 82 Jahren.


    Fazit:
    Brigitte Hamann hat eine wunderbare, hervorragen recherchierte und vor allem neutrale Biographie geschaffen, die das schlichte schwarz-weiß denken in Bezug auf Winifred verhindert. Gut geschrieben, spannend zu lesen, sehr informativ und erschreckend zugleich. Natürlich ist es immer gut, bereits etwas Vorwissen zur Familie Wagner zu haben, aber natürlich ist es nicht zwingend nötig, denn diese Biographie liefert einfach sehr viele Hintergründe, die eigentlich (fast) alle Fragen und Zusammenhänge (er)klären sollten.

    ich lese: R. Riggs - Die Stadt der besonderen Kinder :lesend

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von kero-chan ()

  • sehr gerne geschehen.


    Ich kenne B. Hamann aus diversen Dokumentationen z.B. über Hitler, habe aber auch hier im Eulen-Forum ein paar interessante Rezis über ihre anderen Biographien, z.B. über Kronprinz Rudolf gelesen, welche bei den entsprechenden Eulen auch gut angekommen sind.