Bruder Zwilling – Nuruddin Farah

  • Taschenbuch: 346 Seiten
    Verlag: btb Verlag (2002)
    OT: Sweet And Sour Milk
    Aus dem Englischen von Martin Hielscher.


    Kurzbeschreibung
    Nuruddin Farahs Roman "Bruder Zwilling" ist der erste Band einer Triogie mit dem umfassenden Titel "Variationen über das Thema der afrikanischen Diktatur". Soyaan, ein junger Regierungsmitarbeiter im diktatorischen Regime Somalias in den 70er Jahren, stirbt plötzlich einen mysteriösen Tod. Sein Zwillingsbruder Loyaan ist an seiner Seite und hört seine letzten Worte. Die Millitärjunta benutzt Soyaans Tod, der wohl ein Mord war, um aus dem Rebellen einen braven Anhänger der Machthaber zu machen, missbraucht den Vater, dreht ihm auch die letzten Worte im Munde noch um, nimmt dem Toten und seiner Familie die Würde. Loyaan macht sich auf die Suche nach der Wahrheit über seinen Bruder und kommt selbst in äußerste Gefahr...


    Über den Autor
    Nuruddin Farah, 1945 in Somalia geboren, hat sich immer wieder gegen politische Repression gewandt. In seinem Heimatland fand er deshalb wenig Achtung. Das Barre-Regime verhängte über ihn das Todesurteil, zwang ihn zu Flucht und Exil. Farah lebt seitdem vorwiegend in afrikanischen Ländern, war Hochschullehrer in Nigeria, Gambia, Sudan und Uganda. Er hat Kurzgeschichten, Drehbücher und sechs Romane geschrieben, die in 17 verschiedene Sprachen übersetzt worden sind.


    Meine Meinung
    Bruder Zwilling ist als erster Teil einer nur thematisch miteinander verknüpfter Romantrilogie schon im Jahr 1979, wenige Jahre nach dem Exil des Autors, entstanden.
    Für diesen Roman gewann Nuruddin Farah 1980 den English-speaking Literary Award.


    Ein Politiker in Somalia wird vergiftet, sein Zwillingsbruder, ein Zahnarzt, versucht den Mord aufzuklären. Dafür stellt er sich gegen das diktatorische System.


    Der überzeugende Prolog mit dem sterbenden Soyyan geht übergangslos in die Handlung nach dem Tod über. Stilistisch ist das Buch weniger gelungen, ziemlich trocken und viele Passagen sind für meinen persönlichen Geschmack zu emotionslos gehalten.
    Die Mutter hingegen wirkt hysterisch, der Vater wird unsympathisch dargestellt, jedoch leider nur schemenhaft. Die Beziehung der Brüder zu Vater und Mutter bzw. insbesondere das Verhalten der Eltern bleibt für mich unverständlich.
    Zu vermuten ist, dass das eine Folge der politischen Situation in einem diktatorischen System ist.


    Der politische Gehalt des Buches ist hoch, wie man es von dem somalischen Autor Nuruddin Farah und seinem klaren Denken auch nicht anders erwartet.
    Die Angst der Menschen wird deutlich, der Terror durch die Staatssicherheit des somalischen Diktators funktioniert mit Mitteln wie grundlosen Verhaftungen, Mord und Folter.
    Dagegen kommt auch der überlebende Zwilling Loyyan nicht an. Das Buch hätte besser funktionieren können, wenn Loyyan tiefer charakterisiert würde. Er ist aber eine relativ leere Figur, bleibt deutlich hinter seinem Bruder zurück, der als Politiker eigentlich gegen das System stand und der heimlich eine Frau liebte, die von ihm schwanger wurde.
    Loyyans einzig hervorstechende Eigenschaft ist sein Starrsinn, wie er auf die Wahrheit gegen die „offizielle“ Wahrheit besteht.


    Manche Passagen sind gut geschrieben, für einen gelungenen Roman aber zu wenig. Ein großer Teil des Buches ist anstrengend.
    An „Geheimnisse“, seinem Meisterwerk von Roman aus dem Jahr 2000 kommt "Bruder Zwilling" nicht heran.