WM - Sonette 2010

Vor vier Jahren kam ich anlässlich der WM in Deutschland auf die Idee, das ein oder andere Sonett fußballbegleitend zu verfassen.

(Alle, die auch vier Jahre danach noch Interesse daran haben, die damaligen Sonette nachzulesen, können gerne hier die Zeit zurück drehen.)

Irgendwie hatte ich heute Lust, die Tradition wieder aufleben zu lassen. Ihr dürft also in den nächsten vier Wochen noch weitere Sonette erwarten. Hier kommt schon das erste:

WM Sonette 2010 Tag I

Vier Jahre sind, man glaubt es kaum, vergangen,
sie spielten doch in Deutschland gerade eben,
wir mussten falsche Weltmeister erleben.
Jetzt hat das Spiel von vorne angefangen.

Südafrika ertrinkt in Trauertränen,
das Leben schreibt schon grausame Geschichten,
der Fußball spielt die Hauptrolle? Mitnichten -
heut ist die Urenkelin zu erwähnen.

Auch sportlich läuft es anders, als man dachte,
die Durchsicht der nach oben offnen Skala
erfasst als Torschützen Herrn Tshabalala,

bevor dann Mexiko als letzter lachte,
und Uruguay und Frankreich dort im Süden
beschlossen, uns ganz torlos zu ermüden …

WM Sonette 2010 Tag II

Die Tore fielen heut, frei nach dem Motto
"Wenn du nicht weißt, wohin, schieß in den Kasten",
Die Griechen übten sich im Ruh'n und Rasten
aus Rehakles wird nun der dumme Otto.

Und Argentiniens Leistung faszinierte.
Trotz dieses Rumpelstilzchens an der Seite
vermeiden Messis Mannen eine Pleite,
obwohl Nigerias Torwart heut brillierte.

Am Abend England. Viel zu früh zufrieden.
Ein schneller Treffer, dann begann das Schlafen.
Es ist egal, wer da in Englands Tor steht.

Herr Green, der patzte und die Amis trafen,
wer weiß schon, was in so nem Keeper vorgeht.
Er selbst wohl nicht. So kommt's zum Unentschieden.

WM-Sonette 2010 Tag III

Er war das Thema all der letzten Wochen.
Wie dumm ist dieser Löw, an jenem alten
und ach so schwachen Spieler festzuhalten,
der hat schon lang am Tor nicht mal gerochen.

Und als Bestätigung schoss er daneben,
er stand so frei, den muss er einfach machen!
Minuten später sieht man Miro lachen,
er trifft per Kopf. So kitschig spielt das Leben.

Ich musste diese Szenen hier erwähnen,
bin doch seit vielen Jahren Fan von Klose.
Diesmal, so schien es, ging das in die Hose.

Doch als es zählte, hat er heut getroffen.
Als Lahm ihn herzte, ich gesteh es offen,
da kamen mir, dem alten Fan, tatsächlich Tränen …

WM-Sonette 2010 Tag IV

Der Tag danach. Die deutschen Spieler schlafen
den Schlaf der Sieger. Heute kein Trainieren,
vielmehr das Spiel von gestern einsortieren
und träumen von den Schüssen, die da trafen.

Der Schlaf ist ganztags durchaus angeraten,
ihn stören weder Holländer noch Dänen,
Japan und Kamerun nicht zu erwähnen.
Es ist ein Tag für öde Diplomaten.

Auch Paraguay und alte Italiener
Schaffen es nicht, mich richtig aufzuwecken.
Es fällt nicht leicht, doch muss ich konstatieren:

Die Welt spielt deutsch. Europa kürte Lena,
nun sind da Özil, Müller zu entdecken.
Ich glaube fast, wir können nicht verlieren …

WM Sonette 2010 Tag V

Ein klassisches Motiv: Der Außenseiter
versucht, dem Favorit ein Bein zu stellen.
Nicht immer beißen die, die vorher bellen.
Wer weiß. Vielleicht kommt Nordkorea weiter.

Erst ärgerten die Roten die Gelb-Blauen,
dann kam Maicons Geniestreich. Ganz weit offen
Koreas kurzes Eck. Nichts mehr zu hoffen,
um kurz vor Schluss sich trotzdem mal zu trauen …

Es wurd’ noch knapp, doch nichts mit Sensationen,
wir können weiter unsre Nerven schonen,
die die Slowaken nicht im Griff behielten:

Das Spiel gegen Neuseeland fast gewonnen,
was in der Nachspielzeit brutal zerronnen,
weil die Maori spät ein schönes Tor erzielten …

WM Sonette 2010 Tag VI

Wie habe ich gelacht, ich sag es offen,
als Schweizer Eulen siegessicher waren.
Nie schlug man Spanien in all den Jahren,
was soll’s, man darf ja auf ein Wunder hoffen.

Die Spanier waren dann auch deutlich besser,
sie spielten eleganter, kombinierten,
wie schön sie Tempofußball zelebrierten,
die Schweizer kämpften nur, doch bis auf’s Messer …

Dann Fernandes. Irgendwie spanisch heißt er,
doch spielt und trifft er für die Eidgenossen
und hat sie damit echt zum Sieg geschossen.

Denn auch beim Torwart geht das Wunder weiter:
Benaglio. Italienisch klingt das, heiter,
und Spaniens Stürmer finden ihren Meister.

Dabei bin ich doch hier gar nicht so unauffällig

WM Sonette 2010 Tag VII

Es war einmal ein Land in Blau, das mächtig
über Jahrzehnte in Europa thronte.
Wie sehr sich doch das Zuschau’n immer lohnte!
Die Fußballkunst gedieh in Frankreich prächtig.

Es war einmal. Die Zeiten sind vergangen.
So wie sie stolpernd übern Rasen schleichen,
um jedem Mexikaner auszuweichen,
muss Frankreich um das Weiterkommen bangen.

Nur bangen? Frankreich kann nach Hause fliegen,
die Griechen noch nicht ganz, trotz dieses Greises,
der Fußball stets so seltsam uns erklärte.

Wenn man sich über sein System beschwerte,
dann sprach er meist etwas besonders Weises.
Fürs Reden wird er nicht bezahlt. Fürs Siegen.

WM Sonette 2010 Tag VIII

Als Fan bin ich betrübt, doch schleicht sich Jubel
ins Dichterherz. Was kann es Bessres geben
als solche Tragik! Hart ist unser Leben,
die Welt kennt nur zu selten frohen Trubel.

Man lese jene furchtbaren Sonette,
aus denen frisch und fröhlich Späße sprießen.
Nein, im Sonett sind Tränen zu vergießen!
Ach wenn es doch nur Niederlagen gäbe …

Vergänglichkeit. Dein Name lautet Klose.
Den Prinzen Poldi sehen wir versagen,
der Spanier mit den Karten wird zum Schurken.

Wir spüren nur die Dornen an der Rose,
es ist die Zeit zu jammern und zu klagen:
Ihr Blindschleichen! Ihr Trottel! Oh, ihr Gurken …