Maigret und der Gehängte von Saint Pholien - Georges Simenon

  • Literarische Weltreise: Frankreich


    Kurzbeschreibung
    'Niemand bemerkte etwas. Niemand ahnte auch nur, dass sich im Wartesaal des kleinen Bahnhofs, wo bloß sechs Reisende teilnahmslos im Dunst von Kaffee, Bier und Limonade warteten, ein Drama abspielte.' Aus einer Eingebung heraus heftet sich Kommissar Maigret während einer kurzen Dienstreise nach Brüssel an die Fersen eines schäbig gekleideten Mannes, den er in einem kleinen Café Tausend-Franc-Scheine zählen sah. Für den Kommissar wird daraus zunächst eine lange Reise und dann ein quälendes Schuldgefühl...




    Auch in diesem dritten Fall ist Maigret wieder als einsamer Wolf unterwegs, dieses Mal gar ohne offiziellen Auftrag, ist doch eigentlich gar kein Verbrechen geschehen. Da ist nur dieser seltsame, ärmliche Mann, den Maigret, mal wieder einer etwas dubiosen Intuition folgend, nicht nur verfolgt, sondern auch noch dessen Koffer gegen einen mit Zeitungen gefüllten austauscht. Dass der Verfolgte sich, als er die Verwechslung bemerkt, unverzüglich umbringt, ist dann auch für den stoischen Maigret harter Tobak, weshalb er erst recht alles daran setzt, um hinter die Geschichte der Geschichte zu kommen.


    Wie immer: auch dieser Fall lebt nicht von einer toll ausgedachten Geschichte, die meiner Meinung nach dieses Mal deutlich antisemitische Züge trägt, und deren Auflösung zumindest fragwürdig ist. Vielmehr lebt auch dieser Roman von der Stimmung, die Simenon heraufbeschwört, vor allem, wenn Maigret mal wieder am unteren Ende der Gesellschaft unterwegs ist. Und da der Alte auch in diesem Buch wieder viel unterwegs ist, packte mich tatsächlich die Sehnsucht nach einem Nachmittag in einer öden zentralfranzösischen Kleinstadt, die außer einem Steinkirchlein und einem Kriegerdenkmal nur Croissants zu bieten haben, die aber so göttlich schmecken, dass man ihnen noch Wochen später hinterhersabbelt. Was will man von einem Buch mehr erwarten?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)